Litauens Milchprodukte beanstandet Moskau straft mit Verbraucherschutz
08.10.2013, 05:40 Uhr
Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite muss sich derzeit mit dem Nachbarn Russland auseinandersetzen - wegen Joghurt, Käse und Fleisch.
(Foto: REUTERS)
Russland fürchtet um den Einfluss in seinen früheren Republiken. Eine wirksame Waffe ist der teilweise Ausschluss der Länder vom großen russischen Markt. Moskau macht allerdings Qualitätsmängel geltend. Vor einer wichtigen Konferenz trifft es nun Litauen, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat.
Es sieht aus wie ein Tauziehen der EU mit Russland: Ehemalige Sowjetrepubliken wie die Ukraine und Moldau streben nach Westen. Russland aber versucht mit immer neuen Methoden, sie in eine von Kremlchef Wladimir Putin initiierte eurasische Wirtschaftsunion zu locken. Für die Länder, die ihren eigenen Weg gehen, sind die Folgen schmerzhaft. Russland macht seinen großen Absatzmarkt etwa für moldauischen Wein und ukrainische Schokolade dicht - oder schraubt Gaspreise nach oben.
Die Liste der betroffenen Unternehmen in Russlands Nachbarländern ist lang. Offiziell führt Moskaus oberster Verbraucherschützer Gennadi Onischtschenko stets Qualitätsmängel an, wenn immer neue Produkte mit Einfuhrverboten belegt werden.
Litauische Produkte beanstandet
Zu Wochenbeginn traf es nun Litauen, Litauen, das aktuell den EU-Ratsvorsitz innehat: Russland verhängt einen Milch-Boykott. Das Einfuhrverbot erstreckt sich unter anderem auf Joghurt, Käse und Quark. Grund seien Qualitätsmängel, sagte Russlands oberster Verbraucherschützer Onischtschenko. Laut der Wirtschaftsnachrichtenagentur Prime werden zudem die Kontrollen von Fisch und Fleisch aus Litauen verschärft.
Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite sprach von einer "ernsthaften Herausforderung" für die Regierung. Sie drohte der baltischen Agentur BNS zufolge eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) an. Landwirtschaftsminister Vigilijus Jukna will nun umgehend nach Moskau reisen. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der ehemaligen Sowjetrepublik Litauen und Russland sind nach wie vor eng: 19 Prozent der litauischen Ausfuhren gehen nach Russland. 2012 exportierte das Land Milchprodukte im Wert von 151 Millionen Euro zum Nachbarn.
Die litauische Regierung wirft Moskau politischen Druck vor. Vilnius ist Ende November Gastgeber eines EU-Ostpartnerschaftsgipfels, bei dem die EU zum Ärger Russlands frühere Sowjetrepubliken enger an sich binden will. Regierungschef Algirdas Butkevicius hatte die EU zu einer "gemeinsamen Position" aufgerufen, um sich gegen Druck aus Russland zu wehren. Litauische Medien zitierten EU-Vertreter, die die Milchproduktion des Landes für unbedenklich hielten.
Russland verweist auf Verbraucherschutz
"Die EU-Kommission ist nicht offiziell darüber informiert worden, welche Sicherheitsbedenken Russland hat", sagte der Sprecher von Gesundheitskommissar Tonio Borg. "Die EU hat das strengste Lebensmittelsicherheit der Welt, und manchmal haben die Russische Föderation und wir unterschiedliche Sichtweisen über die Sicherheit unserer Produkte." Zudem forderte er Russland zu einer "verhältnismäßigen Aktion" auf und unterstrich ihr "Vertrauen in die Sicherheit der litauischen Milchwaren". Die russischen Standards bezeichnete er als "unnötig strikt".
In Moskau verneinte Onischtschenko, dass Politik im Spiel sei. Es gehe um den Schutz der Verbraucher. Bei den Erzeugnissen gebe es Produktionsverstöße, hygienische Mängel und fehlerhafte Etiketten. Der Anteil von litauischen Milchprodukten in russischen Läden liege bei etwa einem Prozent, sagte er.
Zum Programm der Östlichen Partnerschaft gehören auch Weißrussland sowie im Südkaukasus die Länder Georgien, Armenien und das ölreiche Aserbaidschan. Das wirtschaftlich am Tropf Russlands hängende Armenien machte zuletzt auf Druck des Kreml einen Rückzieher. Brüssel und Moskau betonen stets, dass eine Mitgliedschaft in Putins eurasischer Zollunion und zeitgleich eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU nicht möglich seien. Entweder oder also.
Russland droht Moldau offen
Die EU kritisierte wiederholt den Druck, mit dem Russland etwa die Ukraine von einem Freihandelsabkommen mit der EU abzuhalten versucht. Kommentatoren sehen die Boykotte der Russen fast durchweg als Strafaktionen gegen jene Länder, die sich Moskaus Interessen widersetzen.
Russlands Vize-Regierungschef Dmitri Rogosin etwa warnte die moldauische Führung unlängst unverblümt davor, im November das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Das völlig verarmte Land könne komplett den Zugang zum russischen Markt verlieren, drohte Rogosin.
Die herbstlichen Märkte in Russland sind gerade voll mit Pflaumen, Äpfeln und Weintrauben aus Moldau. Die Obst- und Gemüseexporteure leben vom Verkauf in Russland. Auch Moskaus Migrationsbehörde drohte der Führung in Chisinau damit, Hunderttausende Gastarbeiter nach Hause zu schicken. Immerhin hielten sich viele nicht an die russischen Gesetze, meinte Behördensprecherin Salina Kornilowa. Für viele Familien in Moldau wäre das eine Katastrophe: Sie leben von dem Geld, das ihre Angehörigen aus Russland überweisen.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP