"Kaum noch auszuhalten" Nervenkrieg um Quelle
28.06.2009, 16:54 UhrBei den Beschäftigten des Versandhauses Quelle liegen die Nerven blank. Nach einem dramatischen Wochenende mit neuen Hiobsbotschaften soll an diesem Montag endlich die Entscheidung über das Schicksal des Traditionsunternehmens mit rund 8000 Beschäftigten fallen.
"Es ist kaum noch auszuhalten", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzender Ernst Sindel. Der 62-Jährige arbeitet seit mehr als 40 Jahren für das fränkische Unternehmen und ist fassungslos, wie in dem politischen Tauziehen um Staatshilfen mit den Mitarbeitern umgegangen wird. "Das sind Existenzen, die daran hängen."
Das Wochenende bedeutete für die Quelle-Beschäftigten eine emotionale Achterbahnfahrt. Am Freitagabend herrschte noch große Erleichterung: Nach gründlicher Prüfung kündigte die Druckerei Prinovis an, trotz aller Risiken mit der Auslieferung des Quelle-Katalogs zu beginnen. Damit halten die Quelle-Mitarbeiter nach Wochen des Bangens wieder ein Stück Zukunft in der Hand - 1000 Seiten bedruckt mit allen Produkten aus dem Hause Quelle von T-Shirts bis zum Wäschetrockner.
Am Samstagmorgen war die Freude dann schlagartig vorbei. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet auf der ersten Seite: "Quelle ist nicht überlebensfähig". In Regierungskreisen heiße es übereinstimmend, wahrscheinlich müsse das Unternehmen am Ende geordnet abgewickelt werden. Da ist es wieder: Das böse Wort "Abwicklung", das vor Monaten schon bei der Skandalbank Hypo Real Estate hohe Wellen geschlagen hatte. Allen ist klar: Wenn ein Unternehmen abgewickelt wird, bleibt am Ende nichts mehr übrig.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ist entsetzt - zumal sich die Zeitung auch noch auf ein ranghohes Mitglied der bayerischen Staatsregierung beruft. "Diesen Minister gibt es nicht", versichert Seehofer umgehend am Rande einer Parteiveranstaltung. Die bayerische SPD vermutet Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hinter den Äußerungen und wirft der CSU Doppelzüngigkeit vor. "Während Tausende von Menschen insbesondere in Mittelfranken um ihre Arbeitsplätze bangen, betreibt die CSU ein ebenso beschämendes wie durchsichtiges Doppelspiel", schimpft SPD- Landtagsfraktionschef Franz Maget.
Alle Hoffnungen der Beschäftigten ruhen nun auf der Elefantenrunde in Berlin, wie Sindel die hochkarätig besetzte Konferenz nennt, die am Montagabend in Berlin tagen will. Dann wird sich entscheiden, ob der Bund zu dem benötigten Massekredit von 50 Mio. Euro die Hälfte beisteuert, mit dem Quelle erst einmal weitermachen kann. Die andere Hälfte wollen Bayern und Sachsen stemmen, die um die Arbeitsplätze bei Quelle bangen. Ein Massekredit ist eine Art Nothilfe, mit der insolvente Unternehmen ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten können. Der Begriff Masse bezieht sich dabei auf das verbleibende Vermögen des insolventen Unternehmens, aus dem der Kredit vorrangig gegenüber anderen Gläubiger zurückgezahlt werden kann.
Auf dem eigenen Konto hat die Firma Quelle seit Wochen kein Geld mehr, weil sie alles kurz vor der Insolvenz an den Mutterkonzern Arcandor überweisen musste - auch diese schmerzliche Wahrheit erfuhren die Mitarbeiter am Wochenende. Sindel glaubt aber trotz aller Schwierigkeiten noch immer fest an eine Zukunft für Quelle - und an grünes Licht von der Elefantenrunde. "Ich hoffe, dass die da nicht eher aufstehen, bis weißer Rauch aufsteigt."
Quelle: ntv.de, Daniela Wiegmann, dpa