Entscheidung im Fall Borssele RWE bekommt Essent
03.09.2009, 15:52 UhrDer Essener Energiekonzern RWE übernimmt seinen niederländischen Konkurrenten im Strom- und Gasgeschäft Essent. Voraussetzung für das Geschäft ist der vorläufige Verzicht von RWE auf das Atomkraftwerk Borssele, das zur Hälfte Essent gehört.
Der formellen Übernahme zum 1. Oktober stehe nichts mehr im Wege, sagte ein Sprecher der Provinz Noord-Brabant als größter Essent-Anteilseigner. Zuvor hatte es Widerstand aus der Provinz und eine Gerichtsentscheidung gegen die RWE-Pläne gegeben. Durch den Verzicht auf das Atomkraftwerk Borssele reduziert sich der Kaufpreis um 950 Mio. auf 8,3 Mrd. Euro. Der Markt nahm die Einigung gelassen auf: RWE-Aktienkurs veränderte sich bis zum Nachmittag kaum.
Nach der Gerichtsentscheidung in Sachen Borssele bleibe das Atomkraftwerk bis auf weiteres in öffentlicher Hand, sagte der niederländische Sprecher. Die 50-Prozent-Beteiligung von Essent an dem Atomkraftwerk wird den Angaben zufolge in eine neue Gesellschaft ausgegliedert. Auf Antrag des öffentlichen Stromversorgers Delta, dem die andere Hälfte des Borssele-Kraftwerkes gehört, hatte ein Gericht RWE die Übernahme der Essent-Anteile im Juli verboten.
Eine RWE-Sprecherin sagte, die Entscheidung gegen RWE sei im Eilverfahren ergangen, der Rechtsstreit laufe aber in der Hauptsache weiter und könne noch mehrere Jahre dauern. Ihr Unternehmen sei weiterhin an dem Kraftwerk interessiert. Mit der Übernahme gewinnt RWE rund 5,3 Millionen Strom- und Gaskunden hinzu. Essent ist in den Niederlanden und in Belgien tätig und hat auch in Deutschland bereits rund eine Million Kunden. Mit dem Geschäft rücke RWE zu den führenden fünf Energieunternehmen Europas vor, sagte die Firmensprecherin.
Die Schutzvereinigung spricht
Ein Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz nannte das Geschäft "logisch und sinnvoll" für Produktion und Vertrieb von RWE, weil das Essent-Gebiet direkt an das von RWE angrenze. Der vorläufige Verzicht auf das Atomkraftwerk sei auch eine Geste der Kooperation an die Skeptiker in den Niederlanden. Zugleich habe RWE-Chef Jürgen Großmann, der unter Druck gestanden habe, nun mit dem Abschluss einen Erfolg vorzuweisen. RWE wolle mit dem Erwerb eines weiteren Atomkraftwerkes seine CO2-Bilanz verbessern.

Kontrollraum mit Landschaftsaufnahmen: Blick in die Leitzentrale des einzigen Kernkraftwerks der Niederlande.
(Foto: REUTERS)
Konkret hatte das Gericht eine von RWE und Essent vorgeschlagene Rechtskonstruktion untersagt, nach der dem deutschen Konzern zwar nicht die volle Entscheidungsbefugnis über Borssele, jedoch das wirtschaftliche Eigentum übertragen werden sollte.
Dagegen hatte Delta unter Hinweis auf gesetzliche Festlegungen geklagt, nach denen die Kontrolle über das einzige Kernkraftwerk der Niederlande zu 100 Prozent in öffentlicher Hand bleiben muss. Essent hatte gegen die Gerichtsentscheidung Berufung eingelegt. Wegen der langen Prozessdauer entschlossen sich RWE und die niederländischen Kommunen, die Anteilseigner von Essent sind, die Borssele-Übernahme auszuklammern.
Brüssel stimmt zu
Der um 950 Mio. Euro reduzierte Kaufpreis wird auf die Gemeinden entsprechend der Höhe ihrer Essent-Anteile verteilt. Gegen die Neuregelung des Vertrages kann noch innerhalb von 15 Tagen Einspruch erhoben werden, jedoch wird damit angesichts der breiten Zustimmung unter den Essent-Aktionären nicht gerechnet.
Die EU-Wettbewerbshüter hatten der Übernahme Ende Juni nur unter der Auflage zugestimmt, dass RWE die bisherige Essent-Tochter Stadtwerke-Bremen verkauft. Noch Ende April hatte das Noord-Brabanter Parlament den Verkauf mit knapper Mehrheit abgelehnt und eine mangelnde Umweltbilanz von RWE kritisiert. Inzwischen hat der Essener Konzern aber Milliarden-Investitionen in die Erzeugung von grünem Strom angekündigt.
Quelle: ntv.de, dpa