Zwischen Krisenangst und Optimismus Konjunktur bleibt wackelig
30.05.2012, 13:40 Uhr
Malochen vor der Kulisse des Frankfurter Bankenviertels.
(Foto: picture alliance / dpa)
Trotz Schuldenkrise blickt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag zuversichtlich in die Zukunft. Die Exporterwartungen der heimischen Firmen steigen. Für die gesamte Eurozone überwiegt nach jüngsten Daten der EU-Kommission dagegen die Skepsis. Auch das DIW bleibt vorsichtig.
Die Schuldenkrise im Euroraum belastet zunehmend die Stimmung in Industrie und Handel, während die Verbraucher trotz steigender Arbeitslosigkeit in vielen Ländern etwas optimistischer in die Zukunft blicken. Der von der Europäischen Kommission veröffentlichte Sammelindex zur Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung sank im Mai gegenüber dem Vormonat um 2,3 Punkte auf 90,6 Zähler. Volkswirte hatten lediglich einen Indexrückgang auf 92,0 Zähler prognostiziert.
Im April hatte er revidierten Berechnungen zufolge bei 92,9 Punkten gelegen. Für die gesamte Europäische Union (EU) wurde ein Indexrückgang um 2,7 auf 90,5 Punkte ausgewiesen.
Der Sammelindex zur Wirtschaftsstimmung umfasst die Einschätzung von Industrie, Bauwirtschaft und Dienstleistungsgewerbe sowie das Verbrauchervertrauen und die Entwicklung des Einzelhandels in der EU. Für Deutschland fiel der Index im Mai um 1,4 auf 101,9 Punkte. Für Frankreich wurde eine Abnahme um 1,5 auf 93,8 Zähler berichtet. In Italien sackte der Index zur Wirtschaftsstimmung um 4,3 auf 78,8 und in Spanien um 1,0 auf 88,1 Punkte. Deutlich verschlechtert hat sich auch die Stimmung in Großbritannien, der Index fiel um 4,7 Punkte auf 91,0.
Industrie ist skeptisch
Die Zuversicht der Industrie in der Eurozone trübte sich unerwartet deutlich ein. Der Index des Industrievertrauens sank auf minus 11,3 Punkte. Ökonomen hatten einen Rückgang auf minus 10,0 Punkte erwartet. Im April hatte der Index bei minus 9,0 gelegen. Für die gesamte Union wurde ein Sinken des Industrievertrauens auf minus 11,2 berichtet. Im April hatte der Index bei minus 7,7 gelegen.
Dagegen verbesserte sich das Verbrauchervertrauen für den gemeinsamen Währungsraum, das 20 Prozent des Gesamtindex ausmacht, im Zuge einer positiveren Beurteilung der Wirtschaftsaussichten und einer sinkenden Furcht vor Arbeitslosigkeit. Der Index des Verbrauchervertrauens stieg im Euroraum auf minus 19,3 Punkte, womit die Vorabschätzung erwartungsgemäß bestätigt wurde. Im April hatte der Index bei minus 19,9 Punkten notiert. Für die gesamte EU befestigte sich dieser Index auf 19,4 Punkte, nachdem er im April bei minus 20,2 gelegen hatte.
Im Einzelhandel hapert's
Schlechter fiel in der Eurozone im Mai der Stimmungsindex für den Einzelhandel aus. Er sank auf minus 18,1, nachdem er im Vormonat bei minus 11,1 notiert hatte. Der Stimmungsindex für den Dienstleistungssektor ging auf minus 4,9 Punkte zurück, gegenüber minus 2,4 Punkten im April und der Index für die Bauwirtschaft fiel auf minus 30,1 von minus 27,5 im Vormonat.
Beim Industrievertrauen wurde für Deutschland eine Verschlechterung auf minus 5,8 Punkte ausgewiesen. Im April war ein Stand von minus 2,5 verzeichnet worden. Für Frankreich sank der entsprechende Index auf minus 15,0 von minus 14,0 im April. Das Verbrauchervertrauen in Deutschland verbesserte sich auf plus 0,4 von minus 2,3 und das in Frankreich auf minus 16,0 von minus 20,2 Punkten.
DIHK-Umfrage
Deutsche Firmen setzen zudem zunehmend auf das Auslandsgeschäft. "Der Ausblick der Unternehmen auf die kommenden Monate ist spürbar optimistischer", erklärte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zu seiner Umfrage unter gut 25.000 Firmen.
Der Verband erhöhte deshalb seine Wachstumsprognose für die Wirtschaft 2012 auf 1,3 von 1,0 Prozent. Die Exporterwartungen hellten sich erstmals seit einem Jahr auf. Für Impulse sorgten die Wachstumsmärkte Asiens, während die Rezession bei manchem Euro-Partner die Exportzuwächse bremse. "Allerdings kehrt die aus der Euro-Schuldenkrise resultierende wirtschaftspolitische Unsicherheit am aktuellen Rand zurück", räumte der DIHK ein.
Im 1. Quartal war das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland mit 0,5 Prozent zwar unerwartet stark gestiegen. Zuletzt hatten Umfragen des Ifo-Instituts und unter Einkaufsmanagern jedoch wachsende Skepsis der Unternehmen zum weiteren Konjunkturverlauf an den Tag gebracht. Zudem sorgten die Lage in Griechenland und Spanien in den vergangenen Tagen zunehmend für Unsicherheit an den Finanzmärkten.
Die DIHK-Umfrage wurde bereits Anfang Mai abgeschlossen. Die Kammerorganisation betonte nun, die Sparpakete und Reformschritte in vielen europäischen Ländern dämpften die Nachfrage nach Waren "Made in Germany". "Die robuste Entwicklung anderer Exportmärkte sowie die stabile Binnenkonjunktur verhindern aber Schlimmeres."
Investitionen und Personalaufbau ziehen an
Zudem steige die Bereitschaft der Firmen, zu investieren. Grund seien niedrige Zinsen und die hohe Auslastung. Binnenmarktorientierte Branchen wie die Bauwirtschaft, der Handel und Dienstleister stockten ihre Investitionsetats wieder auf. "Unverändert rege bleiben die Investitionsabsichten der Industrie." Unbeeindruckt von der Schuldenkrise zeige sich der Arbeitsmarkt. "Die Beschäftigungsabsichten der Betriebe steigen auf hohem Niveau leicht an", schrieben die DIHK-Experten. Sie betonten sogar, seit einigen Jahren stellten die Firmen bei guten Geschäftserwartungen dank größerer Flexibilität schneller ein. Zudem führe der Fachkräftemangel dazu, "dass Unternehmen Personal einstellen, wo es der Arbeitsmarkt noch möglich macht".
DIW: "Kräftige Zuwächse kein Thema"
Etwas skeptischer was die Wirtschaftslage für das 2. Quartal betrifft, ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Berliner Forscher änderten ihre Prognose von 0,4 Prozent auf 0,3 Prozent. Zwar werde die Industrie wieder mehr produzieren. "Und nach dem kräftigen witterungsbedingten Plus am Bau wird dort die Produktion sogar deutlich über dem Niveau des 1. Quartals liegen", erklärte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner.
"Kräftige Zuwächse bei der Beschäftigung, wie wir sie in den vergangenen Monaten gesehen haben, sind aber vorerst kein Thema", auch wenn ein Einbruch am Arbeitsmarkt nicht bevorstehe, schränkte DIW-Konjunkturexperte Simon Junker ein. Von Januar bis März war die deutsche Wirtschaft laut Statistischem Bundesamt um 0,5 Prozent gewachsen.
Quelle: ntv.de, DJ/rts/dpa