Dunkle Wolken über Anleihe-Star Pimco laufen Anleger davon
21.12.2011, 22:15 Uhr
Über viele Jahre der unangefochtene Gott am Anleihemarkt: Pimco-Co-Chef Bill Gross.
(Foto: REUTERS)
Dem weltgrößten Anleihehändler Pimco steht eine schwere Schlappe ins Haus: Nachdem sich Co-Chef Gross mit seinem öffentlichkeitswirksamen Rückzug aus US-Staatsanleihen gründlich verzockt hat, ziehen Anleher ihr Kapital aus dem Anleihenfonds von Pimco ab - das erste Mal in der Geschichte.
Bill Gross, Star-Fondsmanager bei der Allianz-Fondstochter Pimco, könnte in diesem Jahr einen Rekord aufstellen - aber nicht im positiven Sinne. Während der ersten elf Monate des Jahres haben die Anleger laut der Fondsrating-Agentur Lipper rund 2,3 Mrd. US-Dollar aus dem 241,5 Mrd. Dollar schweren Total Return Fund der Allianz-Tochter Pimco abgezogen. Bill Gross zeichnet als Manager für den größten Anleihefonds der Welt verantwortlich. Analysten von Morningstar setzen die Mittelabflüsse für denselben Zeitraum mit 3,6 Mrd. US-Dollar sogar noch höher an.
Seitdem der Total Return Fund im Jahr 1987 aufgesetzt wurde, hat der Rentenfonds laut Lipper zum Abschluss des Kalenderjahres noch nie einen Netto-Kapitalabfluss verbucht. Jeff Tjornehoj, Senior-Analyst bei Lipper, erwartet für Dezember einen moderaten Kapitalabfluss von 200 Mio. US-Dollar. Damit hätten die Kunden in diesem Jahr insgesamt 2,5 Mrd. Dollar aus dem Fonds abgezogen - zum ersten Mal in seiner Geschichte schrumpft der Fonds also, die Anleger scheinen der Fondsgesellschaft nicht mehr grenzenlos zu vertrauen.
Noch im Jahr 2010 flossen laut Schätzungen von Lipper mehr Gelder in den Fonds als abgezogen wurden: Insgesamt 25,7 Mrd. Dollar dürften Anleger in den Fonds investiert haben, 2009 soll Gross laut Lipper sogar 51,4 Mrd. Dollar zur Verwaltung bekommen haben. Dennoch - der diesjährige Mittelabfluss ist angesichts der schieren Größe des Fonds laut Tjornehoj "immer noch handhabbar".
Wette gegen US-Bonds verloren
Die Mittelabflüsse sind die einzig verfügbare Messgröße für die Folgen, die Pimco durch eine Fehleinschätzung von Gross entstanden sind. Gross, der als Co-Vorstand auch für das Investitionsgeschäft der Firma verantwortlich ist, wettete dieses Jahr gegen US-Staatsanleihen - und lag falsch. Die diesjährige Rendite des Total Return Fund liegt laut Morningstar fast 90 Prozent hinter der von vergleichbaren Konkurrenten.
Die Schätzungen basieren auf von den Rating-Firmen selbst entwickelten Methoden. Pimco gibt seine Mittelbewegungen nicht bekannt. Gross gab keinen Kommentar ab, ebenso wenig wie Pressesprecher Mark Porterfield.
Offen messbar ist die Performance jedoch am Benchmark des Fonds - und auch hier hatte Gross' Fonds in diesem Jahr das Nachsehen. Der Total Return hat seinen Anlegern 3,8 Prozent Rendite ausgeschüttet. Im Vergleich: Der Benchmark-Index Barclays Capital U.S. Aggregate Bond Index lag laut Morningstar bei 7,9 Prozent, also rund doppelt so hoch.
Längerfristig steht Gross trotzdem noch gut da: Auf Sicht von 3, 5, 10 und 15 Jahren schlägt der Pimco Total Return seine Benchmark. Der Fonds hat über die vergangenen 15 Jahre jährlich 7,2 Prozent ausgeschüttet - die Benchmark notierte im selben Zeitraum bei 6,3 Prozent. "Ich würde den Abzug des Kapitals keinen schweren Schlag für Bill Gross nennen", sagte Tjornehoj. Aber der Mittelabfluss habe gezeigt, dass die Anleger angesichts der hohen Underperformance dieses Jahres den Total Return verlassen und nach besser abschneidenden Fonds gesucht hätten.
Gang nach Canossa
Gross gestand seinen Fehler ein und gelobte, zurückzukämpfen. "Weder ich noch irgendjemand anders hier bei Pimco wird aufgeben", schrieb Gross in einem Kundenbrief im Oktober, in dem er sich auch für seine Fehleinschätzung entschuldigte. Er schloss: "Die Feuer der Konkurrenz brennen heißer denn je. Ich beziehungsweise wir respektieren unsere Konkurrenz, aber wir wollen jeden von ihnen schlagen, und dies jeden Tag."
Gross hat in den jüngsten Monaten seinen Kurs geändert und kauft nun US-Staatsanleihen, hypothekenbesicherte Wertpapiere und andere Anleihen. Seine jüngsten Käufe lassen den Schluss zu, dass er im Wesentlichen nun darauf wettet, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen niedrig halten wird. Damit setzt er nun auf ein anderes Pferd als noch vor ein paar Monaten, als er von einem Anstieg der Zinsen auf Staatsanleihen ausging.
Die neue Strategie könnte sich im nächsten Jahr auszahlen, sagte Tjornehoj. Voraussetzung sei die anhaltende Unsicherheit über die Schuldenkrise der Eurozone. Denn Gross könnte sich erneut die Finger verbrennen - nämlich dann, wenn die Politiker der Eurozone eine Lösung für die Krise finden, die das Vertrauen der Investoren in den europäischen Rentenmarkt und den Euro wiederherstellt. Wäre dies der Fall, könnten nach der Meinung von Analysten viele Investoren ihre US-Staatsanleihen abstoßen und wieder auf Aktien setzen. Dann hätte Gross wieder auf das falsche Pferd gesetzt.
Quelle: ntv.de, nne/DJ