Vorschusslorbeeren und blanker Spott Mehdorn erregt die Nation
09.03.2013, 13:58 Uhr
"Ich bin sicher, Hartmut Mehdorn folgt auch ein Stück weit einer patriotischen Berufung, eine solche Herausforderung von nationaler Tragweite anzupacken und den BER zum Erfolg zu führen."
(Foto: dapd)
Es ist eine Personalie, die Deutschland bewegt: Ex-Bahnchef Mehdorn soll Deutschlands peinlichste Großbaustelle aus dem Schlamassel führen. Sofort rechnen Kritiker mit neuen "Verspätungen", Verkehrsminister Ramsauer spricht dagegen von einer "patriotischen Berufung".
Nur wenige Führungskräfte der deutschen Wirtschaft stehen mit ihrer Persönlichkeit so stark im Rampenlicht wie Hartmut Mehdorn: Mit seinem Wechsel an die Spitze der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg wird der frühere Bahn-Manager und zeitweilige Air-Berlin-Chef erneut zur Zielscheibe der Kritik.
Unmittelbar nach seiner Ernennung bezogen sich die meisten kritischen Stimmen auf seine Zeit als Bahn-Chef: "Mit Verspätungen kennt er sich ja aus", war das Leitmotiv vieler Online-Kommentare zur Berufung Mehdorns als Krisenmanager des Berliner Pannenflughafens BER. Die Satire-Website "Der Postillon" versuchte, noch eins draufzusetzen: "Umfrage: Mehrheit dachte, Mehdorn wäre schon längst Chef von Berliner Flughafen BER". Und die "Taz" bemerkte trocken in ihrem Twitter-Account: "Die Maya haben sich nur um 3 Monate verrechnet."
Die Suche nach spöttischen Reaktionen schien vorübergehend zur journalistischen Paradisziplin zu werden: Die Tageszeitung sammelte ausgewählte spöttische Tweets online ebenso wie zum Beispiel das "Handelsblatt". Der Spott über die Ernennung des 70-jährigen Managers, dem schon in seinen Jahren bei der Bahn die notorischen Verspätungen und Ausfälle von Klimaanlagen in überhitzten ICE-Zügen angekreidet wurden, war vorhersehbar.
Die Flut der Beiträge schien selbst abgebrühte Beobachter zu überwältigen: Die Spitzen kamen zeitweise im Sekundentakt. "Niemand hat die Absicht, den BER fertig zu bauen", twitterte das Blog "Informelles". Das Satiremagazin "Titanic" erhob den Fall Mehdorn umgehend in die Rubrik "Der Witz zum Selbermachen". Viele Nutzer prophezeiten dann auch kaputte Klimaanlagen zusätzlich zu den bekannten Brandschutz-Problemen, andere meinten resigniert: "So viel kann er jetzt auch nicht mehr falsch machen."
Mehdorn selbst bewies erneut ein dickes Fell. "Sie haben mich geholt, jetzt müssen sie mich auch aushalten", sagte der umstrittene Manager nach seiner Berufung zum neuen Chef der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg. "In der Tat hat er Ecken und Kanten", gestand Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ein. "Und die werden wir ihm auch nicht mehr abschleifen, nehme ich an."
Ramsauer: "nationale Tragweite "
"Mehdorn ist ein Mann klarer Worte, ich auch", erklärte Flughafen-Technik-Chef Horst Amann. "Wenn man denkt, schlimmer geht es nicht, überzeugt einen der Aufsichtsrat zuverlässig vom Gegenteil", stellte dagegen Grünen-Fraktionschefin Renate Künast zur Auswahl Mehdorns durch den Aufsichtsrat fest. "Wer hätte das gedacht, sie haben doch noch einen Chef gefunden", spottete Linke-Fraktionschef Gregor Gysi.
"Ich bin sicher, Hartmut Mehdorn folgt auch ein Stück weit einer patriotischen Berufung, eine solche Herausforderung von nationaler Tragweite anzupacken und den BER zum Erfolg zu führen". lobte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, der über die Beteiligung des Bundes ebenfalls am Projekt Großflughafen in der Verantwortung steht.
Vom Spott zum Politikum
"Der 8. März als 1. April, Hartmut Mehdorn wird BER-Chef", twitterte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. "Von S21 zu BER - da wächst zusammen was zusammen gehört."
Diese und ähnliche spöttische Einlassungen zogen wiederum selbst Kritik auf sich: "Ich kann diese Nörgelei nicht mehr hören", schimpfte CDU-Politiker Frank Henkel, Innensenator von Berlin und Aufsichtsratsmitglied des Flughafens. "Die Grünen wollen doch gar nicht, dass dieser Flughafen jemals ein Erfolg wird. Dann sollen sie es auch ehrlich sagen."
Mehdorn selbst bemühte sich zunächst, die hohen Erwartungen an ihn etwas zu dämpfen. "Ich kann auch nicht zaubern", erklärte er in einer seiner ersten Äußerungen als neuer BER-Chef.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa