Gesundes Ego Larry Ellison mischt IT-Branche auf
24.11.2010, 14:47 UhrOracle-Gründer Larry Ellison leidet nicht unter Minderwertigkeitskomplexen. Konflikte nimmt das Enfant terrible der IT-Branche persönlich - Triumphe erst recht. Den Prozess gegen den Erzrivalen SAP nutzt er als Bühne und demonstriert sein lautstarkes Selbstbewusstsein.
Zurückhaltung und Bescheidenheit gehören sicherlich nicht zu den Stärken von Larry Ellison. Der Umfang seines Porträts auf der Oracle-Website irritiert deshalb auf den ersten Blick, da es lediglich aus kümmerlichen 26 Wörtern besteht. Doch auf den zweiten Blick wird klar: Der Inhalt hat es in sich und wird dem Selbstverständnis Ellisons gerecht: "Larry Ellison ist Vorstandschef von Oracle, seit er das Unternehmen im Jahre 1977 gegründet hat. Er segelt außerdem Rennyachten, steuert Flugzeuge und spielt Tennis und Gitarre."
Ein vielseitiger Mann, zweifellos. Was der Eintrag allerdings nicht verrät: Der Multi-Milliardär gehört zu den schillerndsten Konzernschefs. Seine schnoddrige Art ist mittlerweile zu einem Markenzeichen geworden. Solange der Erfolg ihm Recht gibt, wird er das sicherlich nicht ändern. Vermutlich auch dann nicht, sollte es eines Tages nicht mehr so prächtig laufen. Danach sieht es aber wahrlich nicht aus. Im Gegenteil.
Persönliche Fehden
Die Geschäfte brummen und Erzrivale SAP wurde gerade wegen Urheberrechtsverletzungen zu einer Milliardenbuße verurteilt. Ein symbolträchtiges Urteil, denn die Fehde zwischen Ellison und der deutschen Konkurrenz trägt kuriose Züge. SAP-Mitgründer Hasso Plattner soll seinem Gegner während einer Regatta den nackten Hintern gezeigt haben. Das dürfte Ellison nicht nur angesichts des jüngsten Erfolgs vor Gericht gelassen sehen. Schließlich hat er im Februar die ruhmreichste Regatta, den Americas Cup, gewonnen und die Trophäe in die USA geholt.
Während des Prozesses legte Ellison mit seinen Vorwürfen fast täglich nach. Seine Schadenersatzforderungen stiegen nach und nach auf 1,7 Mrd. Dollar. Doch damit nicht genug. Dem Alpha-Tier Ellison wird sogar zugetraut, den ehemaligen SAP-Chef Apotheker in den Untergrund getrieben zu haben. Ellison hatte verlangt, dass Apotheker als Zeuge im Prozess gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber aussagt. Doch der jetzige Chef von Hewlett-Packard erschien nicht vor Gericht. Angeblich entzog er sich der Vorladung durch ausgedehnte Antrittsbesuche im Ausland. Im typischen Ellison-Stil engagierte Oracle sogar Privatdetektive, um Apotheker zu finden.
Die Sehnsucht nach dem ehemaligen SAP-Chef wuchs erst ins schier Unermessliche, nachdem Apotheker den Vorstandsvorsitz bei HP unternahm. Denn auch die ehemaligen Partner Hewlett-Packard und Oracle sind in herzlicher Abneigung verbunden. Zuerst kaufte Oracle den Großrechner-Spezialisten Sun und wurde damit zum direkten HP-Konkurrenten. Dann warf der HP-Verwaltungsrat Konzernchef Mark Hurd nach einer undurchsichtigen Liaison mit einer Mitarbeiterin raus, woraufhin sein Freund und Oracle-Chef Larry Ellison vor Wut schäumte und Hurd kurzerhand selbst einstellte.
Ellison mag Konflikte gerne persönlich nehmen. Doch unbestritten ist er ein fähiger und scharfsinniger Geschäftsmann. Es gehört viel dazu, eine Neugründung zu einem vergleichbaren Erfolg zu führen. Ellisons Vermögen wird auf rund 28 Milliarden Dollar geschätzt, auf der Forbes-Liste rangiert er damit auf Platz sechs.
Ausgeprägtes Selbstbewusstein
Bis dahin war es ein weiter Weg. Ellison wurde 1944 in New York als Lawrence J. Spellman geboren. Seine unverheiratete Mutter war noch ein Teenager und gab ihren Sohn in die Obhut ihres Onkels und ihrer Tante, als er neun Monate alt war. Die beiden wohnten in Chicago und adoptierten das Kind, das ihren Nachnamen bekam: Ellison. Seinen Vater lernte Lawrence nie kennen, er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf.
Louis Ellison war ein russischer Einwanderer, der selbst einen neuen Nachnamen trug – übernommen von dem Ort, an dem er amerikanischen Boden betrat: Ellis Island. Larry war ein durchschnittlicher Schüler, doch seinem Selbstbewussstsein tat das keinen Abbruch. "Eine Lateinlehrerin benotete mich mit ungenügend und sagte mir, diese Note würde mein Leben ruinieren", zitiert ihn "Forbes". "Das konnte ich nicht glauben. Eine einzelne Note in einem winzigen Kästchen? Das kam mir albern vor." Ellison studierte in Chicago Mathematik, schloss das Studium allerdings nicht ab. 1966 war seine Adoptivmutter gestorben, Ellison fiel durch seine Prüfungen, verließ die Universität und zog nach Kalifornien. Sein Adoptivvater hielt das für keine gute Idee. "Du wirst es nie zu etwas bringen", gab er ihm der "New York Times" zufolge mit auf den Weg. Er sollte sich irren.
Milliarden-Imperium
Ellison arbeitete bei verschiedenen Firmen als Programmierer, zuletzt entwickelte er die Software für eine Datenbank des US-Geheimdienstes CIA. Deren Name wurde 1977 zum Programm: Oracle. Zwei Jahre nach dem Start der eigenen Firma kam der Durchbruch mit einer ersten Software für eine so genannte relationale Datenbank: Die Anordnung der Daten in Tabellen ermöglichte es, flexible Beziehungen (Relationen) zwischen deren Feldern herzustellen und auszuwerten.
Schritt für Schritt gewann Ellison weitere namhafte Kunden. 1986 ging Oracle an die Börse, das Unternehmen wurde zu einem weltweit führenden Anbieter von Unternehmenssoftware. Dazu trugen auch milliardenschwere Übernahmen bei – wie der Kauf von Peoplesoft oder von Sun Microsystems. Inzwischen steht das Oracle-Imperium für einen Jahresumsatz von rund 27 Mrd. Dollar und einen Nettogewinn von mehr als 6 Mrd. Dollar.
Millionen Menschen nutzen Oracle, ohne es zu bemerken. Jeder der bei Amazon einkauft oder bei Ebay bietet, kommt mit der Gründung Ellisons in Berührung. Vor diesem Hintergrund kann sich der Millardär seine Exzentrik leisten. "Der Unterschied zwischen Gott und Larry Ellison", heißt eine unautorisierte Biographie. Die Antwort findet sich im Untertitel: Gott hält sich nicht für Larry Ellison.
Quelle: ntv.de, mit dpa/rts