US-Schuldenkrise paradox Kollaps droht bei Aufschwung
31.01.2012, 21:16 Uhr
Die USA bekommen ihr Haushaltsdefizit nicht in den Griff. Wenn der Aufschwung kommt, könnte das zum Problem werden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die US-Schuldenquote liegt bei etwa 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und das Haushaltsdefizit bei rund 10 Prozent. Derzeit kein Problem: Der Anleihemarkt liefert genug Kapital. Springt aber die Konjunktur an, könnte sich das Blatt überraschend wenden. Es droht der finanzielle Super-GAU.
Es klingt paradox: Sobald die Konjunktur an Fahrt gewinnt, könnten die USA Probleme bekommen, über den Anleihe-Markt frisches Geld aufzunehmen. Denn dann könnten Unternehmensanleihen den Treasuries den Rang als Investment der Wahl ablaufen. Im Augenblick genießen die US-Staatsanleihen aber eine Art Monopolstellung.
"Die Unternehmen wollen sich kein Geld leihen und die Verbraucher können es sich nicht leisten, Geld zu leihen. Daher gibt es keinen Verdrängungswettbewerb", sagte Russ Koesterich, Chef-Investmentstratege der BlackRock-Sparte iShares. Außerdem profitierten die USA in Zeiten von europäischer Schuldenkrise und mäßigem Weltwirtschaftswachstum vom Status des Dollar als Weltleitwährung, fügt Koesterich hinzu. Daher würden US-Staatsanleihen ähnlich wie Gold oder der Schweizer Franken als "sicherer Anlagehafen" betrachtet.
Der Staat könne seine aktuelle Quasi-Monopolstellung aber schnell verlieren, wenn Unternehmen wieder verstärkt investieren und mit ihren - meist besser verzinsten - Bonds auf den Markt drängen, warnt der BlackRock-Experte. "Dann werden wir zwar keine Krise, aber anziehende Renditen sehen. Bis dahin sind es allerdings sicher noch einige Jahre."
Das politische Patt und der Aufschwung
Koesterich zufolge wird der Präsidentschaftswahlkampf die Schonfrist für den Schuldner USA möglicherweise sogar noch verlängern. Denn ein verfrühter Sparkurs der Regierung in Washington könnte die Konjunktur abwürgen. "Die US-Verbraucher kämpfen mit hohen Schulden und geringem Einkommenswachstum. Sollten die USA auf Sparkurs gehen, bevor die Verbraucher wieder auf den Beinen sind, könnte das die Erholung gefährden." Entsprechend gering wäre in diesem Fall die Investitionsneigung der Unternehmen.
Als Gefahr für das Wachstum sieht er vor allem die automatischen Haushaltskürzungen, die ab dem kommenden Jahr auf der Tagesordnung stehen. Diese könnten zu einer Rezession führen. "Es bleibt nur ein kleines Zeitfenster zwischen der Präsidentschaftswahl im November und Anfang 2013, um sich dieses Problems anzunehmen."
Reformbedarf, aber kein Bewusstsein
"In den USA gibt es nur eine kleine Gruppe von Investoren, die sich bewusst ist, dass die Verschuldungslage in den USA genau so schlimm, wenn nicht sogar schlimmer als in Europa ist", sagt Stratege Koesterich weiter. "Das ist aber nicht überraschend, denn echte Reformen kommen üblicherweise erst dann, wenn der Anleihemarkt einen dazu zwingt. Es wird soweit sein, sobald die Anleihe-Anleger nicht mehr bereit sind, eine hohe Verschuldung mit einem Zins von zwei Prozent zu finanzieren."
Defizit erneut über 1 Billion Dollar
Die US-Schuldenquote liegt derzeit bei etwa 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und das Haushaltsdefizit bei rund 10 Prozent. Zum Vergleich: Die entsprechenden Werte für Deutschland liegen bei rund 80 beziehungsweise 1 Prozent.
Und der Trend in den USA dauert an: Die Vereinigten Staaten steuern im vierten Jahr in Folge auf ein Haushaltsdefizit von mehr als 1 Billion Dollar zu. Der überparteiliche Rechnungshof des Kongresses (CBO) hob die Prognose für 2012 von 0,973 auf 1,079 Billionen Dollar an. Eine als wahrscheinlich geltende Verlängerung des Einkommensteuerrabatts bis zum Jahresende würde den Fehlbetrag um weitere 100 Mrd. Dollar erhöhen.
Quelle: ntv.de, Hakan Ersen, rts