Schäuble deutet Erleichterungen an Portugal darf hoffen
10.02.2012, 08:02 UhrWird Portugal nach Griechenland zum zweiten ernsten Problem der Eurozone? Diese Frage beschäftigt zunehmend Börsen und Politiker - eine klare Antwort darauf gibt es allerdings nicht. Doch Bundesfinanzminister Schäuble deutet nun an, dass Portugal beim Umsetzen der Sparpakete Erleichterungen bekommen könnte.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist offenbar bereit, Portugal bei dessen Anpassungsprogramm Erleichterungen zu gewähren. In einem ohne Schäubles Wissen von einer Fernsehkamera aufgezeichneten Gespräch sagte der Finanzminister seinem portugiesischen Kollegen Vitor Gaspar in Brüssel, sollte eine "Anpassung des portugiesischen Programms" notwendig sein, "werden wir das machen". Voraussetzung sei allerdings, dass es zuvor zu einer "substanziellen Entscheidung" zu Griechenland komme.
Schäubles Äußerungen, die inzwischen auch auf Youtube kursieren, sind der erste ernsthafte Anhaltspunkt dafür, dass nach Griechenland auch Länder wie Portugal oder Irland Erleichterungen bekommen könnten. Das Bundesfinanzministerium lehnte einen Kommentar zu dem Bericht mit dem Hinweis ab, es habe sich ein privates Gespräch gehandelt, dessen Inhalt nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen sei. Ein Regierungsvertreter sagte aber, es sei bekannt, dass Länder eine gewisse Flexibilität bei der Umsetzung ihres Programms gewinnen könnten, wenn sie dessen Anpassungsziele erreichten oder übererfüllten.
Ein Mitarbeiter der portugiesischen Regierung begrüßte Schäubles Äußerungen. Gaspar selbst sagte später in einem Interview, Portugal strebe keine Änderungen der Programmbedingungen an. Portugal erhält von der so genannten Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) über drei Jahre 78 Mrd. Euro. Es mehren sich jedoch die Zweifel, dass das Land wie geplant 2013 an den Staatsanleihemarkt zurückkehren kann.
Viele offene Fragen
"Portugal steht viel besser da als Griechenland", sagt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank: "Zum einen wurden nachhaltige Reformen schon eingeleitet, zum anderen hat das Land eine effiziente Administration." Bei anderen wächst dagegen die Befürchtung, private Investoren müssten sich auch in Portugal auf einen Schuldenschnitt einstellen.
"Portugal ist schon auf dem Weg der Reformen, deren Umsetzung auch besser als in Griechenland funktioniert", zeigt sich Helaba-Analyst Ralf Umlauf optimistisch. Allgemeiner Konsens ist das nicht. "Die Märkte müssen überzeugt werden, dass die Wirtschaft und die Schuldensituation tragfähig sind", sagt Bill Blain vom Brokerhaus Newedge.
Wirtschaft schrumpft
Das Misstrauen speist sich unter anderem aus dem Blick auf die Konjunkturdaten. Der harte Sparkurs zehrt an der Wirtschaftskraft des Landes. Die Zentralbank erwartet dieses Jahr einen Wirtschaftseinbruch um 3,1 Prozent nach einem Minus von 1,6 Prozent 2011. Kommendes Jahr rechnet sie mit Stagnation. Eine Umfrage unter Analysten ergibt ein ähnliches Bild. Das Geschäftsklima und das Verbrauchervertrauen sind im Keller - wegen sinkender Einkommen und flächendeckend steigender Steuern.
Die Zahlen sind allerdings besser als in Griechenland. Dort geht die Regierung - noch - von einem Schrumpfen der Wirtschaft in diesem Jahr um drei Prozent nach minus sechs Prozent 2011 aus. Auch beim Blick auf die Verschuldung steht Portugal etwas besser da. Während sich der griechische Schuldenberg auf 163 Prozent der Wirtschaftskraft (BIP) summiert, sind es in Portugal gut 100 Prozent. In Deutschland liegt die Quote bei rund 80 Prozent.
Regierung verspricht Reformen
Premierminister Pedro Passos Coelho hatte zuletzt beim EU-Gipfel betont, das Land werde weder um mehr Geld noch um mehr Zeit für Reformen bitten. Später schob er nach, Portugal werde alles tun, um das Hilfsprogramm zu erfüllen, "egal zu welchen Kosten". Das Land wird vom Euro-Rettungsschirm EFSF und vom IWF mit einem Rettungspaket im Umfang von 78 Mrd. Euro gestützt, das 2014 auslaufen soll. Ab Ende 2013 soll sich der Staat wieder selbstständig über langlaufende Staatsanleihen am Kapitalmarkt refinanzieren.
Für Portugal spricht, dass es bei der Umfinanzierung seines Schuldenbergs unter deutlich geringerem Druck steht als Griechenland. Nach Angaben seiner Schuldenagentur müssen im Juni 10,1 Mrd. Euro abgelöst werden; das Geld dafür steht bereits über das Hilfspaket bereit. In Griechenland ist es in diesem Jahr die dreifache Summe - hinzu kommt die Unsicherheit, ob der Schuldenschnitt gelingt und es weitere Hilfen gibt. Im kommenden Jahr sieht es ähnlich aus: Portugal muss einmal - im September - 9,7 Mrd. Euro umschulden, Griechenland muss im Jahresverlauf alte Anleihen über 22 Mrd. Euro ablösen.
Analysten sehen Portugal letztlich in einer Zwischenstellung zwischen Italien und Spanien auf der einen und Griechenland auf der anderen Seite. In welche Richtung das Pendel schwingen wird, lässt sich kaum sagen.
Quelle: ntv.de, jga/DJ/rts