Sagt Madame Non doch Oui? Lagarde macht Merkel Druck
23.01.2012, 18:16 Uhr
Testet Bundeskanzlerin Merkel nun einen weicheren Kurs?
(Foto: dapd)
Die Rufe nach einer Ausweitung des künftigen Euro-Rettungsschirms auf bis zu eine Billion Euro werden immer lauter. Auch IWF-Chefin Lagarde will eine "größere Brandmauer" gegen die Krise. Bundeskanzlerin Merkel sagt dazu "Nein", doch das klang schon entschlossener.
Die Debatte um die Euro-Schuldenkrise dreht sich im Kreis. Obwohl die Risikoaufschläge bei Anleiheemissionen der südlichen Euro-Staaten in den ersten Wochen sinken, ist die alte Frage "Mehr Geld oder mehr Reformen?" noch nicht beantwortet. Deutschland plädiert naturgemäß für mehr Reformen, denn das Mehr an Geld soll aus deutschen Staatskassen kommen.
So hat Italiens Ministerpräsident Mario Monti seit Jahresbeginn mehrfach gefordert, Deutschland müsse einen Beitrag dazu leisten, dass die Zinsen für sein Land sinken - ohne aber präziser zu werden. Medienberichten zufolge strebt Monti eine Verdoppelung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM an. Die maximale Kreditsumme solle von 500 Mrd. auf eine Billion Euro steigen. Wenn die Bundesregierung schon den Einsatz der Europäischen Zentralbank als Gelddruckmaschine ablehne, schaffe zumindest dies an den Finanzmärkten wieder Vertrauen, dass Italiens Kredite sicher sind. Zudem argumentiert Monti, dass die Italiener für ihre Sparanstrengungen belohnt werden müssten - während Deutschland mit seinen immer weiter sinkenden Finanzierungskosten mehr Solidarität zeigen müsse.
Montis Vorstoß bekommt breite Rückendeckung - vom Italiener Mario Draghi an der EZB-Spitze und der Französin Christine Lagarde an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF). Beide schlagen vor, dass der bisherige Rettungsschirm EFSF und der ESM parallel laufen sollen, weil damit zusammen rund 750 Mrd. Euro "Feuerkraft" zur Unterstützung angeschlagener Euro-Staaten zur Verfügung stünden. Dafür warb Lagarde vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die Idee: Je umfangreicher der ESM ausgestattet ist, desto geringer sind im Krisenfall die Lasten, die auf EZB und IWF zukommen.
Geld ist keine Lösung
Doch in Berlin lösen solche Vorschläge bisher nur eine Mischung aus höflicher Ablehnung und Kopfschütteln hinter den Kulissen aus. "Die Botschaft der Ratingagenturen wurde nicht verstanden", heißt es. Standard & Poor's habe viele AAA-Staaten gerade deshalb heruntergestuft, weil sie bereits jetzt zu viele Risiken für Kredite an die Euro-Südschiene übernommen hätten. Würden Staaten mit Spitzenbonität wie Deutschland jetzt noch mehr Lasten übernehmen, wäre das nicht nur innenpolitisch schwer durchzusetzen - es würde ausgerechnet die starken Euro-Länder schwächen, wird argumentiert.
Dazu kommt die sich verfestigende Meinung, dass mehr Geld einen Ausweg aus der Krise nur erschwert. "Rettungspakete und kurzfristige Liquidität sind keine Lösung für die Krise", mahnte Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor wenigen Tagen in Washington. Wie ein Mantra trägt auch Bundeskanzlerin Merkel fast täglich vor, dass neues Wachstum auf Pump nur die nächste, noch größere Krise vorbereite. Es gebe einfach keine Alternative zu dem entschlossenen Sparen und der Anstrengung der Euro-Staaten, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. "Standard & Poor's hat gesagt, wir müssen noch mehr für Wachstum tun, mehr für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Das ist genau das Ziel unseres Extra-Rates Ende Januar", betont Merkel etwa in ihrem Video-Podcast.
Weiches "Nein"
Doch wie 2011 droht Deutschland erneut in die Defensive zu geraten. Um dies zu vermeiden, haben Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble jetzt erst einmal den argumentativen Weichspül-Gang eingeschaltet. Statt eine ESM-Erhöhung kategorisch auszuschließen, verschieben sie die Debatte mit Hinweis auf geltende EU-Beschlüsse. "Im März wird man noch einmal überprüfen, ob es ausreicht", sagte Schäuble. Merkel nennt das Vorziehen des ESM "prioritär" - beides klingt nicht wie eine Komplett-Absage.
Bis März, so das Kalkül, wird Deutschland aber mit dem Fiskalpakt straffere Regeln für die Haushaltsdisziplin in der Euro-Zone durchgesetzt haben. Bis dahin, so die Hoffnung, dürfte sich zudem die Anspannung an den Märkten soweit gelegt haben, dass den "Aufstockern" die Argumente ausgehen.
Falls nicht, wird dann die eigentliche Schlacht um weitere Haftungs-Milliarden in der Euro-Zone beginnen. Denn ob Merkel im März kompromissbereiter sein wird und kann, ist fraglich. Das ESM-Gesetz muss in den Bundestag. Dort haben viele Abgeordnete der Regierungsfraktionen schon mit der bisher geplanten deutschen ESM-Haftungsobergrenze von 190 Mrd. Euro ein Problem. Kämen die 211 Mrd. für den EFSF und die mehr als 20 Mrd. Kreditgarantien aus dem ersten Griechenland-Hilfspaket einfach dazu, könnte die deutsche Gesamthaftung schnell über 400 Mrd. Euro hochschießen.
Quelle: ntv.de, sla/rts