Insolvenzantrag gestellt P+S ziehen die Reißleine
29.08.2012, 13:08 Uhr
P+S wollen in Eigenverwaltung wieder auf die Beine kommen.
(Foto: dpa)
Wochenlang versuchen Politik und Werftmanager, die ins Schlingern geratenen P+S Werften zu retten. Doch nachdem die Staatshilfe gestoppt wird und Kunden und Zulieferer nicht mit sich verhandeln lassen, muss Werftchef Rüdiger Fuchs den Gang zum Insolvenzgericht antreten.
Die P+S-Werften haben beim Amtsgericht Stralsund einen Insolvenzantrag für die beiden Schiffbaubetriebe in Stralsund und Wolgast gestellt. Der Antrag wurde am Morgen von Werftchef Rüdiger Fuchs eingereicht, bestätigten Unternehmens- und Gerichtssprecher. Ministerpräsident Erwin Sellering bezeichnete die Insolvenz der P+S-Werften mit knapp 2000 Beschäftigten als schweren Schlag, machte aber gleichzeitig die Hoffnung auf einen Neustart deutlich.
Man habe die Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren beantragt, sagte der zweite P+S Geschäftsführer, Axel Schulz. Bei der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren kann das betroffene Unternehmen unter Aufsicht eines Sachwalters in einem gewissen Rahmen weiter über das Vermögen verfügen. Die Werft habe verschiedene Vorschläge für die Einsetzung eines Sachwalters vorgelegt, sagte Gerichtssprecher Dirk Simon. Eine Entscheidung darüber sei noch nicht getroffen.
Arbeiten gehen weiter
Auf einer Pressekonferenz in Stralsund kündigte Werftchef Fuchs den Fortgang aller Arbeiten an. Bisher seien keine Aufträge storniert oder gekündigt worden, sagte er. Ziel sei es, so viele Schiffe wie möglich weiterzubauen. Bisher sei allerdings auch noch keine außergerichtliche Einigung über laufende Aufträge erzielt worden, so Fuchs.
"Die Kollegen und Kolleginnen können Spezialschiffe bauen, wenn man sie nicht überfordert", betonte der Fuchs, der erst seit drei Wochen an der Spitze der Werften steht. Er hatte zuvor kritisiert, die Volkswerft in Stralsund habe sich auf dem Weg zum Spezialschiffbauer mit zu vielen Neukonstruktionen in zu kurzer Zeit übernommen.
Ob er auch weiterhin an der Spitze der Geschäftsführung stehen wird, machte Fuchs von der Entscheidung des Amtsgerichtes abhängig. "Wir warten auf den Beschluss", sagte Fuchs.
Land und Bund hatten die Auszahlung der staatlichen Rettungsbeihilfen gestoppt, nachdem deutlich wurde, dass die Werftensanierung teurer wird und die 152,4 Mio. Euro Staatshilfe nur bis Jahresende reichen. Fuchs hatte nach dem Stopp der staatlichen Rettungsbeihilfe versucht, Kunden und Lieferanten von seinem Zukunftskonzept für die beiden Schiffbaubetriebe in Wolgast und Stralsund zu überzeugen.
Mit dem Hauptkunden Scandlines, dessen Fähren weiter wegen bislang ungelöster Bauprobleme am Ausrüstungskai liegen, war P+S zu keiner Einigung gekommen. Der Zeitdruck war groß, vor allem weil Ende dieser Woche die Löhne der Werftarbeiter sowie Sozialabgaben fällig sind - Medienberichten zufolge sieben Mio. Euro.
Schlagabtausch im Landtag
Im Landtag sorgte die neuerliche Werftenpleite für eine heftige Diskussion zwischen Regierung und Opposition über die politische Verantwortung für das Debakel. Ministerpräsident Erwin Sellering und Wirtschaftsminister Harry Glawe versicherten, dass das Land weiterhin alles rechtlich Mögliche und wirtschaftlich Vertretbare tun werde, um beide Werftenstandorte zu erhalten. Sellering warnte vor einer "politischen Schlammschlacht". Nach dem Insolvenzantrag erwarteten die Werftarbeiter und deren Familien "zu Recht, dass ihr Schicksal nicht zum Spielball kleinlicher parteitaktischer Manöver wird". Der SPD-Politiker rief Linke und Grüne auf, bei der Suche nach einem Neuanfang mitzuhelfen.
Glawe sieht das Land weiterhin mit in der Pflicht, maritime Standorte in Mecklenburg-Vorpommern zu erhalten. "Auch im schlimmsten Fall wird sich das Land nicht aus der Verantwortung stehlen", versicherte der CDU-Politiker in Schwerin.
Nach Ansicht von Linksfraktionschef Helmut Holter hat die Regierung mit dem kurzfristigen Stopp der staatlichen Rettungshilfen die Insolvenz leichtfertig in Kauf genommen. "Wenn ich zu entscheiden gehabt hätte zwischen Millionen und Menschen, ich hätte mich für die Menschen entschieden", sagte Holter. Mit der Zahlung einer weiteren Tranche der 152 Mio. Euro staatlich verbürgter Kredite hätte Zeit für die Entwicklung eines neuen Rettungskonzeptes gewonnen werden können.
Auch Zulieferer betroffen
Die beiden Werften gehören seit 2010 einer sogenannten doppelnützigen Treuhandgesellschaft, in die die Bremer Hegemann-Gruppe 93 Prozent ihrer Anteile an den beiden Werften einbrachte, um von den Banken von der öffentlichen Hand abgesicherte Kredite in Höhe von bis zu 362 Millionen Euro zu bekommen. Im Beirat dieser Treuhandgesellschaft sitzen Vertreter der Banken und des Landes, die nach Angaben der Regierung "umfangreiche Zustimmungsrechte" haben.
P+S-Geschäftsführer Fuchs hatte zuletzt ein Rettungskonzept vorgelegt, wonach die Peene-Werft in Wolgast, die unter anderem Marine-Fahrzeuge baut, verkauft werden sollte. Die Volkswerft in Stralsund sollte demnach auf drei Spezialschiff-Neubauten pro Jahr ausgerichtet werden. Für diese Umstrukturierung wären jedoch nicht nur die rund 152 Millionen Euro Rettungsbeihilfe, sondern weitere Hilfen in Höhe von rund 150 Millionen Euro notwendig gewesen.
Durch die Insolvenz betroffen sind insgesamt rund 1800 Arbeitsplätze auf den beiden Werften. Hinzu kommen nach Angaben der Landesregierung rund 3000 Arbeitsplätze bei Zulieferern.
Quelle: ntv.de, sla/dpa