Steuerbetrug mit Bermuda-Produkten Razzia bei Credit-Suisse-Kunden
11.07.2012, 15:35 Uhr
Zweifelhafte Finanzgeschäfte tausender deutscher Kunden der Credit Suisse haben ein Nachspiel: Mehrere Finanzämter ermitteln gegen die Anleger, weil sie mit Scheinversicherungen offenbar Milliardensummen am deutschen Fiskus vorbeigeschleust haben. Bei manchen stehen die Steuerfahnder bereits vor der Tür.
Und plötzlich klingelt der Fiskus: Zahlreiche deutsche Kunden der Schweizer Großbank Credit Suisse sind wegen angeblicher Steuerhinterziehung ins Visier der Steuerfahnder geraten. Bei einigen von ihnen soll es bereits zu Hausdurchsuchungen gekommen sein. Finanzämter in Bochum und Düsseldorf ermitteln nach Informationen einer der Bank nahestehenden Person gegen etwa 5000 Anleger aus Deutschland, die mit Hilfe von speziellen Versicherungsverträgen Steuern hinterzogen haben sollen. In einzelnen Fällen sei es wohl auch zu Hausdurchsuchungen gekommen, berichtete der in Deutschland tätige Insider.
"Wir haben Kenntnis davon, dass die deutschen Steuerbehörden gegen Kunden von uns ermitteln", sagte der Sprecher der Bank zu einem Bericht des "Handelsblatt", wonach derzeit Steuerfahnder bundesweit zu Hausdurchsuchungen bei Kunden der Credit Suisse anrücken. Es gebe "eine Anzahl Kunden, die belangt worden sind", so die Bank.
Unter dem Versicherungsmantel
Im Zentrum stehen sogenannte Bermuda-Mäntel, die auch Credit Suisse von der Schweiz aus deutschen Kunden angeboten hatte. Bei dieser Konstruktion werden bei einer Bank liegende Gelder auf Lebensversicherungen mit Sitz auf den steuergünstigen Bermudas übertragen. Die Umhüllung der Vermögen mit einem Versicherungsvertrag bietet neben Steuervorteilen auch die Möglichkeit, die gesetzliche Erbfolge zu umgehen. Der Begünstigte einer solchen Versicherung kann frei gewählt werden.

Die umstrittenen Produkte bietet die Credit Suisse nach eigenem Bekunden "in Deutschland" nicht mehr an.
(Foto: dapd)
Credit Suisse bot die sogenannten Bermuda-Produkte nach Aussage des Sprechers bis 2009 über die Konzerntochter Credit Suisse Life and Pension an. Schon bei Vertragsabschluss seien die Kunden explizit darauf hingewiesen worden, dass die steuerlichen Aspekte in ihrer eigenen Verantwortung lägen, betonte der Sprecher weiter. Kunden hätten dies auch durch Unterschrift bestätigen müssen. In der Schweiz sind Bermuda-Produkte nicht verboten. In den vergangenen Monaten habe die Bank von sich aus ihre Kunden auf die steuerliche Problematik der Verträge hingewiesen und empfohlen, Steuerberater zu konsultieren und auch eine Selbstanzeige in Erwägung zu ziehen.
Das "Handelsblatt" berichtete, deutsche Steuersünder hätten mit Hilfe der Bermuda-Produkten Schätzungen zufolge Milliarden am Finanzamt vorbeigeschleust. Durchschnittlich gehe es um Beträge von rund 500.000 Euro. Es gebe aber auch Einzelfälle von zwölf Mio. Euro und mehr.
Bank selbst nicht im Fokus
Die Bank selbst ist nach Angaben eines Sprechers von den Ermittlungen nicht betroffen. Ohnehin geht Credit Suisse davon aus, dass Vorwürfe wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung in Deutschland seit dem vergangenen Jahr vom Tisch sind. Mitte September einigte sich Credit Suisse mit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf auf die Zahlung von 150 Mio. Euro. Die Behörde stellte daraufhin ihre Ermittlungen gegen die Bank und ihre Mitarbeiter ein, die sie nach dem Kauf einer CD mit gestohlenen Kundendaten 2010 aufgenommen hatte. Auch damals waren in mehreren deutschen Städten Steuerfahnder ausgerückt.
Eine neue CD mit gestohlenen Credit-Suisse-Kundendaten sei nicht in Umlauf, sagte der Sprecher. Laut dem bereits unterzeichneten, aber in Deutschland noch nicht ratifizierten Abgeltungssteuerabkommen mit der Schweiz wollen deutsche Behörden auch keine neuen CDs mehr kaufen und verwerten. Vermutet wird, dass die Finanzämter bei einer zweiten Prüfung der CD aus dem Jahr 2010 auf neue Namen gestoßen sind und nun rückständige Steuern einzutreiben beginnen.
Die SPD-regierten Bundesländer lehnen das Steuerabkommen ab, da in ihren Augen Steuersünder zu gut wegkommen. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans, einer der Wortführer gegen das Abkommen mit der Schweiz, will weiter gegen Steuersünder vorgehen. Auch Steuerabkommen dürften die Arbeit der Fahnder behindern, sagte er. Eine entschlossene Steuerfahndung sei für das Gemeinwesen unverzichtbar, solange es "scheunentor-große Schlupflöcher für Steuerhinterzieher" gebe. Bestätigen, dass Steuerfahnder wieder Kunden der Credit Suisse ins Visier genommen haben, wollte der Minister aber nicht.
Quelle: ntv.de, jga/nne/rts/dpa/AFP