Fusion vertagt Piech läuft die Zeit davon
09.09.2011, 11:57 UhrAus der Traum: Seit zwei Jahren versuchen Volkswagen und Porsche alles, um 2011 zu einem neuen Autoimperium verschmelzen zu können. Dieser Zeitplan ist nun geplatzt - die Suche nach Alternativen ist in vollem Gange.
Ferdinand Piech hat bei der Vollendung seines Lebenswerks einen herben Rückschlag erlitten. Dass Volkswagen und Porsche ihre Fusion verschieben müssen, kann dem 74-jährigen Porsche-Enkel und VW-Aufsichtsratschef gar nicht behagen. Eigentlich sollte die Vereinigung der Stuttgarter Sportwagenschmiede, gegründet von seinem legendären Großvater, mit dem Wolfsburger Autokonzern Ende des Jahres perfekt sein.
Hintergrund der Fusionsverschiebung ist ein Streit der seit Jahrzehnten eng verbundenen und inzwischen auch an einander beteiligten Autobauer. Sie konnten sich nicht darauf verständigen, wie sich die milliardenschweren Schadensersatzklagen auf die eigentlich bis zum Jahresende geplante Verschmelzung auswirken. Mehrere Investmentfonds in den USA klagen gegen das frühere Porsche-Management wegen angeblicher Marktmanipulation. Aus Sicht von VW ist es damit derzeit nicht möglich, die Porsche-Aktien für die Ermittlung eines Umtauschverhältnisses in VW-Papiere zu bewerten.
Das Ziel bleibt bestehen
Zwei Gerichte prüfen seit Monaten, ob Porsche und seine ehemaligen Führungskräfte um den damaligen Vorstandschef Wendelin Wiedeking überhaupt in den USA belangt werden können. Auch in Deutschland gibt es inzwischen eine Klage. Die "Wirtschafts-Woche" berichtete, eine Münchner Kanzlei habe beim Landgericht Braunschweig eine Schadensersatzklage in Höhe von knapp 1,1 Mrd. Euro gegen Porsche und VW eingereicht. Weder von Porsche und VW noch waren zunächst Stellungnahmen zu bekommen. Das Gericht bestätigte den Eingang einer Klage einer deutschen Inkassogesellschaft.
Während die Risiken einer Verschmelzung aus Sicht von VW derzeit zu groß sind, vertritt die Porsche SE unverändert die Meinung, dass die Vorwürfe der Kläger unbegründet sind. Wegen der Uneinigkeit wurden jedoch die Vorbereitungen für die im Dezember geplante Hauptversammlung abgesagt, auf der die Porsche-Eigner grünes Licht für die Verschmelzung geben sollten. Am Ziel eines integrierten Autokonzerns halten die beiden Unternehmen jedoch fest.
Buchgewinn für VW – Verluste für Porsche
Die Verschiebung der Fusion führt dazu, dass die von VW und Porsche gegenseitig eingeräumten Kauf- und Verkaufsoptionen für den verbliebenen Teil des Porsche-Fahrzeuggeschäfts neu bewertet werden müssen. Da nun wahrscheinlicher wird, dass sich VW auch die zweite Hälfte des Fahrzeuggeschäfts der Stuttgarter einverleiben wird, führt dies zu einem deutlichen Ertrag im Finanzergebnis des Wolfsburger Konzerns. Bei Porsche hingegen schlägt die Neubewertung der mit 3,9 Mrd. Euro veranschlagten Optionen negativ zu Buche. Porsche erwartet daher einen Konzernverlust für die ersten neun Monate. Die Analysten der DZ-Bank schätzen den negativen Effekt durch die Neubewertung bei Porsche auf 2,1 Mrd. Euro, den positiven Effekt bei VW taxieren sie auf 3,9 Mrd. Euro.
Entsprechend brach der Kurs die Porsche-Aktie am Freitag an der Börse zeitweise um elf Prozent ein. Die im Leitindex Dax gelistete VW-Vorzugsaktie verlor dagegen in einem schwachen Umfeld nur leicht an Wert.
VW und Porsche hatten in einem Burgfrieden vor zwei Jahren einen Fahrplan vereinbart, um bis Ende 2011 die Weichen für eine Fusion zu stellen. Für den Fall, dass die Verschmelzung platzt, hatten sich die beiden Unternehmen vorsorglich gegenseitung Kauf- und Verkaufsoptionen auf die Anteile am Fahrzeuggeschäft eingeräumt. Dadurch kann sich Volkswagen erstmals im November 2012 den Rest des Porsche-Fahrzeuggeschäfts einverleiben.
Mit der Fusion wollen die Familien Porsche und Piech, die 90 Prozent am Stammkapital der Porsche SE halten, zu Haupteignern von Europas größtem Autobauer Volkswagen aufsteigen. In ersten Modellrechnungen war von einem Anteil von rund 35 Prozent die Rede. Das Land Niedersachsen, das bereits 20 Prozent an VW hält, sollte in etwa der gleichen Größenordnung an dem gemeinsamen Konzern beteiligt werden. Ebenso viel sollte das Emirat Katar halten, das seit der Porsche-Rettung vor zwei Jahren bereits 17 Prozent an VW hält. Unklar ist bislang, ob sich die Verschiebung der Fusion auf dieses sorgsam ausbalancierte Kräfteverhältnis auswirken wird.
Bis zum Zusammenschluss der beiden Unternehmen bleiben die Familien Porsche und Piech über die Porsche SE an Volkswagen beteiligt, die knapp 51 Prozent der Stimmrechte an dem Wolfsburger Konzern hält.
Quelle: ntv.de, rts