Übernahmefantasie treibt Nokia-Kurs Microsoft hat Anschluss gesucht
20.06.2013, 11:12 Uhr
Microsoft-CEO Steve Ballmer präsentiert ein Nokia Lumia.
(Foto: REUTERS)
Der Softwarekonzern Microsoft und der finnische Handyhersteller Nokia standen offenbar kurz vor einem spektakulären Geschäft. Insidern zufolge wollten die Amerikaner die Nokia-Gerätesparte kaufen. Die Börse feiert das als "heiße Nachricht" - auch wenn die Gespräche wieder auf Eis liegen.
Dieses Geschäft hätte die Handybranche auf den Kopf gestellt: Nach Informationen des "Wall Street Journal" hatte der Software-Konzern Microsoft vor, die Gerätesparte von Nokia zu übernehmen. Die Verhandlungen sollen weit fortgeschritten gewesen sein, liegen aber jetzt auf Eis. Das berichtete die US-Wirtschaftszeitung unter Berufung auf eingeweihte Personen. Die Gespräche seien unter anderem am Preis sowie an der schwierigen Lage von Nokia als Nachzügler bei Smartphones gescheitert.
Eine Übernahme passt nach Einschätzung von so manchem Branchenkennern durchaus in die mobile Strategie des US-Konzerns. An der Börse wurde die Fantasie mit kräftigen Kursaufschlägen bei der Nokia-Aktie bedacht.
Ein Insider sagte, dass es noch in diesem Monat Verhandlungen gegeben habe. Die Aussichten auf eine Wiederbelebung seien jedoch schlecht. Beide Unternehmen hatten in der jüngeren Vergangenheit ihre Probleme - beiden fällt es schwer, sich in einer Welt zu behaupten, in der die Konsumenten Smartphones von Apple und Samsung bevorzugen.
"Uns verbindet eine tiefe Partnerschaft mit Microsoft, und es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Nokia und Microsoft regelmäßig treffen", sagte eine Nokia-Sprecherin. Eine Verantwortliche von Microsoft wollte sich nicht zu den Berichten äußern. Unklar ist, wie viel Geld Microsoft für die Gerätesparte von Nokia zahlen wollte. Der US-Marktwert von Nokia liegt bei mehr als 14 Mrd. US-Dollar. Analysten erklären, dass auch die anderen Vermögenswerte wie das Kartengeschäft und die Technologiepatente einen großen Teil des Wertes ausmachen.
Die mobile Revolution
Hardware- und Softwarekonzerne, Fernsehsender und andere sehen Smartphones und Tablets mittlerweile als wichtige Säule ihrer künftigen Wachstumsstrategie an. Verbraucher nutzen immer häufiger ihre mobilen Geräte, um unterwegs im Internet zu surfen, Videos anzuschauen, einzukaufen oder zu chatten. Dies geht zulasten der klassischen Computer. Die mobile Revolution hat viele Gewinner hervorgebracht, wie Apple oder die südkoreanische Samsung. Andere Handyfirmen wie Nokia haben den Trend zunächst verschlafen und kämpfen deswegen mit Problemen. Nokia schafft mit den Lumia-Smartphones nur sehr langsam eine Trendwende.
Stephen Elop, der den finnischen Handyhersteller seit September 2010 nach seinem Wechsel von Microsoft zu Nokia leitet, hatte vor zwei Jahren das Dilemma von Nokia in einer internen Memo an die Mitarbeiter treffend beschrieben: Nokia sei wie ein Arbeiter auf einer brennenden Ölplattform in der Nordsee. Seine einzige Überlebenschance sei der Sprung ins kalte Wasser. Dies habe man mit der Allianz mit Microsoft gewagt, so der Nokia-Chef. Nokia und Microsoft arbeiten dahingehend zusammen, dass auf den Lumia-Smartphones als Betriebssystem exklusiv nur Microsofts Windows Phone installiert ist. Damit haben sich die Finnen gegen das System Android von Google entschieden.
Gemeinsam gegen Samsung und iPhone?
Seit gut zwei Jahren sind Microsoft und Nokia bereits Partner bei den Computertelefonen. Die Lumia-Smartphones der Finnen laufen mit dem Betriebssystem Windows Phone. Allerdings blieb der durchschlagende Erfolg bislang aus. Nokia verkauft trotz steigender Absatzzahlen immer noch weit weniger Smartphones als Apple mit seinem iPhone oder Samsung mit seiner Galaxy-Baureihe, die von Android angetrieben wird. Windows Phone als Betriebssystem konnte seinen Marktanteil nach den Zahlen der Marktforschungsfirmen Gartner und IDC zwar ausbauen, kommt jedoch immer noch auf lediglich 3 Prozent am Gesamtmarkt.
Immer wieder hatte es Gerüchte gegeben, dass Microsoft bei Nokia zuschlagen könnte. Genug Geld für die Übernahme hätte der Software-Konzern auf der hohen Kante liegen. Ende März waren es 74,5 Mrd. US-Dollar. Nokia ist an der Börse derzeit weniger als elf Mrd. Euro wert.
Auch ein Manager des chinesischen Smartphone-Herstellers Huawei hatte in dieser Woche eine Übernahme des einstigen Branchenführers Nokia ins Gespräch gebracht - auch wenn der Konzern schnell klarstellte, dass es dafür keine konkreten Pläne gebe. Huawei ist inzwischen zur Nummer drei der Branche nach Samsung und Apple aufgestiegen. Nokia hingegen hatte im Smartphone-Boom zu lange am eigenen Betriebssystem Symbian festgehalten und bot dadurch weniger attraktive Geräte an. Samsung verkauft mittlerweile selbst dann noch mehr Mobiltelefone, wenn man auch einfache Handys hinzuzählt, bei denen Nokia weiter stark ist.
Quelle: ntv.de, DJ/dpa