Kein Eigenkapital, Kurseinbruch Q-Cells steht am Abgrund
24.01.2012, 12:00 Uhr
Wie tief fällt Q-Cells noch?
(Foto: REUTERS)
67 Mio. Euro ist Q-Cells an der Börse noch wert. Die Aktie ist ein Penny Stock, die einstigen Höchststände von über 100 Euro weit entfernt. Aber es könnte noch dicker kommen. Das Wort Insolvenz macht die Runde. Davon will der Vorstand des einstigen deutschen Vorzeige-Solarkonzerns aber nichts wissen. Er setzt auf ein Einlenken der Gläubiger.
Das einstige Vorzeigeunternehmen der deutschen Solarbranche steckt nach jahrelangen Verlusten in einer existenzbedrohenden Krise: Das Eigenkapital ist aufgezehrt, operative Gewinne sind erst 2013 wieder zu erwarten, und nun sitzen Vorstandschef Nedim Cen die Gläubiger im Nacken. In den nächsten fünf Wochen muss er die Zeichner einer 200 Mio. Euro schweren Wandelanleihe davon überzeugen, auf die bis Ende Februar fällige Rückzahlung der Forderungen noch Jahre zu warten.
Gelingt das Q-Cells nicht, droht dem Unternehmen nach Ansicht von Sanierungsexperten die Pleite. Cen will davon noch nichts wissen: "Eine Insolvenz ist derzeit nicht in der Diskussion", sagte er. Q-Cells habe ein Liquiditätspolster von 304 Mio. Euro.
Am seidenen Faden
Den Aktionären drohen allerdings schon jetzt Verluste. Denn Cen will weitere, 2014 und 2015 fällige Wandelanleihen über insgesamt 375 Mio. Euro in Eigenkapital tauschen, um das Unternehmen aus Bitterfeld-Wolfen zu retten. Insgesamt ist Q-Cells mit knapp 800 Mio. Euro verschuldet - auch deshalb weil sich der einstige Solarzellenhersteller zum Komplettanbieter umwandeln will und diese Restrukturierung sehr kostenintensiv ist.
Die Gläubiger müssten dann auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten und erhielten dafür Aktien - auf Kosten der gegenwärtigen Anteilseigner, deren Beteiligung dramatisch verwässert würde. In einem ähnlich gelagerten Fall müssen sich die Altaktionäre von Pfleiderer mit einem minimalen Anteil an dem Holzverarbeiter begnügen.
"Eine Katastrophe"
Diese Aussicht schlug sich im Aktienkurs nieder: Er rauschte um 18,1 Prozent auf ein Allzeittief. Damit ist Q-Cells an der Börse nur noch 67 Mio. Euro wert. Sven Kürten von der DZ Bank nannte die Aussichten eine "Katastrophe". Die Situation sei dramatisch.
Angesichts der Verluste können die Anleihegläubiger nicht darauf hoffen, dass Q-Cells in absehbarer Zeit Zinsen zahlen oder gar die Anleihe tilgen könnte. Für 2012 kündigte der Vorstand tiefrote Zahlen an. Der Verlust vor Steuern, Zinsen und Restrukturierungskosten werde bei 90 Mio. Euro liegen. Auch für das nächste Jahr stellt Vorstandschef Cen einen operativen Verlust vor Steuern und Zinsen (Ebit) von 90 Mio. Euro in Aussicht, wobei die Sanierungskosten noch gar nicht eingerechnet sind.
Erst für 2014 ist die Rückkehr in die Gewinnzone mit 8 Mio. Euro geplant - sofern die Umschuldung gelingt. Die zugrunde liegende Umsatzerwartung - rund 1,3 Mrd. Euro bis 2015 - halten Analysten aber für schwer zu erreichen. 2011 setzte Q-Cells rund 1 Mrd. Euro um, das operative Minus lag früheren Angaben zufolge bei mindestens 100 Mio. Euro.
Stundung torpediert
Wegen der weltweit massiven Überkapazitäten und des daraus folgenden Preisverfalls stehen viele Solarfirmen stark unter Druck, Verluste sind an der Tagesordnung. Nach diversen Pleiten in der USA mussten zuletzt in Deutschland der Branchenpionier Solon und der Kraftwerksentwickler Solar Millennium Insolvenz anmelden.
Nun räumte auch Q-Cells ein, die Ende Februar fällige Wandelanleihe nicht vollständig bedienen zu können. Die Gläubiger sollen sich mit einer Teilrückzahlung begnügen, die Q-Cells in mehreren Raten abstottern will.
Eine im Oktober von der Mehrheit der Anleihegläubiger beschlossene Stundung der Anleihe wurde durch ein Urteil des Landgerichts Frankfurt vom Montag torpediert. Q-Cells will dagegen zwar Revision einlegen, doch läuft dem Unternehmen die Zeit davon. Ob eine Einigung gelingt, hängt auch von der Struktur der Gläubiger ab. Laut einem in die Verhandlungen involvierten Sanierungsexperten zufolge sind noch keine Hedgefonds erkennbar, die es darauf abgesehen haben könnten, die Macht bei Q-Cells zu übernehmen.
Außerordentliche HV
Weil Abschreibungen auf Beteiligungen das Grundkapital von Q-Cells komplett aufgezehrt haben, muss das Unternehmen nun auf einer außerordentlichen Hauptversammlung Rechenschaft ablegen. Ende September war das Eigenkapital noch auf 425 Mio. Euro beziffert worden.
Im Sog rutschten auch andere Solarwerte wie Solarworld oder SMA Solar verglichen zum allgemeinen Markttrend deutlich ab. SMA wird von Experten als ein möglicher Gewinner der Krise in der deutschen Solarbranche gesehen.
Quelle: ntv.de, bad/rts/dpa