Wirtschaft

ThyssenKrupp probt Erneuerung Lehner zum Chefaufseher gewählt

Die Personalie Ulrich Lehner ist umstritten.

Die Personalie Ulrich Lehner ist umstritten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der ehemalige Henkel-Chef Ulrich Lehner wird neuer Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp. Das Gremium wählt den 66-Jährigen wie erwartet zum Nachfolger von Gerhard Cromme. Der Konzern versucht in schwierigen Zeiten einen Neuanfang. Die Wahl Lehners ist umstritten.

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Der Aufsichtsrat des ThyssenKrupp-Konzerns hat den früheren Henkel-Chef Ulrich Lehner zum Vorsitzenden des Kontrollgremiums gewählt. Das teilte der Stahl- und Technologiekonzern nach einer Sondersitzung mit. Lehner folgt auf Gerhard Cromme, der seinen Rücktritt zum 31. März angekündigt hatte. Die Wahl war erwartet worden: Nach Unternehmensangaben hatten sich die Aufsichtsratsvertreter von Arbeitnehmern und Aktionären schon in der vergangenen Woche in getrennten Sitzungen für Lehner ausgesprochen.

Lehner übernimmt den Posten des Chefkontrolleurs bei ThyssenKrupp in einer Zeit des Umbruchs. Konzernchef Heinrich Hiesinger hat dem Unternehmen einen Kulturwandel verordnet: ThyssenKrupp soll transparenter werden.

Viele Baustellen

Hiesinger reagiert damit auch auf die Skandale der vergangenen Monate. Der Konzern war etwa wegen fragwürdiger Reisen mit Journalisten und Arbeitnehmervertretern in die Kritik der Aktionäre und der Öffentlichkeit geraten. ThyssenKrupp drohen zudem Schadensersatzforderungen wegen illegaler Preisabsprachen auf dem Schienenmarkt. Das Bundeskartellamt ermittelt derzeit außerdem wegen möglicher Absprachen auf dem Markt für Automobilstahl.

Auch die Zahlen des Konzerns verstimmten die Anteilseigner: ThyssenKrupp schrieb im vergangenen Geschäftsjahr einen Verlust von 5 Mrd. Euro. Für das Minus waren vor allem enorme Schwierigkeiten beim Aufbau von Stahlwerken in Amerika verantwortlich.
Der noch amtierende Aufsichtsratschef Cromme beschrieb die Situation Anfang März als Krise. Er wünsche ThyssenKrupp, dass das Unternehmen aus der Lage "gestärkt hervorgeht", zitierte ihn das Unternehmen bei der Ankündigung seines Rückzugs. Der 70-Jährige verlasse den ThyssenKrupp-Aufsichtsrat, um einen Neuanfang möglich zu machen.

Interne Nachfolge stößt auf Kritik

Cromme zieht sich auch aus der Krupp-Stiftung zurück, deren stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender er bislang ist. Der Manager galt lange als möglicher Nachfolger des 99 Jahre alten Stiftungschefs Berthold Beitz. Die Krupp-Stiftung hält 25,33 Prozent der Anteile an ThyssenKrupp und ist damit der größte Einzelaktionär des Konzerns.

Cromme war 27 Jahre lang auf dem Chefposten bei ThyssenKrupp. Doch auch sein Nachfolger Lehner kennt den Konzern: Er ist seit dem Jahr 2008 Mitglied des Aufsichtsrats. Bei Aktionärsschützern geriet er deshalb in die Kritik. "Chance vertan", sagte etwa Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Es hätte nach seinen Worten "den Neuanfang unterstrichen", einen Externen zum Aufsichtsratsvorsitzenden bei ThyssenKrupp zu wählen.

Lehners Wahl stößt zudem auf Skepsis, weil der 66-Jährige eine Vielzahl weiterer Ämter ausübt: Der frühere Henkel-Chef ist auch Aufsichtsratschef der Deutschen Telekom und Mitglied des Kontrollgremiums bei Eon. Derzeit ist er zudem Interimspräsident des Verwaltungsrats beim Schweizer Pharmakonzern Novartis und Präsident der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf sowie der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung. Nach Angaben von ThyssenKrupp plant Lehner, Mandate abzugeben. Bislang ist aber unklar, auf welche Ämter er verzichtet. Die Deutsche Telekom etwa teilte mit, Lehner bleibe der Vorsitzende ihres Aufsichtsrats.

Aktionärsschützer: Zu viele Ämter

Dabei sei schon der Aufsichtsratsvorsitz bei ThyssenKrupp "ein Job für fünf bis sechs Tage pro Woche", sagte Christian Strenger, Corporate-Governance-Experte und Aufsichtsratsmitglied der Fondsgesellschaft DWS. Lehner könne eine gute Wahl für den Konzern sei - wenn er so viele seiner Ämter abgebe, dass er sich in den ersten zwölf Monaten überwiegend um ThyssenKrupp kümmern könne.

Lehner ist jüngst auch im Zusammenhang mit einer geplanten Millionenabfindung für den früheren Novartis-Präsidenten Daniel Vasella in die Diskussion geraten. Er ist bei dem Schweizer Pharma-Unternehmen Mitglied des Verwaltungsrats. Das Kontrollgremium hatte eine rund 60 Mio. Euro schwere Abfindung für Vasella genehmigt. Der Züricher Rechtsanwalt Hans-Jacob Heitz hält das für "ungetreue Geschäftsbesorgung" - wenngleich Vasella mittlerweile auf die Abfindung verzichten will.

Heitz hat deshalb nach eigenen Angaben unter anderem gegen Lehner Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Basel ermittelt gegen Verantwortliche von Novartis, wie ein Sprecher der Behörde bestätigte. Ob Lehner unter den Betroffenen ist, sagte er allerdings nicht. Auch ThyssenKrupp gab dazu keine Stellungnahme ab. Ein Sprecher von Novartis war nicht zu erreichen.

Quelle: ntv.de, ddi/DJ

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