Luxusreisen für Gewerkschafter Neuer Ärger bei ThyssenKrupp
11.01.2013, 15:42 Uhr
ThyssenKrupp hat derzeit viele Baustellen.
(Foto: dpa)
ThyssenKrupp kommt nicht aus den Schlagzeilen. Nun gibt es neuen Ärger im Zusammenhang mit Luxusreisen für Gewerkschafter. IG-Metall-Vorstandsmitglied und Vize-Aufsichtsratschef Eichler will die Luxus-Differenz der von ihm genutzten Flüge erstatten und wird nicht erneut für den Posten im Kontroll-Gremium kandidieren.
Der angeschlagene Industriekonzern ThyssenKrupp hat auch Gewerkschafter zu teuren Luxusreisen eingeladen. Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat seien mehrfach auf Kosten des Unternehmens in der Ersten Klasse gereist, berichtete das "Handelsblatt". IG-Metall-Vorstand Bertin Eichler, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats, bestätigte First-Class-Flüge von und mit ThyssenKrupp. Er will die Kosten nachträglich erstatten, und zwar die Differenz, wie er mitteilte, zur Business-Klasse, die meist von Geschäftsreisenden benutzt wird.
Eichler kündigte in einer Stellungnahme an, nicht mehr für den Aufsichtsrat von ThyssenKrupp kandidieren zu wollen. Der Gewerkschafter werde seine reguläre Amtszeit im ThyssenKrupp-Aufsichtsrat beenden und für die im November 2013 anstehende Nominierung der Kandidaten für das Kontrollgremium nicht mehr zur Verfügung stehen, sagte eine IG Metall-Sprecherin. Der 60-Jährige ist seit 45 Jahren in der Gewerkschaft, seit 1996 geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Hauptkassierer. Es sei nicht geplant, dass Eichler bei der Gewerkschaft Posten abgibt, so die Sprecherin. "Eichler hat gegen keine Richtlinien der IG Metall verstoßen." In den zehn "Leitlinien der IG Metall für gute Aufsichtsratsarbeit" ist ein solcher Fall allerdings auch nicht geregelt.
Reisen zu "aufstrebenden" Geschäftsfeldern
Insgesamt hat Eichler nach seinen Angaben an fünf Reisen von ThyssenKrupp teilgenommen, zwei nach China, eine nach Thailand, eine in die USA und eine nach Kuba. Dabei sei es im Wesentlichen um aufstrebende und rentable Geschäftsfelder gegangen. Nach "Handelsblatt"-Recherchen befand sich unter den Reisen aber auch ein First-Class-Trip zum Formel-1-Rennen in Shanghai.
Den Vorwurf, durch die Reisen in seiner Aufsichtsratstätigkeit beeinflusst worden zu sein, wies der Gewerkschafter "entschieden" zurück: "Ich habe meine Pflichten als Aufsichtsrat bei ThyssenKrupp nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt." Er räumte aber ein: "Dennoch ist nicht alles richtig, was zulässig ist und üblich war." Aus diesem Grund werde er die Kostendifferenz zur Business-Klasse erstatten. Die bei den Reisen gesammelten Meilen des Vielfliegerprogramms nutze er nicht privat.
Mit der Ankündigung seines Rückzugs aus dem Aufsichtsrat von ThyssenKrupp könnte Eichler eine Hängepartie vermeiden wollen, wie es sie bei dem geschassten Compliance-Vorstand Jürgen Claassen gegeben hatte. Dieser hatte erst nach einem wochenlangen Medienfeuer über Luxusreisen seinen Hut genommen. Im Zusammenhang mit dem Desaster der neuen Stahlwerke in Übersee mussten Ende 2012 auch zwei langjährige Vorstände gehen.
ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger lässt die Reisekriterien des Unternehmens derzeit überprüfen. Erste-Klasse-Flüge für tausende Euro dürften danach nur noch die Ausnahme sein. Der ehemalige Siemens-Manager hat jedoch derzeit eine ganze Reihe von Baustellen. Er will in dem Unternehmen mit über 150.000 Mitarbeitern eine neue Führungskultur etablieren, nachdem ThyssenKrupp sich mehrfach an illegalen Preisabsprachen beteiligt hatte. "Seilschaften und blinde Loyalität" dürften nicht wichtiger sein als unternehmerischer Erfolg. Zudem dürften die Ereignisse bei Hiesinger böse Erinnerungen an seine Zeit bei Siemens wecken. Der Münchner Konzern finanzierte über Jahre aus schwarzen Kassen die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB), um sie als willfähriges Gegengewicht zu missliebigen Gewerkschaften aufzubauen. Die Praxis flog auf, der einstige AUB-Chef wanderte ins Gefängnis, ein Siemens-Vorstand wurde verurteilt.
ThyssenKrupp steckt in der schwersten Krise seiner Geschichte. Das Unternehmen stand wegen Kartell- und Korruptionsaffären wochenlang in den Schlagzeilen. Die Deutsche Bahn reichte wegen illegaler Preisabsprachen von Schienenherstellern - darunter auch ThyssenKrupp - kurz vor Weihnachten eine Schadenersatzklage ein. Zudem fuhr das Traditionsunternehmen im vergangenen Jahr einen Verlust von fünf Mrd. Euro ein. Ein wesentlicher Grund dafür waren die neuen Stahlwerke in Übersee. Nach Pleiten, Pech und Pannen musste Hiesinger auf die unter seinem Vorgänger gebauten Anlagen erneut Milliardenabschreibungen vornehmen. Hiesinger will die Werke in Brasilien und den USA so rasch wie möglich abstoßen. In der Kritik steht insbesondere Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der seit 2001 an der Spitze des Kontrollgremiums steht und damit die Planungen für die Stahlwerke an oberster Stelle begleitet hat. Mehrere Aktionäre wollen auf der Hauptversammlung am Freitag kommender Woche in Bochum seinen Rücktritt fordern. Cromme lehnt dies ab. Er wird dabei vom mächtigen Vorsitzenden der Krupp-Stiftung, der 99-jährigen Konzernlegende Berthold Beitz, unterstützt.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts