Wirtschaft

Zerschlagung von Yukos Moskau siegt in Straßburg

Im Rechtsstreit um die Auflösung des russischen Erdölkonzerns Yukos gibt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland weitgehend recht. Es handele sich bei der Zerschlagung des Unternehmens weder um eine "versteckte Enteignung" noch um eine "absichtliche Zerstörung".

Michail Chodorkowski.

Michail Chodorkowski.

(Foto: dapd)

Das Vorgehen Russlands gegen den Ölkonzern Yukos des ehemaligen Oligarchen Michail Chodorkowski ist nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte insgesamt rechtens gewesen.

Die Steuerschulden des ehemals größten russischen Ölunternehmens seien "das Ergebnis legitimer Verfahren der russischen Regierung, um der Steuerhinterziehung des Unternehmens entgegenzutreten", heißt es in dem Urteil. Damit wies der Gerichtshof die Vorwürfe der früheren Yukos-Eigentümer über einen politischen Hintergrund der Steuerverfahren zurück. Sie hatten Russland beschuldigt, das Unternehmen in den Ruin getrieben zu haben, um es zu zerschlagen.

Schlagzeilen gemacht hatte die Yukos-Affäre 2003, als die russische Justiz Chodorkowski - einen erbitterten Gegner des damaligen Staatschefs Wladimir Putin - verhaften ließ. Chodorkowski, damals der reichste Mann Russlands, und sein Geschäftspartner Platon Lebedew wurden seitdem in zwei Prozessen wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und Geldwäsche verurteilt und müssen mindestens bis zum Jahr 2016 in Haft bleiben.

Windige Auktionen

Nach der Verhaftung Chodorkowskis war Yukos zerschlagen worden. Der Ölkonzern war 2004 von einem russischen Gericht wegen Steuerbetruges zunächst zur Zahlung von umgerechnet 2,85 Mrd. Euro verurteilt worden. Im Laufe der Jahre kamen fast 20 Mrd. Euro zusammen, die Yukos an Steuern und Zinsen sowie Strafgeldern zahlen musste.

Da ein anderes Gericht das Vermögen des Unternehmens eingefroren hatte, war Yukos nicht in der Lage, für kurzfristige Steuernachzahlungen ausreichende Barmittel lockerzumachen. Die Justiz warf dem größten Ölunternehmen Russlands vor, Steuern unter Ausnutzung von Schlupflöchern in der Gesetzgebung hinterzogen zu haben.

Yukos hatte, wie alle anderen Ölfirmen Russlands auch, Steueroasen in den russischen Regionen genutzt, um damit die Steuern zu drücken. Der damalige Präsident Putin hatte dieses Verfahren einst als "zwar legal, aber nicht legitim" bezeichnet.

Yukos versuchte vergeblich, die Steuerforderungen zu erfüllen. Ein Gericht ordnete daraufhin die Zwangsversteigerung der wichtigsten Konzerntochter Yuganskneftegaz an. Damit sollten die Steuerforderungen eingetrieben werden. Analysten sprachen vom schlimmsten Szenario für Yukos. "Das ist, als nähme man bei einem Mann mit Husten eine Herztransplantation vor", sagte einer von ihnen.

Yukos galt als hochprofitables Unternehmen und nahm pro Monat rund 900 Mio. Dollar ein. Damit hätte der Konzern die Forderungen schnell begleichen können - doch die Konten waren eingefroren. Investmentbanker bewerteten Yuganskneftegaz zwischen 11,5 und 13,5 Mrd. Euro. In einer windigen Auktion mit nur zwei Bietern erhält die unbekannte Baikal Finance Group den Zuschlag für 7 Mrd. Euro.

Ein paar Tage später kaufte der staatliche Ölkonzern Rosneft Baikal. Aufsichtsratschef war Vize-Kremlchef Igor Setchin. Der Putin-Vertraute und ehemalige Geheimdienstoffizier gilt als Kopf hinter dem Vorgehen gegen Yukos und Chodorkowski.

In den kommenden Monaten wurde der Rest des Yukos-Vermögens auf die gleiche Art verkauft wie Yuganskneftegaz: Bei den Auktionen traten zwei Bieter auf, der unbekannte bekam den Zuschlag knapp über dem Mindestgebot und reichte das Ersteigerte später an Rosneft weiter.

Das 1993 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gegründete Unternehmen Yukos wurde im November 2007 aus dem Handelsregister gestrichen.

Streit um Schadenersatz

Es gebe keine Hinweise, dass Russland diese Steuerverfahren gegen Yukos dazu missbraucht hätte, um Yukos zu zerstören und alle Aktiva des Konzerns unter seine Kontrolle zu bringen", heißt es allerdings in dem Straßburger Urteil. Russlands Bevollmächtigter zeigte sich zufrieden. "Das Gericht hat keine Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention gesehen und keine politische Verfolgung anerkannt", sagte Georgi Matjuschkin.

Zugleich beanstandeten die Richter allerdings Grundrechtsverletzungen bei den Steuerverfahren gegen Yukos. Zu der Schadenersatzforderung der Yukos-Rechtsvertreter, welche die Rekordsumme von umgerechnet 71 Mrd. Euro verlangt hatten, nahm der Gerichtshof zunächst nicht Stellung. Die Entscheidung darüber sei noch nicht reif, heißt es in dem Urteil. Wann der Gerichtshof über diese Frage entscheiden wird, ist einer Sprecherin zufolge noch nicht absehbar.

Der in Russland inhaftierte Gründer des Konzerns, Michail Chodorkowski, trat in dem Verfahren nicht persönlich als Beschwerdeführer auf. Die Straßburger Richter rügten vor allem die von den russischen Behörden eingeleiteten Steuerverfahren gegen Yukos für die Jahre 2000 bis 2003, die Berechnung der Strafgelder und die darauf folgenden Vollstreckungsverfahren. Auch habe die Konzernleitung nicht genügend Zeit gehabt, sich auf das Verfahren vorzubereiten. Mit diesem Vorgehen habe Russland die Grundrechte auf einen fairen Prozess und den Schutz des Eigentums verstoßen.

Den zentralen Vorwurf der in London ansässigen Rechtsvertreter der Yukos Oil Company, Russland habe eine "versteckte Verstaatlichung" des Konzerns vorgenommen, wies der Gerichtshof jedoch zurück. Gegen das von einer kleinen Kammer gefällte Urteil können beide Parteien binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann von der Großen Kammer überprüfen lassen, ist dazu aber nicht verpflichtet.

Quelle: ntv.de, jga/dpa/rts/AFP

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