Abzocke oder Marktwirtschaft Ölkonzerne langen kräftig zu
21.03.2012, 16:44 Uhr
Die fünf großen Ölkonzerne haben ihr Feld gut bestellt. Wettbewerb Fehlanzeige. Das Bundeskartellamt hat die Konzerne bereits scharf kritisiert.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Grünen werfen Ölkonzernen "ungerechtfertigte Gewinnmitnahmen" vor: Die Mineralölwirtschaft habe unter dem Deckmantel steigender Rohölpreise und der Irankrise ihre Margen willkürlich ausgeweitet. Einer Studie zufolge zahlen die Tankstellenkunden pro Monat 100 Millionen Euro mehr für Benzin als noch vor ein paar Monaten.
Die deutschen Autofahrer zahlen einem Zeitungsbericht zufolge offenbar pro Monat rund 100 Mio. Euro zu viel für Benzin. Die "Saarbrücker Zeitung" zitiert aus einer Studie für die Grünen-Bundestagsfraktion, die Mineralölwirtschaft habe im Windschatten steigender Rohölpreise und der Irankrise "ihre Margen auf Kosten der Tankstellenkunden ausgeweitet".
Demnach sei der Preis von Superbenzin in den letzten drei Monaten um 11,3 Cent pro Liter gestiegen, aber nur 6,6 Cent pro Liter ließen sich "durch höhere Rohölpreise oder einen veränderten Wechselkurs Euro/Dollar erklären". Die Konzerne hätten somit 4,7 Cent einfach aufgeschlagen. An einem Liter Super verdienten die Mineralölkonzerne mittlerweile 16,25 Cent, heißt es in der Studie. Dies entspreche einer Ausweitung der Gewinnspanne um 41 Prozent gegenüber November, als die Bruttomarge noch bei 11,52 Cent gelegen habe. Als Bruttomarge definieren die Autoren der Studie den Benzinpreis an der Tankstelle ohne Steuern abzüglich der Kosten des Rohöls.
Bei einem monatlichen Absatz von 2,1 Mrd. Liter Superbenzin in Deutschland "ergibt sich daraus eine finanzielle Mehrbelastung der Tankstellenkunden von 98 Million Euro pro Monat", heißt es in der Studie. Die Gewinnspanne bei Diesel sei im Untersuchungszeitraum hingegen nahezu unverändert geblieben, habe jedoch auf hohem Niveau verharrt.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn sprach angesichts immer neuer Rekordmarken beim Benzinpreis von "ungerechtfertigten Gewinnmitnahmen auf Kosten der Verbraucher". Man wolle mit der Studie den "Mineralölkonzernen auf die Finger klopfen".
Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stephan Kühn, sagte der Zeitung: "Wir haben keinen funktionierenden Wettbewerb bei den Tankstellen." Das Kartellamt müsse umgehend Möglichkeiten erhalten, "um hier stärker zu kontrollieren und einzugreifen". Die Grünen hatten die Studie beim Hamburger Experten für Energiemärkte und Energierohstoffpreise, Steffen Bukold, in Auftrag gegeben.
"Vorwürfe völlig haltlos"
Der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) wies die Vorwürfe in der Studie als "völlig haltlos" zurück. An Autofahrer seien in den vergangenen Monaten "nur die gestiegenen Beschaffungskosten" weitergegeben worden "und kein Cent mehr", erklärte MWV-Hauptgeschäftsführer Klaus Picard. Der Ölpreis könne nicht mit dem Benzinpreis gleichgesetzt werden. Entscheidend für die Tankstellenpreise seien die Einkaufskosten für Benzin und Diesel. Dabei handele es sich um Weltmarktpreise, die durch Angebot und Nachfrage bestimmt würden.
Der Steueranteil am Benzinpreis beträgt rund 57 Prozent. 43 Prozent fließen der Mineralölwirtschaftzu: zur Kostendeckung und als Gewinn. Zugrunde gelegt ist ein Verbraucherpreisvon 1,57 Euro für einen Liter Superbenzin.
Produkteinstandspreis: Das ist der Preis, zudem der Treibstoff von der Industrie an der Ölbörse Rotterdam gekauft wird.Laut Branchenverband MWV betrug er im Januar 56,1 Cent/Liter.
Deckungsbeitrag:Er enthält die Kosten der Konzernefür Transport, Lagerhaltung, Bevorratung der 90-tägigen Treibstoffreserve, Verwaltung, Vertrieb und seitJanuar 2007 die Beimischung von Biokomponenten. Der Deckungsbeitrag für Januar wird mit 10,8/Liter Cent beziffert. In der Summe ist auch der Gewinnder Konzerne enthalten.
Energiesteuer: Inder Energiesteuer ist seit 1999 auch die Ökosteuer enthalten. Die Höhe derEnergiesteuer unterscheidet sich nach Treibstoffart. Für Benzin beträgt sie65,45 Cent/Liter. Der Staat profitiert beiden Einnahmen von rund 40 Mrd. Euro im Jahr nicht von einem höherenSpritpreis. Die Steuer bemisst sich am Liter, nicht am Preis - sie bleibtimmer gleich.
Mehrwertsteuer: Anders ist es bei der Mehrwertsteuervon 19 Prozent, die auf den Warenendpreis (inklusive Energiesteuerbelastung)erhoben wird. Bei dem Argument, der Staat verdienehier kräftig mit, ist Vorsicht geboten: Die Verbraucher können jeden Euronur einmal ausgeben - geben sie mehr für Benzin aus, sparen sie bei anderenWaren. Außerdem passen sie ihr Fahrverhalten an. Der Mehrwertsteueranteil lag im Januar bei 25,2 Cent/Liter.
Wie der ADAC indes mitteilte, erreichte der Benzinpreis in dieser Woche ein neues Allzeithoch. Der Liter Super E10 kostete demnach im Schnitt 1,66 Euro je Liter. Dies entspreche einem Anstieg von 1,7 Cent gegenüber der Vorwoche. ADAC-Präsident Peter Meyer forderte die Mineralölbranche vor diesem Hintergrund auf, zu einer "seriösen und transparenten" Preispolitik zurückzukehren.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa