Wirtschaft

Aufbau mindestens weiteres Jahrzehnt Ost-Wirtschaft erblüht langsam

20 Jahre nach dem Fall der Mauer erreicht das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner 70 Prozent des westdeutschen Wertes.

20 Jahre nach dem Fall der Mauer erreicht das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner 70 Prozent des westdeutschen Wertes.

(Foto: dpa)

Die Wirtschaft in Ostdeutschland wird nach Ansicht des IW-Instituts frühestens 2020 zum Westen aufschließen. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf dürfte in den kommenden zehn Jahren von derzeit knapp 70 auf 80 Prozent des Westniveaus steigen, erklärte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in einer ökonomischen Bilanz zum Mauerfall vor 20 Jahren. Dennoch vollziehe sich die Anpassung insgesamt doppelt so schnell als im internationalen Vergleich üblich: "Der Aufholprozess der neuen Bundesländer verläuft weiß Gott nicht so schleppend, wie oft behauptet", betonte IW-Direktor Michael Hüther. Vor allem die Industrie habe für Impulse gesorgt und sich zum Wachstumstreiber entwickelt. Allerdings bleibe die Arbeitslosigkeit deutlich höher als im Westen.

Nach der Wiedervereinigung sei der Aufbau Ost insgesamt zu positiv gesehen worden, sagte der IW-Experte. "Der entscheidende Fehler war einfach, dass wir eine Erwartungskulisse aufgezogen haben mit blühenden Landschaften." Deshalb sei dann Mitte der 90er-Jahre Ernüchterung aufgekommen, als das Ende des Baubooms zum Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen geführt habe. Inzwischen habe sich aber auch zu großer Pessimismus nicht bestätigt, die Erwartungen hätten sich vielmehr normalisiert, sagte Hüther.

IW: Osten wird nie voll aufschließen

Hatte die Wirtschaftsleistung pro Einwohner 1991 im Osten nur ein Drittel des Westniveaus betragen, so könnte der Anschluss an schwächere Westländer wie Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz in gut zehn Jahren gelingen. Dass der Osten aber vollständig zum Westen aufschließt, sei unrealistisch und zu ambitioniert, sagte Hüther. Er verwies darauf, dass es bereits im Westen große regionale Unterschiede gebe und das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Hessen rund 40 Prozent größer sei als in Schleswig-Holstein. Zudem fehlten im Osten große Wirtschaftszentren.

Zwischen Ostsee und Erzgebirge habe sich vor allem die Industrie gut entwickelt: Auf das Verarbeitende Gewerbe entfalle rund ein Fünftel der ostdeutschen Bruttowertschöpfung und damit deutlich mehr als etwa in den USA, Frankreich und Großbritannien. Ziel der Wirtschaftspolitik müsse es sein, die Industrie innovativer und internationaler zu machen. Hüther forderte dazu eine bessere steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung.

Mit dem Auslaufen der Finanzhilfen des Solidarpaktes II 2019 sind nach Ansicht Hüthers keine neuen Sonderprogramme für den Osten nötig. Der Experte des arbeitgebernahen IW appellierte an die neue Bundesregierung im Zuge der von Union und FDP geplanten Steuerrechtsreform ab 2011 den Solidarzuschlag abzuschaffen.

Die stärkste Hypothek für Ostdeutschland in der Zukunft sei die demografische Entwicklung mit einer alternden und zugleich schrumpfenden Bevölkerung, sagte Hüther. Dies werde auch den Mangel an Fachkräften verschärfen. Um gegenzusteuern, sollte die Zuwanderung vereinfacht werden. In der Demografie-Frage sieht Hüther den Osten als "Laboratorium für ganz Deutschland".

Quelle: ntv.de, rts

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