Wirtschaft

Die Kolumne zum Automarkt Opel - ein deutsches Schicksal

Zurück zu den (Namens)Wurzeln: Fährt Opel mit dem Adam zurück in die Gewinnzone?

Zurück zu den (Namens)Wurzeln: Fährt Opel mit dem Adam zurück in die Gewinnzone?

(Foto: picture alliance / dpa)

Der größte Fahrradhersteller der Welt? Opel ist es einst gewesen. Der Primus der automobilen Oberklasse? Auch das konnten sich die Rüsselsheimer auf die Fahnen schreiben - lange vor Mercedes und BMW. Der Blitz war eine Weltmarke mit einem ausgezeichneten Image. War, wohlgemerkt. Nun spitzt sich die Lage durch die Absatzkrise dramatisch zu.

Helmut Becker schreibt als anerkannter Autoexperte für teleboerse.de und n-tv.de jeden Monat eine Kolumne rund um den Automarkt. Sie erscheint jeweils am letzten Montag des Monats.

Helmut Becker schreibt als anerkannter Autoexperte für teleboerse.de und n-tv.de jeden Monat eine Kolumne rund um den Automarkt. Sie erscheint jeweils am letzten Montag des Monats.

"Doch mit den Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten, und das Unglück schreitet schnell". Als hätte der große deutsche Dichter Friedrich Schiller mit dem Lied von der Glocke das Schicksal vo n Opel beschreiben wollen: Die Firmengeschichte der Adam Opel AG gleicht einem spannenden Roman, den man nicht besser erfinden könnte. Unternehmerischer Mut, große Erfolge, aber auch politische Rückschläge und zuletzt auch eine völlig verquere Führungs- und Markenstrategie mit immensen Verlusten begleiteten das Unternehmen von der Frühzeit der Industrialisierung in Deutschland bis heute.

Die Adam Opel AG feierte vor wenigen Wochen ihr 150-jähriges Bestehen, das Opel-Werk Bochum sein Fünfzigstes. Opel hat in dieser Zeit deutsche Automobil- und Industriegeschichte geschrieben - im positiven wie im negativen Sinne. Und es zeichnet sich ab, dass in den nächsten fünf Jahren noch häufiger und kritischer in den Medien von dem Automobilhersteller Opel die Rede sein wird.

Von der Nähmaschine zum Automobil

Helmut Becker: Kurzporträt

Helmut Becker ist ehemaliger Chefvolkswirt von BMW und leitet seit 1998 das Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK) in München. Er berät Industrieunternehmen und Dienstleister in strategischen sowie wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen.

Das war bei der Gründung der Firma 1862 in Rüsselheim durch den Schlossermeister Adam Opel nicht abzusehen. Das Autom obil war zu dieser Zeit noch nicht erfunden, Adam Opel begann mit der Produktion von Nähmaschinen und war dabei sehr erfolgreich. Bis zum Auslaufen der Produktion 1911 wurden über eine Million Opel-Nähmaschinen weltweit abgesetzt. Ab 1886 kam die Fahrradproduktion dazu, eine ausgesprochene Erfolgsstory, denn in den 1920er Jahren stieg Opel zum größten Fahrradhersteller der Welt auf.

Der entscheidende Schritt in der Firmengeschichte erfolgte 1898, als die fünf automobilbegeisterten Söhne des Firmengründers den Schritt vom Fahrrad- zum Automobilbau wagten. Motorräder, Lkw und Flugzeugmotoren kamen später ebenfalls hinzu. Opel-Fahrzeuge erwarben sich innerhalb kürzester Zeit dank zahlreicher Innovationen und Erfindungen rund ums Automobil sowie bei dessen Produktion sehr rasch hohe internationale Anerkennung. Opel war eine Weltmarke!

Europas Branchenprimus

Im Jahr 1928  erreichte das Unternehmen mit 42.771 Automobilen einen Marktanteil von 27,5 Prozent und wurde damit größter deutscher Automobilhersteller. Volkswagen existierte noch gar nicht.

Im Zuge der hereinbrechenden Weltwirtschaftskrise verkaufte dann die Familie das Unternehmen bis 1931 schrittweise an den US-amerikanischen Automobilhersteller General Motors (GM). Unter GM ging die Erfolgsstory zunächst weiter. 1937 war Opel mit 130.267 gebauten Fahrzeugen größter Autohersteller Europas und der siebtgrößte weltweit.

Hoch hinaus und ...

An diese Erfolgsgeschichte  konnte Opel auch nach dem Krieg nahtlos anknüpfen. Modellnamen wie Rekord, Kapitän, Admiral, Diplomat, Commodore, später dann Kadett und der leg endäre Opel Manta - der sogar dem deutschen Schauspielnachwuchs den Weg zur Weltkarriere ebnete -, waren symbolhaft für das deutsche Wirtschaftswunder wie für den Glanz von Opel in den Sechzigern und Siebzigern des letzten Jahrhunderts. Im damaligen Premium-Segment war Opel eindeutig die Nummer Eins, deutlich vor Daimler Benz. Und BMW kämpfte ums Überleben.

Man kann es heute kaum noch glauben: 1971 rollte der zehnmillionste Opel in Rüsselsheim vom Band. 1972 war Opel mit 20,4 Prozent Marktanteil der größte deutsche Automobilhersteller - noch deutlich vor Volkswagen - und erreichte mit fast 878.000 Einheiten die höchste Produktionszahl seit Beginn der Autoherstellung 1898. 1974 wurde Walter Röhrl in einem Opel Ascona Rallye-Europameister. Und das in einem Jahr, in dem BMW unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden Eberhard von Kuenheim gerade die Neupositionierung der Marke nach der Halbstarkenzeit der 1960er Jahre und der tiefen Rezession durch den ersten globalen Ölpreisschock probte. Erfolgreich bis zum heutigen Tage.

... tiefer Fall

Welcher Kontrast zu Opel! Was für diese Marke a b den 1980ern bis heute folgte, war ein nicht enden wollender Wechsel in der durch und durch US-amerikanischen Führung des Unternehmens - in der Regel im Zwei-Jahres-Turnus. Dazu kamen immer neue Marketingstrategien mit immer unglaubwürdigeren Werbeslogans und Werbekampagnen sowie unentwegten Kostensenkungsprogrammen und Belegschaftsabbau - eine regelrechte Einbahnstraße! Vorgetragen wurden diese "neuen" Strategien des Vorstands immer mit großem Getöse und in engem Schulterschluss mit dem jeweiligen Betriebsrat - trotz Mitbestimmung sowie in völliger Verkennung der Lebenserfahrung, dass das Kauderwelsch von Unternehmensberatungen und Werbeagenturen keine unternehmerische Substanz ersetzen kann. Entsprechend wurden die Verluste bei Opel im Trend größer, nicht kleiner.

Das Ergebnis von allem war der bis heute anhaltende schleichende Niedergang von Marke und Unternehmen. Missmanagement und wohlwollendes Desinteresse der US-Mutter GM am europäischen Markt wie an der deutschen Tochter zugunsten der Eigenmarke Chevrolet haben dies möglich gemacht. Und nun soll Karl-Thomas Neumann das schaffen, was seine Vorgänger Forster und Stracke nicht geschafft haben: den Turnaround. Nach dem Willen der Mutter soll Neumann die heutigen dreistelligen Millionenverluste in spätestens vier Jahren auf null reduzieren.

Die "Automobilwoche" veröffentlichte jüngst Opels internen "Dreistufenplan zur Sanierung". Dort heißt es: "Phase 3 (bis 2022) … Gewinne schreiben"! Möge  es so sein. Viel Glück Karl-Thomas Neumann! Ahnungsvoll heißt es bei Schiller: " … alles rettet, rennet, flüchtet …" Sollte die aktuelle Absatzschwäche auf dem europäischen Heimatmarkt von Opel sich strukturell ähnlich drastisch wie 1929 auswirken, so ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Mutter GM für Opel abermals die "Glocke läutet", in diesem Fall aber das Sterbeglöckchen. Opel, ein deutsches Schicksal.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen