Der kleine Dicke, der was aushält Hartmut Mehdorn ist wieder da
18.08.2011, 20:33 Uhr"Senk ju vor träwelling wiss Ähr Börlin" – solche und ähnliche Witze überschwemmen aktuell das Internet. Grund ist die Personalie der Woche: Hartmut Mehdorn soll das Ruder bei Air Berlin übernehmen. Natürlich kein Problem für Ex-"Mister Bahn".
Bei Umfragen zum Ansehen deutscher Spitzenmanager lag er jahrelang auf dem letzten Platz und strotzte dennoch stets vor Selbstbewusstsein: Hartmut Mehdorn. "Ängstlich war ich noch nie, schwierige Aufgaben haben mich nie geschreckt", sagt der ehemalige Bahnchef. Diese Eigenschaft darf er nun als Air-Berlin-Chef unter Beweis stellen. Denn inmitten heftiger Turbulenzen übergibt Unternehmensgründer Joachim Hunold den Führungsstab an seinen langjährigen Freund.
Die überraschende Personalie servierte Hunold gemeinsam mit einer Bilanz in tiefrot: Im zweiten Quartal fiel ein operativer Verlust von mehr als 32 Mio. Euro an. Die Probleme sind bekannt: Steigende Treibstoffpreise, die neue Luftverkehrssteuer, der hohe Ölpreis sowie die Unruhen in Nordafrika. Nun sollen Strecken gestrichen und einige Flugzeuge aus dem Betrieb genommen werden, um die Airline wieder auf Kurs zu bringen. Und als neuer Pilot soll Hartmut Mehdorn Platz nehmen. Zumindest vorübergehend.
Jetzt wird aufgeräumt
"Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel an der Air-Berlin-Spitze", beschied Hunold. Ein Nachfolger könne nun "unbelastet" den eingeleiteten Sparkurs fortsetzen. Sprich: 2011 wird Air Berlin voraussichtlich mit roten Zahlen abschließen, um dann im nächsten Jahr hoffentlich wie Phoenix aus der Asche in die Gewinnzone emporzusteigen. Und mit den Federn könnte sich dann Hartmut Mehdorn, der bereits als Kontrolleur im Aufsichtsrat von Air Berlin saß, schmücken.
Während Analysten angesichts der hohen Nettoverschuldung der Airline mehr als skeptisch sind, ob die Kehrtwende gelingt, gibt sich Mehdorn wie einst zupackend: "Da muss eine Menge passieren, um wieder profitabel zu werden", sagte der Manager dem Berliner "Tagesspiegel". "Dass wir Schwierigkeiten haben mit den Zahlen, wissen wir ja." Wie seine Pläne aussehen, will er aber erst in einigen Wochen verraten.
Zurück zu den Wurzeln
Dass er dem Job gewachsen ist, daran hat Mehdorn wohl keinen Zweifel, denn die Luftfahrtbranche kennt er gut. Die Karriere des Maschinenbauers begann nämlich Mitte der 60er Jahre bei den Vereinigten Flugtechnischen Werken in Bremen. Später ging er zu Airbus, baute hier an den ersten Prototypen mit und stieg bis in den Vorstand der damaligen Deutschen Aerospace auf.
Der Umbau der Deutschen Airbus zum erfolgreichen Flugzeugbauer gilt unter anderem als sein Verdienst, ebenso wie die Verlagerung der Airbus-Endmontage nach Deutschland Ende der 1990er Jahre. Mehdorn war bei der Dasa so erfolgreich, dass er phasenweise als möglicher Nachfolger für den damaligen Chef Jürgen Schrempp galt. Nachdem er nicht zum Zug kam, verließ Mehdorn jedoch den Konzern und wurde 1995 Chef beim Traditionsunternehmen Heidelberger Druckmaschinen.
Bis zum Ende seines Berufslebens wollte er in Heidelberg bleiben – doch dann rief ihn Bundeskanzler Gerhard Schröder 1999 zur Deutschen Bahn. Und die zehn Jahre als Bahnchef sollten den Manager in der Öffentlichkeit prägen.
Können Erinnerungen trügen?
"Ich bin mit meiner Bilanz sehr zufrieden. Ich habe die Bahn verlassen mit dem besten Gewinn, dem besten Ergebnis aller Zeiten, den meisten Fahrgästen aller Zeiten, mit der größten Fracht, mit einem abgeschlossenen Sanierungsprozess", erinnert sich Mehdorn heute an seine Zeit bei der Bahn. Und selbst Kritiker von einst erkennen mittlerweile den wirtschaftlichen Erfolg der "Ära Mehdorn" an.
Doch besonders der breiten Öffentlichkeit und den Bahnkunden sind andere Dinge im Gedächtnis geblieben: Der gefloppte Börsengang, das gescheiterte neue Preissystem, die Probleme bei den ICE-Neigetechnikzüge, der Hahnenkampf zwischen Mehdorn und dem Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Manfred Schell, der halbfertige Hauptbahnhof in Berlin, dem Orkan "Kyrill" auch noch einen Stahlträger aus dem Dach pustete, und vor allem jede Menge ausgefallene Züge, Verspätungen und weiterer ganz alltäglicher Bahnärger.
Schlaflose Nächte scheint das alles Hartmut Mehdorn auch im Nachhinein nicht zu bereiten: "Die Kritik an meiner Arbeit hat mich nie angefochten. Ich gehöre zu den kleinen Dicken, die was aushalten", sagt der mittlerweile 69-Jährige. Auch den neuen Posten übernehme er nicht, um sein Image aufzupolieren.
Noch muss dieser allerdings vom Verwaltungsrat bestätigt werden. Analysten rechnen damit, dass Mehdorn den Job maximal ein bis zwei Jahre ausführen wird. Doch der Manager will sich nicht auf einen Zeitraum festlegen lassen: "Das wird nicht über Nacht gehen." Hartmut Mehdorn ist wieder da.
Quelle: ntv.de