Aktivisten und Konzerne unzufrieden Nigeria reformiert Ölindustrie
01.09.2012, 09:58 UhrHöhere Steuern, weniger Korruption: Das sind die Schlagworte, unter denen Nigerias Reform der Ölindustrie steht. Doch die Pläne im größten Ölförderland Afrikas sind umstritten. Aktivisten gehen sie nicht weit genug, die Ölmultis klagen über höhere Kosten.
Mehr als 200 Seiten lang ist das Gesetz, das die Ölindustrie in Nigeria reformieren soll. Das größte Ölförderland Afrikas lebt von seinen riesigen Ölquellen, die mehr als 80 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen. Doch der Reichtum wird nicht richtig genutzt und verteilt. Seit vier Jahren versucht sich die Regierung deshalb an einer Reform des Erdölsektors. Im Juli legte Präsident Goodluck Jonathan den 223 Seiten langen Gesetzentwurf vor, der neue Steuervorgaben für die Industrie und eine Umstrukturierung der staatlichen Ölgesellschaft vorsieht.
"Ich denke, irgendetwas wird bis Ende des Jahres verabschiedet werden", sagt Kayode Akindele vom auf Afrika spezialisierten Investmentfonds 46 Parallels. "Das ist auch absolut nötig, wir können nicht so weitermachen wie in den vergangenen vier oder fünf Jahren." Auslöser für die Initiative von Jonathan waren die Proteste gegen die hohen Benzinpreise im Januar, die Zehntausende auf die Straße trieben. Die Demonstranten protestierten gegen die Abschaffung der Benzinsubventionen und forderten die mehrfach angekündigte Reform der Ölindustrie ein.
Doch auch der Entwurf, den die Regierung vorlegte, geht Aktivisten nicht weit genug - vor allem im Kampf gegen Umweltverschmutzung und Korruption. "Wir müssen sicherstellen, dass es eine unabhängige Kontrolle der Ölindustrie gibt, die weiter geht als das, was wir jetzt haben", fordert Musa Rafsanjani, der Leiter einer örtlichen Partnerorganisation von Transparency International.
Ölmultis warnen
Auf der anderen Seite empören sich die Ölfirmen über die hohen Steuern und Abgaben, die der Entwurf vorsieht. Die neuen Investitionen würden so ausbleiben, warnt ein hochrangiger Mitarbeiter eines Ölkonzerns. Statt die Produktion anzukurbeln und so mehr Geld in die Kassen zu spülen, bewirke das geplante Gesetz das Gegenteil. Die Ölindustrie führe bereits 86 Prozent ihres Reingewinns an die Regierung ab. Wenn das neue Gesetz in Kraft trete, werde es sogar noch mehr sein. Ölministerin Diezani Alison-Madueke sieht dagegen im neuen Gesetz eine "Win-win-Situation für die nigerianische Regierung, die Wirtschaft und das Volk sowie die Partner und potenzielle Investoren in der Öl- und Gasindustrie".
Die Regierungspläne sehen vor, die staatliche Ölgesellschaft NNPC, die als korrupt gilt, zu entflechten. Eine eigene staatliche Gesellschaft soll für die Joint Ventures mit den internationalen Ölkonzernen wie Shell, Exxon und Total zuständig sein. Außerdem sollen sich die neue staatliche Öl- und die Gasgesellschaft privatem Kapital öffnen. Für die Unternehmen werden neue Steuersätze festgelegt: Für die Tiefseeförderung soll künftig eine Steuer von 25 Prozent auf den Gewinn fällig werden, für die Förderung an Land das Doppelte. Dazu kommt noch die Körperschaftssteuer von 30 Prozent.
Angola zieht Investoren an
Zusätzlich zu den Steuern müssen die Unternehmen noch Abgaben zahlen, die an die Produktionsmenge und den Ölpreis gekoppelt sind, und für die noch keine Sätze feststehen. Zehn Prozent ihres Reingewinns sollen die Firmen außerdem in einen Topf einzahlen, der den Gemeinden zugute kommt, in denen Öl gefördert wird und die gegen massive Umweltschäden ankämpfen müssen. Das gilt insbesondere für das ölverseuchte Nigerdelta.
Für die Ölkonzerne sind das nach eigener Rechnung unter dem Strich zu viele Steuern und Abgaben. Die meisten Nigerianer, die vom Ölreichtum praktisch nichts abbekommen, können diese Kritik nicht nachvollziehen. In jedem Fall braucht das westafrikanische Land nach Ansicht von Experten schnell ein neues Gesetz. Vor zehn oder 15 Jahren habe sich Nigeria mit den Reformen Zeit lassen können, sagt der Analyst Akindele. Doch inzwischen gebe es Konkurrenz durch weitere afrikanische Länder mit einer starken Ölförderung wie Angola, die die Investoren anziehen.
Quelle: ntv.de, jga/AFP