Deutsch-französisches Treffen Merkel wehrt sich gegen Eurobonds
15.08.2011, 19:15 UhrVor dem Treffen von Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy gewinnt die Debatte um gemeinsame europäische Anleihen an Lautstärke. Die Bundesregierung versichert zwar, Eurobonds seien kein Gesprächsthema. Doch der Diskussion können sich Berlin und Paris wohl nicht entziehen.

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy suchen eine gemeinsame Linie.
(Foto: REUTERS)
Die Bundesregierung versucht vor dem neuerlichen deutsch-französischen Gipfel zur Schuldenkrise die Diskussion über die Einführung gemeinsamer Euro-Anleihen zu beenden. Beim Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Dienstag solle die Debatte um Eurobonds keine Rolle spielen, teilten beide Regierungen mit.
"Eurobonds waren für die Bundesregierung in den vergangenen Monaten kein Thema, und sie werden auch in Paris kein Thema sein", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Bundesregierung habe auch "keine Hinweise" darauf, dass das Thema von französischer Seite aus angesprochen werden solle. Der Regierungssprecher betonte, von dem Treffen sei "kein Paukenschlag" zu erwarten. Merkel und Sarkozy wollten gemäß der Gipfelbeschlüsse vom 21. Juli Vorschläge erarbeiten, wie das Krisenmanagement in der Euro-Zone verbessert werden könne.
FDP sträubt sich
Derweil artikuliert sich in der schwarz-gelben Koalition der Widerstand. In der FDP wird gar mit einem Bruch des Bündnisses gedroht. Obwohl auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler in der "Welt" Eurobonds erneut ablehnte, scheint in seiner Partei die Befürchtung zu wachsen, die Bundesregierung könne in diesem Punkt ihren Widerstand aufgeben. Saar-Chef Luksic sagte der "Bild"-Zeitung vom Dienstag, sollte die Bundesregierung Eurobonds mittragen, "sollte sich die FDP ernsthaft überlegen, ob die Koalition noch eine Zukunft haben kann". Das Präsidium wird sich am Mittwoch außerplanmäßig treffen, um unter anderem über Maßnahmen gegen die Schuldenkrise in der Euro-Zone zu beraten.
Eurobonds werden gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder genannt, sie gibt es bislang nur als Idee. Diese Bonds würden von alle Länder der Eurozone garantiert – die Eurobonds hätten also in etwa den Durchschnittszinssatz der Eurozone. Staaten mit geringer Kreditwürdigkeit bekommen über die Bonds die Möglichkeit, zu niedrigeren Zinsen neue Kredite aufzunehmen.
Deutschland sieht vor allem zwei Probleme: Erstens müsste die Bundesrepublik durch die Euro-Anleihen wohl selber höhere Zinsen zahlen, wenn sie sich Geld leiht. Bislang zahlt sie angesichts ihrer Top-Bonität die niedrigsten Zinsen der Eurozone. Zweitens befürchtet die Bundesregierung, dass hoch verschuldete Schuldenstaaten durch Eurobonds den Anreiz verlieren, ihre Haushaltspolitik zu ändern.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lehnt Eurobonds deshalb ab, solange die Euroländer jeweils eine eigene Finanzpolitik betreiben. Unions-Fraktionsvize Michael Meister meinte, gemeinsame Anleihen könnten allenfalls kurzfristig zur Entspannung beitragen. "Mittel- und langfristig sind sie keine Lösung". Auch böten diese Papiere keinen Anreiz, um die nationalen Haushalte zu sanieren.
In Deutschland sprechen sich SPD, Grüne und Linke dafür aus. Der Vize-Fraktionschef der SPD, Joachim Poß; warnte Bundeskanzlerin Merkel davor, Eurobonds zu tabuisieren. Sie und Sarkozy müssten darüber als ernst zu nehmende Option für eine dauerhafte Krisenlösung sprechen.
Unterdessen forderte mit dem Chef des Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner, der erste Chef eines großen Wirtschaftsverbandes, umgehend Eurobonds mit scharfen Auflagen, aber ohne Begrenzung des Volumens einzuführen. Börner hatte sich im Dezember noch als "strikten Gegner" der Bonds bezeichnet. "Wir brauchen Eurobonds mit deutscher Handschrift", betonte Börner. Es gelte, "harte Auflagen im Euroraum zu ergreifen."Alle Alternativen zu Eurobonds "kosten uns letzten Endes noch mehr Geld." "Wir sind schon längst in einer Haftungsunion", argumentierte er. Ohne Eurobonds werde früher oder später selbst Deutschland sein Top-Rating verlieren und am Ende drohe eine weltweite Depression."
Straubhaar hält Eurobonds für unausweichlich
Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, geht davon aus, dass Eurobonds eingeführt werden. "Sie ist von den schlechten noch möglichen Lösungen die beste", sagte er. Angesichts der Zuspitzung der Lage an den Anleihemärkten sei die Einführung aber der alles in allem kostenminimierende Ausweg.
Eine andere Lösung sei, nachdem auch Italien in den Fokus der Märkte geraten ist, nicht mehr möglich, sagte Straubhaar. "Auf dem deutsch-französischen Treffen soll daher nicht mehr über das Ob von Euroanleihen diskutiert werden, sondern nur noch über die Ausgestaltung."
Straubhaar ist jedoch gegen die Einführung für Eurobonds für alle Staaten der Eurozone. "Es muss eine Ausnahmelösung sein, die zeitlich befristet und nur um den Preis der Aufgabe nationaler Finanzautonomie zu haben ist." Ohne scharfe Vorgaben könne es zu Mitnahmeeffekten kommen. Die betroffenen Staaten sollten nur auslaufende Anleihen durch Eurobonds ersetzen können.
"Bei einer richtigen Ausgestaltung kann vermieden werden, dass die solideren Staaten unbegrenzt zum Zahlmeister werden", sagte Straubhaar. Die Staaten, die sich über Euroanleihen finanzierten, müssten einen Teil ihrer nationalen Kompetenzen abgegeben. Die Länder müssten dann ihre Staatsausgaben senken, mehr Steuern erheben, Privatisierungen durchführen und strukturelle Reformen angehen. All diese Maßnahmen müssten von der EU überwacht und gegebenenfalls durchgesetzt werden.
"Italien wird die Märkte durch Reform- und Sparanstrengungen nicht mehr überzeugen können", erwartet Straubhaar. "Der Zug ist abgefahren, da zu spät gehandelt wurde." Es werde immer wieder die Frage aufkommen, ob Italien die Maßnahmen tatsächlich u msetze. Italien drohe so immer wieder zum Problem an den Märkten zu werden. "Nur durch Eurobonds können die spekulativen Angriffe glaubwürdig abgewehrt werden."
Das Angebot von Eurobonds könnte die Märkte nachhaltig beruhigen, sagte Straubhaar. Allein die Ankündigung dürfte zu einem Rückgang der Risikoaufschläge führen. Die betroffenen Länder könnten sich so vielleicht ganz oder teilweise weiter über ihre nationalen Anleihen refinanzieren. "Zu den von einigen Ökonomen befürchteten hohen Kosten in Form hoher Zinsdifferenzen für die reichen Staaten wie Deutschland dürfte es daher nicht kommen.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa/AFP