Europas Schuldenkrise Kontroverse Lösungsvorschläge
06.12.2010, 13:34 UhrDie Finanzminister des Eurogebiets treffen sich in Brüssel, um über die europäische Schuldenkrise zu beraten. Für Gesprächsstoff ist reichlich gesorgt. Während Luxemburg und Italien die angeschlagenen Staaten über eine Euro-Anleihe mit frischem Geld versorgen wollen, lehnt Deutschland dies strikt ab.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble spricht mit seinem belgischen Amtskollegen Didier Reynders.
(Foto: REUTERS)
Im Kampf gegen die Schuldenkrise suchen die Euro-Länder nach einer gemeinsamen Taktik. Der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, wirbt für die Einführung von Gemeinschaftsanleihen der Euro-Länder. Belgien wiederum macht sich für eine Vergrößerung des Euro-Rettungsschirms stark. Diese Vorschläge stoßen in Berlin auf wenig Gegenliebe. Auch andere Ideen, um die Schuldenkrise zu lösen, sind höchst umstritten.
Ausgabe von gemeinsamen Euro-Anleihen
Diese Idee hat mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und Italiens Finanzminister Giulio Tremonti prominente Fürsprecher. Die beiden Letztgenannten wollen noch in diesem Jahr eine Europäische Schuldenagentur gründen, die den sogenannten E-Bond begeben und damit frisches Geld am Kapitalmarkt einsammeln soll. Damit könne die "Unumkehrbarkeit des Euro" manifestiert werden. Bis zu 50 Prozent, in Krisenfällen sogar bis zu 100 Prozent ihres Finanzbedarfs sollen die Euro-Länder so decken können.
Der Vorteil: Damit kann die Finanzierung angeschlagener Staaten langfristig auf ein festes Fundament gestellt werden. Länder wie Portugal und Spanien müssen extrem hohe Zinsen an Investoren zahlen, wenn sie frisches Geld am Kapitalmarkt einsammeln wollen. Das zwingt zu noch höheren Sparanstrengungen, was wiederum die Konjunktur belastet und das Schuldenproblem noch verschärft. Ein Teufelskreis. Er kann durchbrochen werden, wenn Deutschland, Frankreich und andere Länder ihre hohe Kreditwürdigkeit mit den Krisenländern teilen und zu günstigen Konditionen eine gemeinsame Anleihe begeben.
Der Nachteil: Länder mit vergleichsweise soliden Staatsfinanzen würden um den Lohn ihrer Politik gebracht. Besonders Deutschland würde draufzahlen. Kein anderes Euro-Land kann sich zu so günstigen Bedingungen am Kapitalmarkt Geld leihen. Eine Euro-Anleihe wäre deutlich teurer. Die Bundesregierung gehört deshalb zu den entschiedensten Gegnern eines E-Bonds. "Ohne grundsätzliche Änderungen am europäischen Regelwerk wäre das nicht möglich", bringt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auch generelle Bedenken ins Spiel.
Massive Anleihen-Käufe durch die EZB
Prominentester Fürsprecher dieser Idee ist EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn. Er sieht die Europäische Zentralbank (EZB) als Retter in der Not, die Staatsanleihen der finanzschwachen Euro-Länder aufkaufen soll. Dazu ist den Anleihen-Experten von Evolution Securities in London zufolge ein Volumen von ein bis zwei Billionen Euro notwendig.
Der Vorteil: "Das Verfahren, von Land zu Land zu springen, hat die Märkte bislang nicht beruhigen können", sagt Evolution-Securities-Expertin Elisabeth Afseth zu den bisherigen Rettungsaktionen für Griechenland und Irland. "Der einfacherer Weg ist, dass die EZB ihr Aufkaufprogramm hochfährt und große Summen ausgibt." Allein Spanien und Italien müssen im kommenden Jahr zusammen etwa 500 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten erlösen. Das wird schwierig und teuer, weil die Investoren hohe Risikoaufschläge verlangen. "Deshalb muss jemand einspringen und helfen", sagt Afseth. Die EZB kann zudem rasch helfen. Binnen weniger Tage könnte sie ihr bereits seit Mai bestehendes Kaufprogramm hochfahren. Bislang hat sie für rund 67 Milliarden Euro Staatsanleihen von Problemländern wie Portugal am Markt gekauft.
Der Nachteil: Ein solches Vorgehen verstößt gegen die Statuten der EZB, die sich hauptsächlich um stabile Preise kümmern soll. Die Währungshüter um EZB-Präsident Jean-Claude Trichet weigern sich deshalb beharrlich, dass bereits seit Mai bestehende Aufkaufprogramm nach Vorbild der amerikanischen Fed auszudehnen und frisches Geld zu drucken.
Erweiterung des EU-Rettungsschirms
Auch diese Variante hat prominente Fürsprecher. Sie reichen vom Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, bis hin zum belgischen Finanzminister Didier Reynders. Auch Bundesbankpräsident Axel Weber hat eine Erweiterung ins Spiel gebracht. Ökonomen wie DIW-Präsident Klaus Zimmermann raten dazu, das Volumen des bis 2013 befristeten Rettungsschirms von ursprünglich 750 Milliarden auf 1,5 Billionen Euro zu verdoppeln.
Der Vorteil: Damit wäre sichergestellt, dass auch große Schuldenstaaten wie Spanien noch Platz unter dem Rettungsschirm finden würden. Das könnte Spekulationen über ein Ende der Währungsunion stoppen, die Risikoaufschläge in Folge zurückgehen. Es ist zudem sinnvoll, den funktionierenden Krisenmechanismus auszubauen. Er sieht strenge Sparauflagen für die Staaten vor, die Hilfen benötigen. Zudem ist der Internationale Währungsfonds mit an Bord, der die Einhaltung der Auflagen überprüft und über viel Erfahrung im Krisenmanagement verfügt.
Der Nachteil: Politisch ist das schwer durchsetzbar. In Staaten wie Finnland muss die Zustimmung dafür im Parlament eingeholt werden, was schwierig werden dürfte. Auch die Bundesregierung ist dagegen, weil Deutschland als größtes Euro-Land das meiste Geld bereitstellen müsste. "Es bleibt dabei: Es besteht keine Notwendigkeit, den Rettungsschirm zu erhöhen", heißt es deshalb im Bundesfinanzministerium.
China kauft europäische Anleihen
Die Volksrepublik besitzt die weltweit größten Devisenreserven. "Man muss darüber nachdenken, wer genügend Geld hat, um das Problem zu lösen", sagt ein hoher EU-Offizieller. "Das einzige Land ist China. Wir müssen die Chinesen dazu bringen, EU-Schuldtitel zu erwerben."
Der Vorteil: China hat sein Geld bislang vorwiegend in US-Staatsanleihen angelegt - insgesamt 1,8 Billionen Dollar - und dürfte daran interessiert sein, sein Geld breiter zu streuen. Die Volksrepublik hatte dem angeschlagenen Griechenland bereits eine Geldspritze aus seinen gigantischen Währungsreserven angeboten. Das Geld könnte rasch fließen.
Der Nachteil: Diese Lösung ist politisch schwer durchzusetzen. Sowohl die EU-Behörden als auch die EZB und die Politik dürften sich dagegen verwahren.
Gemeinsame Haushaltspolitik
Die 16 Euro-Länder verfügen über eine gemeinsame Währung und einen gemeinsamen Leitzins, aber nicht über eine gemeinsame Steuer- und Haushaltspolitik. Das hat die Spannungen erst ermöglicht, deretwegen die Währungsunion vor einer Zerreißprobe steht. "Wir brauchen auch eine Art Haushaltsbund", sagt EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. "Wir können das erreichen, wenn es eine starke Aufsicht und Kontrolle gibt."
Der Vorteil: Das Übel würde an der Wurzel gepackt, die Währungsunion langfristig auf ein sicheres Fundament gestellt, die Spannungen zwischen den sparsamen Nordländern und den schuldenbeladenen Südländern abnehmen.
Der Nachteil: Eine Umsetzung würde Jahre dauern - zu lange, um die akute Krise zu lösen. Abgesehen davon wollen Deutschland und andere Kernländer der Währungsunion nicht weiter an Eigenständigkeit verlieren.
Quelle: ntv.de, rts