Wirtschaft

Nostalgie-Gefühle vor dem Euro-Start Letten verabschieden ihre Währung

Der Countdown läuft: Wenige Monate vor der Euro-Einführung in Lettland begeistert sich die Bevölkerung für einen augenzwinkernden Abschied von ihrem altvertrauten Geld. "Paldies Latinam", ein Song über den lettischen Lats, wird auf Youtube zum Hit.

Und so wird sie aussehen, die Rückseite der lettischen 1-Euro-Münze.

Und so wird sie aussehen, die Rückseite der lettischen 1-Euro-Münze.

(Foto: REUTERS)

Vor der anstehenden Währungsumstellung in Lettland nehmen die Letten musikalisch Abschied von ihrer heimischen Währung Lats. "Es ist die Zeit gekommen, um Lebewohl zu sagen zu einem Freund, der mit uns war", heißt es in dem in schiefem Lettisch gesungenen Lied "Paldies Latinam" (etwa: "Danke, kleiner Lats").

In dem Abschiedslied besingen Niks und Jorans, die in Lettland zusammen als britisch-deutsches Duo "Grupa Aarzemnieki" (etwa: "Die Ausländer") auftreten, ihre erste Begegnung mit dem Ein-Lats-Geldstück und die verschiedenen Motive, die die häufigste Münze Lettlands einst zierten. Am 1. Januar löst der Euro in Lettland den Lats ab. Das Lied endet mit dem leicht abgewandelten Beatles-Zitat "Lat it be".

In dem kleinen Land im Baltikum ist das Youtube-Video des Duos inzwischen ein echter Renner und schaffte es dort mit einer Erwähnung sogar bis in die Fernsehnachrichten. Innerhalb einer Woche wollten bereits knapp 66.000 Menschen die Hymne auf die ausscheidende Landeswährung sehen.

Euro / US-Dollar
Euro / US-Dollar 1,17

Für lettische Verhältnisse sind ist das ein beachtliches Zwischenergebnis: Falls die Zugriffe alle aus Lettland gekommen sein sollten (was Youtube-Anbieter Google nicht extra aufschlüsselt), dann hätten das Video immerhin bereits mehr als drei Prozent der gut zwei Millionen Einwohner Lettlands angeklickt. Echte Weltstars sind die "Aarzemnieki" damit allerdings noch lange nicht: Katy Perrys "Roar" etwa kommt bei Youtube derzeit auf mehr als 89 Millionen Aufrufe.

Lettland wird den Euro zum Jahreswechsel 2013/14 übernehmen und damit offiziell 18. Mitglied der europäischen Währungsgemeinschaft. Die EU-Finanzminister hatten dafür im Juli grünes Licht gegeben. Ursprünglich wollte Lettland bereits 2008 den Euro einführen, scheiterte damals aber an der zu hohen Inflation und der angespannten Wirtschaftslage. Der nördliche Nachbar Estland hatte den Euro bereits 2011 eingeführt.

Ein Vorbild für Griechenland?

Konvergenzkriterien

Damit ein EU-Staat der Währungsunion beitreten kann, muss er bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zur Beurteilung der "Stabilitätsreife" potenzieller Teilnehmerländer sind im EG-Vertrag die "Konvergenzkriterien" festgelegt worden, nach denen entschieden wird, ob ein Land den Euro einführen kann.

Preisstabilität: Die Inflationsrate darf nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über derjenigen der drei preisstabilsten Mitgliedsländer der Europäischen Union liegen.

Höhe der langfristigen Zinsen: Die langfristigen Nominalzinssätze dürfen nicht mehr als zwei Prozentpunkte über den entsprechenden Zinssätzen der drei preisstabilsten Mitgliedsländer der Europäischen Union liegen.

Haushaltsdisziplin: Das jährliche öffentliche Defizit sollte grundsätzlich nicht mehr als 3 Prozent, der öffentliche Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.

Wechselkursstabilität: Der Beitrittskandidat muss mindestens zwei Jahre am "Wechselkursmechanismus II" teilgenommen haben. Dabei darf der Wechselkurs der eigenen Währung nicht starken Schwankungen gegenüber dem Euro ausgesetzt gewesen sein.

(Quelle: Bundesbank.de)

Dass Lettland in einer Zeit, in der die Gemeinschaftswährung häufig in einem Atemzug mit der Krise im Euroraum genannt wird, den Euro übernimmt, gilt als politisch willkommenes Zeichen. Die Euro-Mitgliedschaft sei "eine wichtige Errungenschaft für Lettland und die Eurozone", hatte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn vor wenigen Tagen erklärt. Der Beitritt zeige, dass stabilitätsorientierte Politik und wirtschaftliche Reformen erfolgreich sein können.

Im Wirbel der weltweiten Finanzkrise Ende 2008 stand Lettland knapp vor dem Staatsbankrott. Mit einem eisernen Spar- und Reformkurs hat Regierungschef Valdis Dombrovskis sein Land fit für den Euro gemacht. Nur vier Jahre nach dem Beinahe-Kollaps erfüllt Lettland alle Konvergenzkriterien.

"Wir sind heute eine der wachstumsstärksten Volkswirtschaften in der EU", betont Dombrovskis. Das starke Comeback der kleinen Republik im Zentrum des Baltikums weckt Hoffnungen, dass sich vielleicht auch Griechenland unter günstigen Umständen aus seiner finanziellen und konjunkturellen Abwärtsspirale befreien kann. Trotz des zuletzt beeindruckenden Wirtschaftswachstums von 5,6 Prozent gehört Lettland allerdings immer noch neben Bulgarien und Rumänien zu den ärmsten EU-Staaten.

Angst vor dem "Teuro"

Im Alltag ist Beobachtern zufolge daher auch wenig Begeisterung über die neue Währung zu spüren. In Umfragen spricht sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung gegen den Euro-Beitritt aus - nur etwas mehr ein Drittel der gut zwei Millionen Letten befürworten den Währungswechsel. Neben der Angst vor einem zusätzlichen Anstieg der Preise gilt auch die sentimentale Bindung an den Lats als Grund für die anhaltende Euro-Skepsis.

Die Vorbereitungen laufen dennoch auf Hochtouren. Landesweit zeichnen viele Geschäfte schon jetzt die Preise doppelt aus - ab Oktober müssen alle Preise in Lats und in Euro angegeben werden. Um die Verbrauchersorgen vor dem "Teuro" zu zerstreuen, überwacht das Wirtschaftsministerium die Preise der 120 gängigsten Produkte und hat eine Kampagne zur fairen Umrechnung von Preisen ins Leben gerufen.

Lettischer Freiheitsdrang

Mit einer Informationskampagne wirbt die Regierung für die europäische Gemeinschaftswährung. Und auch das Design der lettischen Ein- und Zwei-Euro-Münzen, die in Baden-Württemberg geprägt werden, dient der Überzeugungsarbeit und Identifikation mit der neuen Währung: Sie sind dem Lats aus der Vorkriegszeit nachempfunden und zeigen eine Lettin in Landestracht.

Mit dem Motiv bekennt sich die kleine Nation, die nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 40 Jahre gezwungen war, der Sowjetunion anzugehören, zu ihren Traditionen und ihrem Verlangen nach Freiheit. Für Dombrovskis ist die Euro-Einführung rund zehn Jahre nach dem EU-Beitritt die volle wirtschaftliche und politische Verankerung Lettlands in Europa.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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