Entspannung vor neuer Eskalation? Ölmärkte atmen durch
25.02.2011, 19:53 UhrBeruhigende Worte aller Orten: Die USA, die EU und auch Saudi-Arabien versuchen angesichts der anhaltenden Unruhen in Libyen, die Panik aus den Märkten zu nehmen. Kurzfristig scheint das zu gelingen. Was aber, wenn die Lage weiter eskaliert?

Springt der libysche Funke auch auf andere Länder der Region über, könnte der Ölpreis weiter steigen.
(Foto: REUTERS)
Nach Anflügen von Panik durch die Eskalation der Unruhen in Libyen deutet sich eine Stabilisierung an den weltweiten Ölmärkten an. Die USA, die EU und auch Saudi-Arabien sind offensichtlich bemüht, die Lage an der Ölpreisfront zu entschärfen.
An den heimischen Tankstellen kletterten die Preise für Benzin und Diesel aber weiter. An den teuersten Stationen mussten die Autofahrer zeitweise 1,57 Euro je Liter bezahlen. Das liegt nur noch zwei Cent unter dem Rekord vom Sommer 2008.
Nach Einschätzung von Experten ist das größte Problem derzeit die Angst an den Märkten vor einer Ausweitung der Unruhen im Nahen Osten. Eine Ölkrise drohe nur, wenn die Lage auch in anderen Ölstaaten kippt.
Nachhaltige Entspannung?
Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent pendelte sich am Freitag im Handelsverlauf bei 111 bis 112 Dollar ein. Noch am Vortag war der Preis für Brentöl in der Spitze bis auf knapp 120 Dollar geklettert. Danach gab der Preis wieder spürbar nach, weil Saudi-Arabien sich bereit erklärt hatte, das fehlende Ölangebot aus Libyen ausgleichen zu wollen. Zum Jahresanfang lagen die Ölpreise noch unter 100 Dollar.
EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) rechnet fest damit, dass sich die Ölpreise trotz der Libyen-Krise in Kürze wieder entspannen werden. "Entscheidend, ist das wir keine Versorgungsengpässe haben", sagte Oettinger am Freitag in Berlin bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats. Zudem habe das libysche Öl mit zehn Prozent einen eher geringen Anteil an den europäischen Ölimporten.
Er sei sich sicher, dass Russland und die OPEC-Staaten "alles tun werden, um Lieferengpässe zu vermeiden". Zudem seien die Lager in den EU-Staaten für mehrere Monate gefüllt. Wenn klar würde, dass keine Versorgungsengpässe drohen, würden sich die Ölpreise auch wieder entspannen, betonte Oettinger. Russland ist mit zuletzt 33,9 Millionen Tonnen Deutschlands wichtigster Öllieferant. Aus Libyen stand mit 7,3 Millionen Tonnen an fünfter Stelle.
Ölreserven immer wichtiger
In den USA versuchte das Weiße Haus bereits, die Sorgen vor einen Ölpreisschock zu mindern. "Wir haben die Kapazität, im Falle einer massiven Lieferknappheit zu handeln", sagte Regierungssprecher Jay Carney mit Bezug auf die strategischen Öl-Lagerbestände des Landes.
An deutschen Tankstellen kletterten die Preise für einen Liter Superbenzin im bundesweiten Durchschnitt auf 1,53 Euro am Freitag im Netz des Marktführers Aral. Diesel kostet 1,43 Euro und ist noch ein Stück vom Rekordhoch entfernt. Ein Liter Heizöl kostet etwa 83 Cent; der Höchststand vom Sommer 2008 betrug knapp einen Euro.
Libyen wird überbewertet
Die Unsicherheit am Ölmarkt ist von widersprüchlichen Nachrichten und Einschätzungen hervorgerufen. Grundsätzlich sehen die meisten Branchenkenner die Ölversorgung als gesichert und die Marktlage als ausgeglichen an. Auch verfügen die Industrieländer ausreichend über private und staatliche Ölreserven, um Lieferausfälle bedeutender Ölförderländer auch über eine längere Zeit zu überbrücken. Das würde für eher sinkende Preise sprechen.
Sollten Libyen-Lieferungen ausfallen, stünden andere Länder als Lieferanten bereit. Die Commerzbank schürte am Freitag jedoch Zweifel, ob zum Beispiel Saudi-Arabien das leichte libysche Öl ersetzen könne.
Angst vor Domino-Effekt
Auf der anderen Seite befürchten viele Ölhändler, dass auch andere Staaten in Nordafrika und Arabien in ihrer Förderung beeinträchtigt werden und die Transport- und Infrastrukturanlagen in der Golfregion in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Damit wären spürbare Störungen der weltweiten Ölversorgung und sprunghaft steigende Preise denkbar.
Verstärkt werden die Preisausschläge durch Investmentfonds, die sich spekulativ an den Rohstoffmärkten engagieren. Sie kaufen und verkaufen Ölkontrakte, die an den Ölbörsen mit unterschiedlichen Laufzeiten gehandelt werden. An einer Lieferung des Öls sind sie jedoch nicht interessiert. Die Commerzbank sagt voraus, dass der Ölmarkt weiterhin äußerst volatil (schwankend) bleiben wird.
Quelle: ntv.de, dpa