Freude in Russland, Skepsis in Deutschland Reaktionen auf den Opel-Deal
11.09.2009, 12:16 UhrDer vereinbarte Verkauf von Opel an den Zulieferer Magna hat in allen involvierten Ländern gemischte Reaktionen hervorgerufen. Die Gefühlsskala reicht von enormer Freude in Russland bis zu tiefer Skepsis in Deutschland.
Gegenüber n-tv erklärte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft: "Ich bin davon überzeugt, dass es ein Wahlkampfgeschenk ist." Erstmal aufatmen könnten die Regierungsparteien. "Für mich ist das eine Pseudo-Rettung. Wie genau diese finanziellen Entscheidungen aussehen sollen und was General Motors verlangt, das wird innerhalb der nächsten Wochen rausstellen. Also: Ende offen."
"Wir haben zumindest den Weg offen für eine dauerhafte Lösung bei Opel", sagte Hubertus Heil, SPD-Generalsekretär zu n-tv. "Ich will daran erinnern, wie die ganze Geschichte angefangen hat. Es ist gelungen, Opel rauszuhauen aus dem Insolvenzstrudel von GM. Das war wichtig, sonst wäre es schon im Frühjahr zappenduster gewesen." Im Übrigen wäre für den deutschen Steuerzahler und die deutsche Wirtschaft es sehr teuer geworden, nicht nur wegen der Zulieferindustrie und der Opel-Standorte, sondern weil auch vier Mrd. Euro an Pensionslasten auf den Pensionssicherungsfonds zugekommen wären, wenn Opel in die Insovenz gegangen wäre.
Autoexperte Wolfgang Meinig sagte im Bayerischen Rundfunk: "Das Thema Insolvenz wird uns in den nächsten Jahren jeden Tag, jede Woche begleiten." Ob Opel weiter bestehen werde, hänge davon ab, ob der Autobauer Fahrzeuge entwickele, die angenommen werden. Außerdem sei Opel nach wie vor von General Motors abhängig, bislang habe GM selbst keine guten Ideen gehabt.
IG-Metall-Chef Berthold Huber sagte im ZDF-Morgenmagazin, man sei "erleichtert" über die Entscheidung: "Hoffentlich trägt sie und bleibt stabil." Die Verhandlungen mit Magna über Arbeitsplätze und Standortsicherungen stünden bevor. Huber betonte, man sei bereit, bei Lohnerhöhungen und Sonderleistungen Opfer zu bringen. "Aber wir wollen den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, es gibt andere Lösungsmöglichkeiten. Und wir wollen, dass die Standorte sicher bleiben."
Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) nannte den Einstieg von Magna die einzig tragfähige Lösung. Nur so könne Opel selbstständig und zugleich in einer hohen Loyalität mit dem bisherigen Mutterkonzern GM verbunden bleiben, sagte er im Deutschlandradio Kultur. "Nur Magna gewährleistet von seinem Unternehmenskonzept her genau diesen Weg."
"Eine halbe Milliarde für geistiges Eigentum"
In Russland wurde der abgeschlossene Deal gefeiert: "Eine halbe Milliarde für geistiges Eigentum", titelte das Finanzblatt "Wedomosti" in Anspielung auf die geplanten 500 Mio. Euro Eigenkapital, die Magna und sein russischer Partner, die halbstaatliche Sberbank, in den Deal einbringen wollen. "Opel kommt nach Russland", schrieb die Wirtschaftszeitung "RBK": "Die russische Autoindustrie hat sich sehr auf dieses Geschäft konzentriert und wartet nun ungeduldig auf die neue Technologie." In der Zeitung "Kommersant" hieß es, die Beteiligung des russischen Autobauers GAZ an dem Geschäft sei für GM Anlass zu großer Sorge gewesen: "GM will Opel-Technologie nicht in russische Hände verkaufen."
In Belgien führte die Entscheidung dagegen zu Unruhe und Verärgerung. Der liberale Finanzminister und Vize-Premierminister Didier Reynders sagte laut der Nachrichtenagentur Belga, es sollte auf europäischer Ebene eine Untersuchung über möglichen Protektionismus in Deutschland geben. Der belgische Opel-Standort Antwerpen gilt als gefährdet. Arbeitsministerin Joëlle Milquet beklagte, dass es bei der Opel-Krise an europäischem Zusammenhalt mangele.
Auch in Spanien stieß der Deal mit Magna auf Kritik Die Gewerkschaften kündigten Proteste an, sollte es in dem Opel-Standort im nordostspanischen Figueruelas zu einem massiven Stellenabbau kommen. In dem Werk nahe Saragossa gelten rund 1.650 der insgesamt 7.500 Jobs als gefährdet. Ein Sprecher der Gewerkschaft UGT kündigte nach Rundfunkberichten für diesen Fall "massiven Widerstand" an. Die Gewerkschaften in Spanien hatten einen Verkauf von Opel an den belgischen Finanzinvestor RHJI befürwortet, weil dessen Pläne weniger Stellenstreichungen in ihrem Land vorsahen.
Der Wunsch Deutschlands nach einer finanziellen Beteiligung anderer Länder mit Opel-Standorten an der Rettung des Autobauers ist in Österreich zurückhaltend aufgenommen worden. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehn sagte der österreichischen Nachrichtenagentur APA, er sei "sehr abwartend defensiv", wenn es darum gehe, Geldspritzen zu geben. Österreich habe auch nie etwas in diese Richtung versprochen. Im GM-Werk in Wien-Aspern werden unter anderem Motoren für Opel-Fahrzeuge hergestellt.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts