Gas-Transit nur gegen Bares Minsk dreht den Spieß um
23.06.2010, 18:56 UhrWeißrussland bezahlt Moskau offenen Gas-Rechnungen über 187 Mio. US-Dollar. Im Gegenzug pocht das Gas-Transitland auf Begleichung offener Durchleitungsgebühren von 260 Mio. US-Dollar. Fließt das Geld nicht, wollen die Weißrussen die Durchleitung nach Westen stoppen.
Der Gas-Streit zwischen Russland und Weißrussland schaukelt sich weiter hoch: Weißrussland drohte dem größeren Nachbarn den Stopp aller Öl- und Erdgas-Transitlieferungen nach Europa an. EU-Energiekommissar Günther Oettinger forderte die Regierung in Minsk auf, Europa nicht länger in ihre Probleme hineinzuziehen. Weißrussland hatte am Mittwoch die Unterbrechung der russischen Erdgas-Lieferungen gen Westen angekündigt. Nach Oettingers Angaben erhielt das EU-Mitglied Litauen am Mittwoch 40 Prozent weniger Gas. "Dies ist nicht allein das Problem eines Mitgliedslandes", betonte er in Brüssel. "Es ist ein Angriff auf die gesamte EU."
Weißrussland zahlte am Mittwoch nach eigenen Angaben Gas-Schulden in Höhe von 187 Mio. US-Dollar an Russland. Im Gegenzug forderte das Land den russischen Energieriesen Gazprom auf, umgehend ausstehende Transit-Gebühren in Höhe von 260 Mio. US-Dollar zu begleichen. Ansonsten werde ab Donnerstagmorgen der Durchfluss von russischem Erdgas und Öl nach Europa gestoppt, drohte der erste stellvertretende Ministerpräsident des Landes, Wladimir Semaschko.
In Deutschland kam es zunächst zu keinen Beeinträchtigungen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle erklärte, die großen deutschen Gasimportunternehmen hätten ihm versichert, dass es dazu auch nicht kommen werde. "Eventuelle Lieferausfälle können durch Gasbezug über andere Routen, Mehrlieferungen durch andere Lieferanten sowie vorhandene Speichermengen ausgeglichen werden", teilte Brüderle in Berlin mit. Zudem sei während der Sommerzeit der Gasverbrauch wesentlich geringer als im Winter und der weltweite Gasmarkt derzeit von einem Überangebot geprägt.
Lieferungen mehr als halbiert
Russland dreht Weißrussland im Streit über angeblich offene Rechnungen seit Montag langsam den Gashahn zu. Mittlerweile strömt weniger als die Hälfte der Normalmenge in den Nachbarstaat. Weißrussland hat bislang immer bestritten, offene Gas-Rechnungen in Russland zu haben. Europa erhält ein Viertel seines Erdgases aus Russland. Vier Fünftel dieser Menge strömen durch ukrainische Pipelines, ein Fünftel durch weißrussische.
Die EU will gegen Gaskrisen künftig besser vorsorgen. Die Unterhändler des Europäischen Parlaments und der EU-Staaten einigten sich über eine Verordnung zur Versorgungssicherheit. Bei Lieferunterbrechungen würde ein von den EU-Staaten abgestimmter Notfallplan greifen. Die Kommission würde im Krisenfall das Eingreifen der Mitgliedsländer koordinieren. Ersatzlieferungen von einem EU-Land an ein anderes kämen aber in erster Linie von den Energiekonzernen. "Wenn es Lieferunterbrechungen wie jetzt aus Weißrussland gibt, soll nicht gleich das Chaos ausbrechen. Die EU wird künftig besser gewappnet sein. Das macht uns auch weniger politisch erpressbar", sagte der Vorsitzende des Industrie-Ausschusses im Parlament, Herbert Reul. Die neuen Standards sollen spätestens bis 2014 umgesetzt sein.
Quelle: ntv.de, rts