Keinerlei Druck auf Portugal Merkel beschwört den Euro
10.01.2011, 20:09 UhrWenige Tage vor einer kritischen Anleihen-Auktion kehrt die Nervosität zurück in die Eurozone: Es gebe keinerlei Druck auf Portugal, stemmt sich die Bundesregierung den Gerüchten um eine irische Lösung entgegen. Kanzlerin Merkel wirbt unterdessen auf der Mittelmeerinsel Malta für Wachstum und eine gemeinsame Wirtschaftspolitik. Die bisher erzielten Einigungen bezeichnet sie als "Revolution".

"Im letzten halben Jahr hat sich eine Revolution ereignet": Angela Merkel auf Malta, hier an der Seite des maltesischen Premierministers Lawrence Gonzi.
Deutschland wird EU-Länder wie Portugal nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel im Notfall nicht unter den Euro-Rettungsschirm zwingen. "Wir sehen es so, dass jedes Land die freie Entscheidung hat", sagte die CDU-Politikerin. "Wir haben niemals und werden es auch in keinem andern Fall tun, Länder von uns aus gedrängt."
Es bleibe bei dem vereinbarten Vorgehen, so Merkel weiter, dass die Euro-Staaten selbst und frei entscheiden müssten, ob sie um Solidarität der EU-Partner bitten. "Portugal hat dies nicht getan und wird dazu auch von Deutschland nicht gedrängt." Zudem betonte Merkel, auch künftig werde Hilfe an klare Bedingungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit geknüpft. "Wir haben keine Schecks unterschrieben. Wir haben Solidarität gezeigt unter starken und klaren Bedingungen."
"Wir verteidigen den Euro"
Zuvor hatte bereits Finanzminister Wolfgang Schäuble Spekulationen um politischen Druck auf Portugal zu einer schnellen Inanspruchnahme des Rettungsschirms zurückgewiesen. "Wir üben auf niemanden Druck aus, aber wir verteidigen den Euro", sagte Schäuble. Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans ergänzte: "Ein Drängen von Seiten Deutschlands auf egal welches Land hat es in der Vergangenheit nicht gegeben, gibt es in der Gegenwart nicht, wird es auch in der Zukunft nicht geben."
Die EU-Kommission wies die Spekulationen ebenfalls zurück. "Es gibt keine Diskussion in dieser Richtung, und sie (die Diskussion) ist auch nicht vorgesehen", sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Die Aussage gelte für Portugal und einen anderen Mitgliedstaat - dessen Name der Sprecher nicht nannte. Schon seit längerem wird an den Märkten spekuliert, dass auch Spanien ein Kandidat für den Rettungsschirm sein könnte.
Seit Wochen kursieren Medienberichte, denen zufolge Deutschland und Frankreich das finanziell angeschlagene Portugal drängen, möglichst bald unter den Rettungsschirm zu schlüpfen, weil es nicht mehr lange Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen könne. Nach dem Beispiel Irlands hatte die Regierung in Portugal zunehmend lauter beteuert, keine EU-Hilfen beantragen zu wollen. In den vergangenen Tagen waren die Risikoaufschläge für .
Der Tag der Entscheidung naht
In der laufenden Woche wollen Portugal, Spanien und Italien Berichten zufolge durch Aufstockung ihrer ausgegebenen Staatsanleihen frische Milliarden am Kapitalmarkt einnehmen. Portugal macht am Mittwoch den Anfang. Als Käufer hatte sich vor Weihnachten China angeboten. Finden sich jedoch nur mit Mühe Interessenten, könnte dies den Druck auf die Euro-Sorgenkinder verschärfen. Außerdem steigen die Finanzierungskosten für diese Länder in bisher kaum für möglich gehaltene Höhen.

"Wir üben auf niemanden Druck aus, aber wir verteidigen den Euro": José Sócrates (links) der Finanzminister der Portugiesen, Fernando Teixeira dos Santos (Archivbild).
Der portugiesische Ministerpräsident José Sócrates hatte bereits am Wochenende Berichte bestritten, dass sein Land den Rettungsfonds anzapfen wolle. Er bekräftigte, dass Portugal sein Haushaltsziel erfüllen werde: 2010 sei die Rekord-Neuverschuldung von 9,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 7,3 Prozent gesenkt worden, 2011 solle sie auf 4,6 Prozent fallen. Ende des vergangenen Jahres war Irland unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft. Für Griechenland war im Frühjahr 2010 ein eigenes Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) geschnürt worden. Auch Irland hatte lange dementiert, den Fonds in Anspruch nehmen zu wollen.
Die neu entflammten Sorgen beherrschten den Staatsbesuch der deutschen Bundeskanzlerin auf Malta. Die EU muss Merkel zufolge mehr Wachstum anstreben, wenn sie den Euro stabilisieren will. "Wir wollen ein starkes, ein stabiles Europa, einen starken Euro. Das ist nur zu schaffen mit einer Stabilitätskultur und einer anspruchsvollen Wachstumspolitik", sagte Merkel in der maltesischen Hauptstadt Valletta. Dazu müsse auch die Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der EU verstärkt werden, betonte sie nach einem Gespräch mit dem maltesischen Ministerpräsidenten Lawrence Gonzi.
Rückhalt in den Randstaaten
"Wir sind uns einig, dass es mehr Koordinierung im Sinne von Wachstum und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit geben muss", betonte die Kanzlerin bei ihrem ersten Besuch in dem Euro-Land Malta. Dazu gehöre auch, dass Länder in Randlagen nicht abgespalten werden dürften. Auf dem EU-Energiegipfel im Februar solle deshalb auch darüber gesprochen werden, wie ein echter Energie-Binnenmarkt geschaffen werden könne.
Neben dem Wachstum müssten die EU-Staaten aber auch beweisen, dass sie eine solidere Haushaltspolitik betrieben. "Wir haben glaubwürdig gezeigt, dass es einen Neuanfang gibt, gerade in der Stabilitätskultur der EU insgesamt", sagte Merkel mit Hinweis auf die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.
Heimliche "Revolution" in der EU?
"Diese Glaubwürdigkeit muss jetzt auch durch die Erfüllung der Verpflichtungen, die einzelne übernommen haben, nachgewiesen werden", betonte Merkel. Allerdings werde viel zu wenig wahrgenommen, dass eine Vielzahl von Euro-Staaten bereits Maßnahmen unternommen hätten, um die Maastricht-Kriterien besser einzuhalten.
Bis zum Sommer solle die beschlossene Verschärfung des Stabilitätspakets unter Dach und Fach sein. Bis März sollten die Details des permanenten Euro-Krisenmechanismus für angeschlagene Staaten ab 2013 geklärt werden. "Hier hat sich im letzten halben Jahr eine Revolution ereignet."
Maltas Ministerpräsident Lawrence Gonzi bekannte sich ebenfalls zu der von Deutschland unterstützten Stabilitätskultur und sagte, er zweifele trotz der derzeitigen Probleme nicht daran, dass die Einführung des Euro richtig für Malta gewesen sei. Die Kriterien von Maastricht hätten seinem Land geholfen, wettbewerbsfähiger zu werden. Auch Merkel lobte, Malta sei gut aus der Krise gekommen und habe nur ein geringes Haushaltsdefizit.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts