Ein Land bittet um Vertrauen Portugal bekniet Investoren
11.01.2011, 17:19 UhrWenn sich ein Staat an den Kapitalmarkt wendet, geschieht das normalerweise still, routiniert und ohne viel Aufsehen. Im Fall von Portugal ist alles anders. Einen Tag vor den mit Spannung erwarteten Lissabon-Bonds bemüht sich das Land um das Vertrauen der Anleger. Die Portugiesen bescheren der Eurozone damit eine ungewollte Premiere: Das erste gesamteuropäische Anleihen-Ereignis.

Betreten Neuland in der europäischen Finanzmarktkommunikation: Portugals Regierungschef Jose Socrates (links) und Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos.
Das hoch verschuldete Portugal wirbt mit neuen Sparerfolgen um Vertrauen. Einen Tag vor einem neuen Gang an den Kapitalmarkt verkündete Ministerpräsident Jose Socrates bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Lissabon, dass das Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr niedriger ausgefallen sei als befürchtet. Noch nie zuvor hat eine Anleihenauktion bereits im Vorfeld so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Überall in Eurozone meldeten sich hochrangige Politiker zu den Perspektiven Portugals zu Wort.
Bei der Pressekonferenz in der portugiesischen Hauptstadt wies Socrates erneut Spekulationen zurück, sein Land sei nach Griechenland und Irland der nächste Kandidat für den Rettungsring von EU und IWF. Portugals Abwehrfront gegen die als Schmach empfundene Hilfe aus dem Ausland bekam allerdings erste Risse: Ein Führungsmitglied der Zentralbank mahnte, Portugal könne mit internationaler Unterstützung seine Krise besser meistern.
Mit Spannung wird die am Mittwoch geplante Ausgabe fünf- und zehnjähriger Staatsanleihen im Volumen von 1,25 Mrd. Euro erwartet. Die Rendite für die langlaufenden Anleihen liegt derzeit knapp über 7 Prozent und damit über dem Wert, den Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos vor einiger Zeit als Schmerzgrenze bezeichnet hatte.
Nach Ansicht der meisten Bankvolkswirte wird die Staatsfinanzierung für Portugal so teuer, dass es nicht umhin kommen wird, unter den Euro-Schutzschirm zu schlüpfen. In Kreisen der Euro-Länder heißt es, ein Paket von 50 bis 100 Mrd. Euro Kreditgarantien werde schon vorbereitet. Die Risikoaufschläge auf portugiesische Staatsanleihen gingen im Lauf des Tages etwas zurück. Dafür waren Händlern zufolge erneute Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank verantwortlich.
Mit den Sparzielen in die Rezession
Socrates versuchte, mit guten Nachrichten über die Haushaltslage die Anleger am Bond-Markt gnädig zu stimmen. Das Defizit 2010 habe nach vorläufigen Berechnungen um 800 Mio. Euro unter den eingeplanten 7,3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) gelegen. "Das ist ein hervorragendes Ergebnis für Portugal", sagte der Regierungschef. 2009 hatte Portugal sich noch einen Fehlbetrag von 9,3 Prozent der Wirtschaftsleistung aufgeladen. Die Zielmarke für dieses Jahr beträgt 4,6 Prozent.
Die portugiesische Zentralbank veröffentlichte unterdessen düstere Prognosen, die die Regierung beim Sparen noch mehr unter Druck setzen werden. Für 2011 erwartet sie ein Schrumpfen des BIP um 1,2 Prozent, weil der private Konsum wegen des rigiden Sparkurses zurückgehen werde. Die Defizitprognose der Regierung für 2011 beruhte auf der viel günstigeren Erwartung eines Miniwachstums von 0,2 Prozent. Socrates betonte dennoch: "Ich möchte darauf hinweisen, dass die portugiesische Regierung und Portugal nicht um Hilfe oder finanzielle Unterstützung bitten wird aus dem einfachen Grund, dass das nicht notwendig ist."
Diese Ansicht vertritt auch der Präsident der portugiesischen Notenbank, Carlos Costa. Doch Teodora Cardoso, Direktoriumsmitglied der Zentralbank, hält internationale Hilfe für den besseren Weg. In einem solchen Fall wäre "die Anpassung nicht so abrupt", sagte die Notenbankerin der Nachrichtenagentur Lusa. "Aber wenn wir es alleine tun, muss es brutal sein, damit die Märkte es auch glauben."
Finnland fordert härtere Maßnahmen
Bundeskanzlerin Angela Merkel signalisierte unterdessen Vertrauen in den Reformwillen des Euro-Partnerstaates. "Aus meiner Sicht hat Portugal sehr wichtige und einschneidende Maßnahmen ergriffen", sagte Merkel bei einem Besuch auf Zypern. Die EU-Kommission müsse sagen, ob die Maßnahmen ausreichten, um die avisierten Ziele zu erreichen. Socrates habe versichert, dass "Portugal bereit ist, diese Fragen zu beantworten und gegebenenfalls weitere Schritte zu machen. Diesen Prozess müssen wir jetzt in Ruhe fortsetzen."
Für die Regierung des Euro-Mitglieds Finnland steht derweil schon fest, dass Portugal noch mehr sparen und Reformen anpacken muss. "Portugal hat bereits viele Maßnahmen angekündigt, aber es wäre gut, zu überlegen, was zusätzlich getan werden kann", sagte Finanzministers Jyrki Katainen dem finnischen Sender MTV3. Irland sei möglicherweise nicht das letzte Land gewesen, das um Finanzhilfen von EU und Internationalem Währungsfonds bitte. Der finnische Finanzminister ist damit der erste Euro-Politiker, der einräumt, dass Portugal auf eine Hilfsanfrage zusteuert. Deutschland und Frankreich hatten zuletzt Medienberichte dementiert, sie drängten das südeuropäische Land dazu.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts