Mammutprozess wegen Steuerbetrugs Manager stehen vor Gericht
15.08.2011, 12:28 Uhr
Klaus Scheuer, Präsident des Landgerichtes Frankfurt am Main, sitzt in einem Raum zwischen rund 600 Aktenordnern.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Summe ist schwindelerregend: Sechs Manager sollen beim Handel mit Emissionspapieren 230 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben. Vor dem Frankfurter Landgericht beginnt ein Verhandlungsmarathon von mindestens eineinhalb Jahren.
In einem der größten Wirtschaftsprozesse Deutschlands müssen sich vor dem Landgericht Frankfurt am Main sechs Angeklagte wegen Umsatzsteuer-Betrugs beim Emissionshandel verantworten. Sie sollen beim Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten zu Unrecht Vorsteuern hinterzogen und so einen Schaden von mehr als 230 Millionen Euro verursacht haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch gegen 160 weitere Beschuldigte.
Der Emissionshandel soll den Klimaschutz in der Europäischen Union vorantreiben. Die beteiligten Unternehmen erhalten Verschmutzungsrechte in Form von Zertifikaten, die ihnen den Ausstoß bestimmter Mengen Kohlenstoffdioxids (CO2) und ähnlich klimaschädlicher Gase erlauben. Stößt ein Unternehmen weniger C02 aus, als ihm die Zahl seiner Zertifikate erlaubt, kann es die freiwerdenden Scheine verkaufen - etwa an Firmen, die zu viel CO2 emittieren.
Die sechs Angeklagten im Alter von 27 bis 65 Jahren, die aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich stammen, sollen von September 2009 bis April 2010 an einem sogenannten Steuerkarussell mitgewirkt haben. Dabei führte eine Gesellschaft Emissionsrechte aus dem Ausland nach Deutschland ein und führte dabei nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt regelmäßig keine Umsatzsteuer ab. Am Ende der Kette aus verschiedenen Unternehmen veräußerte eine weitere Gesellschaft die Zertifikate wieder ins Ausland und ließ sich vom Finanzamt Umsatzsteuer erstatten.
Der Prozess ist Teil umfangreicher Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Insgesamt wird gegen rund 170 Beschuldigte ermittelt. Der Gesamtschaden soll sich auf etwa 850 Millionen Euro belaufen.
Zu Beginn des Verfahrens stellten die Verteidiger zwei Angeklagter Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden Richter Martin Bach. Die Verteidigung eines weiteren Angeklagten verlangte die Aussetzung des Verfahrens, um weitere Akten einsehen zu können. Über die Anträge wurde zunächst nicht entschieden.
Mehr als 300 Zeugen
Der Vorsitzende Richter Bach stellte den Angeklagten bei einem Geständnis Strafen zwischen drei Jahren und neun Jahren in Aussicht. Diesen Strafrahmen hatte das Gericht den Verteidigern laut Bach in einer Vorbesprechung genannt. Diese Besprechung habe der Vorbereitung einer möglichen Verständigung in der Hauptverhandlung gedient, sagte Bach. Die genannten Strafrahmen seien nach wie vor möglicher Inhalt einer Verständigung. Ansonsten drohen den Angeklagten bei einer Verurteilung Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.
Der Mammutprozess ist bis März 2012 terminiert. Das Gericht muss in dem Verfahren mehrere tausend Geschäfte überprüfen, die Akten für das Verfahren umfassen etwa 600 Ordner. Mehr als 300 Zeugen sollen aussagen.
Das Landgericht Frankfurt musste schon mehrere Mammutprozesse bewältigen: Anfang der 90er Jahre mussten sich mehrere Manager des damals maroden Handelsunternehmens Coop in einem fast zwei Jahre dauernden Prozess verantworten.
Als längster Wirtschaftsprozess in der Geschichte der Frankfurter Justiz gilt der Prozess gegen einen Devisenhändler der ehemaligen DG-Bank und einen Wertpapierhändler Mitte der 90er Jahre. Er dauerte zweieinhalb Jahre.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa