Wende in der US-Energiepolitik? NRG gibt Texas-Meiler auf
20.04.2011, 15:55 Uhr
US-Meiler in Waynesboro, Georgia: Der Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie wäre für die Amerikaner weitaus schwieriger als für die Deutschen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der US-Konzern NRG Energy geht nach der Reaktorkatastrophe in Japan auf Abstand zu seinen atomaren Ausbauplänen im Südwesten der USA. Es sei unvertretbar gegenüber den eigenen Aktionären, weiteres Geld in das Projekt zu stecken, heißt es. Siemens bekommt derweil grünes Licht für einen Mega-Windpark vor Nantucket.

Energiepolitik nach deutschem Vorbild: Dieser Rotor ist Teil des Offshore-Windparks "EnBW Baltic 1" in der Ostsee 16 Kilometer vor der Halbinsel Darß.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach der Katastrophe in Japan droht einem Atomprojekt in Texas das Aus: Der US-Energiekonzern NRG kündigte an, keine weiteren Mittel in den Bau zweier neuer Reaktoren zu stecken. "Der tragische Atomunfall in Japan hat die Entwicklung der Kernenergie in den Vereinigten Staaten unberechenbar gemacht", begründete Konzernchef David Crane den Schritt. Die Wahrscheinlichkeit, dass das sogenannte "South Texas Nuclear Development Project" (STP) in akzeptabler Zeit verwirklicht werden könne, sei dramatisch gesunken.
In dem texanischen Kernkraftwerk stehen bereits zwei Reaktorblöcke; Nummer drei und vier sollten folgen. Die Betreibergesellschaft Nuclear Innovation North America hatte allerdings bereits Mitte März nahezu alle Arbeiten gestoppt und viele Mitarbeiter nach Hause geschickt, nachdem sich die Lage im japanischen Atomkraftwerk Fukushima immer weiter zuspitzte.
Hinter der Betreibergesellschaft steckt neben NRG im Wesentlichen der japanische Kraftwerksbauer Toshiba. Ein weiterer Partner ist der schwer in die Kritik geratene japanische Kraftwerksbetreiber Tepco. Er stand seit Beginn des Projekts im Jahr 2006 beratend zur Seite und hat zwischenzeitlich auch in den Neubau der Reaktoren investiert. Bei der Verkündung der Investitionen im Oktober vergangenen Jahres lobten die Amerikaner noch die Erfahrungen der Japaner beim Atomstrom.
Kein Geld für neue Reaktoren
NRG erklärte, das Unternehmen werde die bereits getätigten Investitionen von einer knappen halbe Milliarde Dollar abschreiben. NRG-Chef Crane bekräftigte allerdings, weiter an der Kernenergie festhalten zu wollen.
"Wir sind weiterhin der Überzeugung, dass eine Renaissance der Kernenergie in den USA absolut nötig ist", sagte Crane. Angesichts der neuen Lage sei es aber gegenüber den eigenen Aktionären unvertretbar, weiteres Geld in das Projekt zu stecken. Man werde allerdings die Partner bei ihren Plänen unterstützen. Bis auf Weiteres trägt Toshiba die laufenden Kosten.
NRG setzt mit seinem Kraftwerkspark bisher größtenteils auf Kohle, Erdgas und Nuklearenergie. In den letzten Jahren engagierte sich das Unternehmen mit Sitz in Princeton im US-Bundesstaat New Jersey auch auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Über Tochterfirmen betreibt NRG zum Beispiel mehrere Windparks in Texas und ist auch an dem solarthermischen Startup eSolar beteiligt. NRG-Kraftwerke versorgen rund 20 Mio. US-Haushalte mit Strom.
"Voller Neid nach Massachusetts"
Der Strategiewechsel von NRG fiel mit einer möglicherweise für die Energiepolitik der USA richtungsweisenden Entscheidung an der US-Ostküste zusammen: Die US-Regierung hat ihr Einverständnis für den ersten Offshore-Windpark der USA gegeben. Die knapp 65 Quadratkilometer große Anlage solle vor der Küste des Bundesstaats Massachusetts entstehen, teilte das Innenministerium mit. Die 130 Windenergieanlagen für das Projekt namens "Cape Wind" soll dabei der Münchner Technologiekonzern Siemens liefern.
Innenminister Ken Salazar erklärte, der Windpark vor der Küste der beliebten Urlaubsregion in Neuengland habe nach gründlicher Prüfung der Auswirkungen auf Umwelt und Landschaft grünes Licht erhalten. Der Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick, zeigte sich überzeugt davon, dass sämtliche Bundesstaaten entlang der Ostküste der USA "jetzt voller Neid nach Massachusetts schauen, wo wir diese für Amerika brandneue Industrie aus der Taufe heben".
Immerhin 200.000 Haushalte
Die seit 2001 geplante Anlage soll nach ihrer Fertigstellung rund drei Viertel des Energiebedarfs der Halbinsel Cape Cod sowie der Inseln Nantucket und Martha's Vineyard liefern. Damit verringere sich der Kohlendioxid-Ausstoß um 773.000 Tonnen jährlich. Im Schnitt könne "Cape Wind" Strom für mehr als 200.000 Haushalte liefern.
Der deutsche Technologiekonzern Siemens soll für das Projekt Anlagen mit einer Leistung von je 3,6 Megawatt und einer Gesamthöhe von 134 Metern liefern. Das genaue Datum für den Baubeginn steht den Angaben zufolge noch nicht fest; die Regierung strebe aber diesen Herbst an. Die Arbeiten sollen dann etwa zwei Jahre dauern, prognostizieren die Entwickler des Windparks.
Europa ist mit dem Ausbau seiner Windparks auf See bereis weiter als die USA. Der Forschungsinitiative Rave zufolge sind in Europa bereits 49 Offshore-Windparks im Betrieb. Weitere 32 seien genehmigt und für zusätzliche 250 lägen Anträge vor. In Deutschland beliefern demnach aktuell vier Windparks vom Meer aus das Festland mit Strom.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa