"Dann werden wir sehen, was passiert" Obama fordert umgehende Abstimmung
07.10.2013, 21:20 Uhr
US-Präsident Barack Obama: Es darf kein Muster entstehen.
(Foto: REUTERS)
Der Zwangsurlaub für Hunderttausende Angestellte von US-Behörden geht in die zweite Woche. Und eine Lösung im Etatstreit zeichnet sich nicht ab. Und offenbar lässt sich bisherige Stichtag der Zahlungsunfähigkeit hinausschieben - dank kreativer Buchführung.
In den USA bewegen sich Republikaner und Demokraten weiterhin keinen Milimeter. Sowohl die Regierung von Präsident Barack Obama als auch die oppositionellen Republikaner machten zum Wochenbeginn klar, dass sie nicht an ein Einlenken im Etatstreit denken. Obama rief das von den Republikanern kontrollierte Abgeordnetenhaus nun dazu auf, noch heute über einen Übergangsetat ohne jede Bedingungen abzustimmen. "Dann werden wir sehen, was passiert."
Obama antwortete damit dem republikanischen Präsidenten der Kongresskammer, John Boehner, der am Wochenende gesagt hatte, es gebe nicht genügend Stimmen für ein derartiges Gesetz ohne Konzessionen der anderen Seite. Obama bezweifelte dies. Wenn die Republikaner sagen, dass es nicht genügend Stimmen gebe, "dann sollen sie es beweisen", fügte er hinzu. "Lassen Sie jedes Mitglied des US-Kongresses nach seinem eigenen Gewissen abstimmen."
Bei einem Besuch der Katastrophenschutzbehörde FEMA warf der Präsident den Republikanern vor, die Zahlungsfähigkeit der USA als Druckmittel im Streit um die Gesundheitsreform zu missbrauchen. "So machen wir keine Geschäfte in diesem Land", sagte Obama. "Wir wollen nicht, dass ein permanentes Muster entsteht, bei dem die Verwaltung dichtmacht oder Amerika zahlungsunfähig wird, wenn man nicht das bekommt, was man will."
USA könnten sich durch den Oktober mogeln
Stichtag für eine Anhebung der Schuldenobergrenze des US-Haushalts ist der 17. Oktober. Dann erreichen die USA voraussichtlich das gesetzliche Schuldenlimit von derzeit 16,7 Billionen Dollar. Kommt es bis dahin nicht zu einer Einigung, drohen möglicherweise katastrophale Folgen nicht nur für die USA, sondern auch für die globale Wirtschaft. Dann das Land könnte seine Verbindlichkeiten an den Finanzmärkten nicht mehr bedienen.

Ein Demonstrant protestiert vor dem Weißen Haus und lässt keinen Zweifel, wem der Schuld für den Stillstand gibt.
(Foto: REUTERS)
Obama lehnte es aber einmal mehr ab, den Haushalt und die Erhöhung der Schuldengrenze zu einem Verhandlungsgegenstand zu machen. Er sei bereit, mit den Republikanern über alle möglichen Themen zu sprechen, "aber nicht unter Drohungen".
Derweil gehen Experten nach Angaben der "Washington Post" davon aus, dass die USA ihre Rechnungen durch Umschichtungen vielleicht noch zwei Wochen lang nach dem 17. Oktober bezahlen könnten. Kritisch werde es dann am 31. Oktober, wenn sechs Milliarden Dollar an Zinszahlungen anfielen. Einen Tag später stünden 60 Milliarden Dollar an Rentenzahlungen an.
Putin hat Verständnis
Inzwischen geht der teilweise Verwaltungsstillstand der US-Regierung in die zweite Woche - ohne dass direkt über eine Lösung verhandelt wird. Die Republikaner machen unter dem Einfluss der rechtspopulistischen Tea Party ihre Zustimmung zu einem Übergangshaushalt weiter von Abstrichen an Obamas Gesundheitsreform abhängig. Im Tauziehen um eine Anhebung des Schuldenlimits fordern die Konservativen Einsparungen bei Sozialprogrammen wie den Renten und Medicare, der staatlichen Krankenversicherung für die Älteren.
Der US-Präsident hatte wegen der Streitigkeiten daheim sogar seine Reise zum Gipfel der Pazifik-Anrainerstaaten (Apec) absagen müssen. Sympathien fand er ausgerechnet beim russischen Präsidenten Wladimir Putin. Am Rande des Treffens in Bali sagte er nach russischen Medienberichten: "Ich glaube, ich wäre auch nicht gekommen, wenn ich in seiner Lage gesteckt hätte."
Weißes Haus sieht Demokratie in Gefahr
Im Tagesverlauf hatte das Weiße Haus erneut vor einer Zahlungsunfähigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft gewarnt. Es drohten "schreckliche" Konsequenzen, sagte Gene Sperling, oberster Wirtschaftsberater von Obama. Er machte deutlich, dass Obama und seine Demokraten im Kongress schon alleine deshalb nicht auf die republikanischen Forderungen eingehen könnten, weil dies einen gefährlichen Präzedenzfall schüfe. "Wenn wir das als reguläres Verfahren billigen, dann wird das unserer Demokratie, unserer Wirtschaft und dem Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der USA großen Schaden zufügen", sagte er.
Deutliche Worte findet auch der Kaplan, der jeden Morgen die Sitzung des Senats mit einem Gebet eröffnet. Seit der vergangenen Woche liest er darin den 100 Senatoren die Leviten, wie die "New York Times" berichtet. "Rette uns vom Wahnsinn", flehte Barry Black von den Siebenten-Tags-Adventisten kürzlich den Herrgott im ehrwürdigen Senatssaal an. Und damit lief er sich nur warm. "Wir bekennen uns zu unseren Fehltritten, unseren Mängeln, unserer Selbstgefälligkeit, unserem Eigennutz und unserem Stolz", fuhr der 65-jährige ehemalige Admiral fort. "Erlöse uns von der Scheinheiligkeit, dem Versuch, vernünftig zu klingen, während wir unvernünftig sind." Black ist der Zeitung zufolge seit zehn Jahren der "offizielle Geistliche" des Senats
China zeigt sich besorgt
Auch China, der größte ausländische Gläubiger der USA, äußerte sich besorgt über die Zitterpartie in Washington. "Als die größte Volkswirtschaft der Welt und als Herausgeber der bedeutendsten Reservewährung der Welt ist es für die USA wichtig, die Kreditwürdigkeit ihrer Staatsanleihen zu behalten", sagte der chinesische Vize-Finanzminister Zhu Guangyao. "Die Zeit läuft ab."
Seit der Nacht zum vergangenen Dienstag stehen in den USA bereits weite Teile der Bundesverwaltung still, weil ein laufender Haushalt fehlt. Hunderttausende Staatsbedienstete wurden in den Zwangsurlaub geschickt, Behörden und Ministerien arbeiten auf Sparflamme. Um die Auswirkungen für die Staatsangestellten möglichst gering zu halten, beschloss das Repräsentantenhaus am Samstag einstimmig, dass die Betroffenen nach Beilegung des Haushaltsstreits für jeden Tag Zwangsurlaub rückwirkend bezahlt werden. Der Senat muss dem noch zustimmen.
Quelle: ntv.de