"Nach Athen ist vor Athen" Merkel und Banken zufrieden
22.07.2011, 11:13 Uhr
Vor dem Finanzministerium in Berlin.
(Foto: dapd)
Die neue Griechenland-Rettung steht. Damit wird ein langer Streit beigelegt. Erstmals sind Banken und Versicherungen mit im Boot, die ihren Beitrag zur Euro-Rettung als "Opfer" sehen. Schließlich soll die Schuldenkrise nicht zu einem Flächenbrand werden. Die Reaktionen am Morgen nach der Einigung sind verhalten positiv. Skeptiker sagen allerdings: Der nächste Schuldengipfel kommt bestimmt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte das für "Griechenland und andere wackelnde Euro-Staaten als wichtige Entscheidung für die Zukunft ganz Europas". Der Schritt bedeute für "die Menschen in Deutschland ein Mehr an Sicherheit für unsere gemeinsame Währung und damit auch eine Grundlage für unser Wirtschaften, aber auch für den Wohlstand insgesamt", sagte die Kanzlerin nach dem Krisengipfel in Brüssel. An die Adresse der heimischen Steuerzahler unterstrich die Kanzlerin: "Was wir in diesen Zeiten aufwenden, bekommen wir um ein Vielfaches zurück." Man habe Griechenland stabilisieren und seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern wollen. Dies sei ein Akt der Solidarität.
Auch FDP-Chef Philipp Rösler begrüßte die Gipfel-Ergebnisse, mahnte aber ein behutsames Vorgehen beim Rückkauf von Griechenlandanleihen durch den EFSF an. Diese Käufe sollten nur "im Ausnahmefall" und "in engen Grenzen" möglich sein, erklärte Rösler in Berlin. Angesichts der Ansteckungsgefahr, die durch die griechische Schuldenkrise ausgehe, halte er die Flexibilisierung des EFSF aber für einen "vertretbaren Weg". Europa habe auf dem Gipfel "in einer schwierigen Situation gezeigt, wie stark es ist". Der FDP-Finanzexperten Frank Schäffler kritisierte, dass ein Aufkauf griechischer Staatsschulden gegen einen Bundestagsbeschluss vom Februar verstoße. Damals hätten die Fraktionen von Union und FDP entschieden, dass gemeinsam finanzierte oder garantierte Schuldenaufkaufprogramme ausgeschlossen würden.
Die Grünen kündigten bereits an, das Anti-Krisenpaket im Bundestag mittragen zu wollen. "Wir werden dem dann auch zustimmen, immer vorbehaltlich der Ausformulierung dessen, was diese Regierung uns vorlegt", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Merkel habe sich endlich bewegt. In vielem gehe man jetzt in die Richtung, die die Grünen immer gefordert hätten. Das gelte in Hinblick auf einen Schuldenschnitt wie auch beim Ankauf griechischer Anleihen am Markt. "Wir haben also einen Schritt in Richtung Eurobonds getan", sagte der Grünen-Politiker. Der Euro habe gerettet werden müssen.
Skeptisch äußerte sich der Grünen-Abgeordnete im Europa-Parlament, Sven Giegold. Für ihn ist eine "echte Schuldentragfähigkeit im Sinne einer akzeptablen Begrenzung der Zinsausgaben Griechenlands" nicht erreicht worden. Dazu sei die Wirkung der Zinssenkungen und Laufzeitverlängerungen durch die privaten wie öffentlichen Gläubiger zu gering. Konsequenterweise ist auch nur von einer "Verbesserung der Schuldentragfähigkeit" die Rede. "Damit steht jetzt schon fest: Der nächste griechische Schuldengipfel kommt bestimmt."
Die SPD bleibt skeptisch, ob die privaten Gläubiger sich tatsächlich an dem Hilfspaket beteiligen. Es sei zwar erfreulich, dass es ein Rettungspaket gebe, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Doch es sei nicht klar, ob Banken und Versicherer am Ende tatsächlich Geld beisteuerten. So seien die Leistungen freiwillig und man müsse sich auch "genauer anschauen, welche Rechnung da stattfindet und ob das reale Beiträge sind oder ob nicht durch bereits erfolgte Abschreibungen und die entsprechenden steuerlichen Auswirkungen sich das Ganze reduziert". Insgesamt seien die Beschlüsse von Brüssel ein Signal der Handlungsfähigkeit der EU, ein Signal an die Märkte und die Welt, dass "Europa an die eigene Währung glaubt und dafür kämpft", sagte Poß. "Ob die Maßnahmen konsequent genug sind, da kann man die Zweifel haben."
Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider sieht keinen Grund für übertriebene Zuversicht. "Für mich sind die entscheidenden Punkte die Schuldentragfähigkeit und die private Gläubigerbeteiligung bei neuen Griechenland-Hilfen. Und da gibt es keine entscheidenden Schritte", kritisierte er. "Das ist für mich zum großen Teil weiße Salbe." Zu einer echten Schuldenreduzierung komme es damit nicht. "Die Nettoverschuldung Griechenlands bleibt wie sie ist."
Banken sehen Beitrag als Opfer
Banken und Versicherungen sehen sich im Hinblick auf ihren freiwilligen Beitrag als Opfer. "Ja, das trifft uns hart", sagte Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann. Er hatte als Vorsitzender des internationalen Bankenverbands IIF an dem Treffen teilgenommen. Die Abschreibungen, die die Banken auf griechische Positionen vornehmen, belaufen sich nach seinen Worten auf 21 Prozent. Der Bankchef sprach dennoch von einem guten Kompromiss zwischen den Interessen Griechenlands, des Steuerzahlers und der Investoren. Dies reduziere die Gefahr einer Ausbreitung der Schuldenkrise auf weitere Länder. Zumindest das griechische Problem sollte damit gelöst sein.
Die öffentlichen Banken in Deutschland loben das Hilfspaket als "wichtigen Meilenstein für die gesamte Euro-Zone". Die Staats- und Regierungschefs hätten Handlungsfähigkeit und Weitsicht bewiesen, erklärte Karl-Heinz Boos, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Öffentlicher Banken, zu dem auch die Landesbanken gehören. Die Banken hätten zu ihrer Zusage gestanden, sich aktiv an einer Lösung zu beteiligen, sagte.
Auch die neue geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds begrüßte die anhaltende Unterstützung des Fonds für Griechenland. Die neuen Maßnahmen würden Wachstum und Finanzstabilität in der gesamten Eurozone stützen, sagte Christine Lagarde. Basierend auf einer konsequenten Umsetzung der mit dem Hilfspaket verbundenen Sparmaßnahmen durch Athen werde der IWF seinen Teil beitragen.
Analysten: Problem nicht gelöst
US-Analysten sehen hingegen die europäische Schuldenkrise nicht überwunden. "Es müssen noch viele Details ausgearbeitet werden", sagte Richard Franulovich von Westpac zu dem Beschluss in Brüssel. Die unmittelbaren Probleme hätten die europäischen Staats- und Regierungschefs zwar jetzt wohl in den Griff bekommen. "Das langfristige Problem ist damit allerdings nicht gelöst."
Kathy Lien von GFT sprach von einem Schritt in die richtige Richtung. "Die Diskussion über den europäischen Währungsfonds ist von sehr großer Bedeutung, weil so im Prinzip die weltweite Finanzarchitektur verändert werden könnte", sagte sie. Ein solcher Mechanismus könnte zudem auf regionaler Ebene die Europäische Union stützen.
Kritisch zeigte sich dagegen Win Thin von Brown Brothers Harriman. Mit dem neuen Paket werde nur "die Dose die Straße heruntergetreten", sagte er in Anspielung auf ein englisches Bild für jemand, der ein Problem vor sich herschiebt. "Diese Staaten brauchen eine sehr harte Umstrukturierung." Das Problem sei nicht gelöst: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Situation in drei Monaten oder in einer gewissen Zeit wieder auftritt."
Börsenkurse steigen

Die Athener Börse reagierte mit einem regelrechten Kursfeuerwerk auf die Brüsseler Beschlüsse.
(Foto: dpa)
Die Einigung der Euro-Staaten ist an den Finanzmärkten auf ein positives Echo gestoßen. Der Dax öffnete an der Frankfurter Börse mit einem leichten Plus von 0,25 Prozent bei einem Wert von 7308 Punkten und arbeitete sich zunächst weiter nach oben. Der französische Leitindex CAC 40 kletterte zum Börsenstart in Paris um 0,95 Prozent, die Londoner Börse öffnete mit 0,66 Prozent im Plus. Deutlicher fiel die Erleichterung im hoch verschuldeten Italien aus: Die Börse in Mailand legte zum Handelsstart um 1,3 Prozent zu. Der Euro kletterte derweil deutlich auf 1,44 Dollar.
Auch die Börsen außerhalb Europas reagierten positiv auf die Einigung in Brüssel. Der Handel in Tokio schloss mit einem Plus von 1,22 Prozent, Sydney mit einem Plus von 1,09 Prozent und der Handel in Seoul endete mit 1,11 Prozent im Plus.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts