Rückgrat der Welt-Handelsflotte Reeder wollen Staatshilfe
22.10.2009, 15:24 UhrNach Hapag-Lloyd wenden sich offenbar auch andere große Reedereien hilfesuchend an den Staat. Die in der Branche bedeutenden Hamburger Firmen Peter Döhle und Claus-Peter Offen haben der Nachrichtenagentur Reuters zufolge bei der KfW Kredite aus dem Deutschlandfonds für notleidende Unternehmen beantragt.

Besserung für die Branche ist trotz erster Anzeichen der konjunkturellen Erholung noch nicht in Sicht.
(Foto: REUTERS)
Nach Expertenmeinung ist das erst der Anfang. "Wenn man jetzt diese Vorbilder hat, ist es wahrscheinlich, dass der eine oder andere es auch versuchen wird", sagt etwa Burkhard Lemper vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft.
Döhle und Offen sind in der Öffentlichkeit zwar wenig bekannt, bilden aber zusammen mit vielen kleinen und mittleren deutschen Anbietern das Rückgrat der Welt-Handelsflotte. Ein Drittel der Kapazitäten der rund 4700 Schiffe umfassenden weltweiten Container-Flotte ist in deutscher Hand. 2700 Schiffe gehören so genannten Tramp-Reedern wie Döhle und Offen, die sie an große Linien wie Hapag-Lloyd, MSC, CMA-CGM oder den Marktführer Maersk vermieten. In diesem Segment beträgt der deutsche Anteil insgesamt sogar zwei Drittel.
Zu viel Containerschiffe
Angesichts der Wirtschaftskrise ist der weltweite Handel rasant zurückgegangen, es gibt derzeit zu viel Transport-Kapazität auf den Weltmeeren. Außerdem kommen zahlreiche neue Schiffe auf den Markt, die während der Boom-Zeiten in Auftrag gegeben wurden. Das drückt Fracht- und Charterraten auf ein extrem niedriges Niveau.
Laufen die meist langfristigen Charterverträge derzeit aus, drohen angesichts der Überkapazitäten auf dem Markt Probleme. So haben etwa bei Offen angeblich mehr als zehn der rund 100 Schiffe keine Beschäftigung mehr. Nachverhandlungen über bestehende Verträge laufen zudem auf Hochtouren, wobei die Preise oft auf bestenfalls kostendeckende Niveaus gedrückt werden. "Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren sehr viele Schiffe bestellt, die nun auch bezahlt werden müssen", heißt es in Unternehmenskreisen zu Offen und Döhle. "Bei den Kfw-Krediten geht nicht zuletzt darum, sich in Zeiten, in denen die Banken in Schwierigkeiten stecken, Liquidität zu sichern", sagt ein Insider. Die Unternehmen brächten sich damit auch für die erwartete Konsolidierung in Stellung. Döhle und Offen lehnten eine Stellungnahme ab.
Von den insgesamt rund 3500 in Deutschland beheimateten Tankern, Schüttgut- und Containerschiffen sind etwa 2500 im Eigentum so genannter Ein-Schiff-KGs. Diese Gesellschaften werben traditionell bei Anlegern Eigenkapital ein und holen sich von Schiffsfinanzierern wie der HSH Nordbank oder NordLB Kredite für den Kauf eines Schiffes, das sie dann vermieten. Nach Einschätzung von Branchenexperten sind davon rund 100 Schiffe derzeit in Schwierigkeiten. "Es hat schon einige Insolvenzen gegeben, weil die Gesellschaften keine Beschäftigung mehr bekommen haben", sagt Schifffahrtsexperte Lemper. Diese Gefahr bestehe für viele weitere. Nach Beobachtung von Reederei- Verbandsgeschäftsführer Heinrich Nöll sind von allen Beteiligten getragene Sanierungen aber die Regel. "Meist stellen sich Banken nur quer, wenn die Eigner sich weigern, Kapital nachzuschießen."
Trübe Aussichten
Besserung für die Branche ist trotz erster Anzeichen der konjunkturellen Erholung nicht in Sicht. Während sich der Baltic Dry, der Frachtratenindex für Schüttgut, wieder grob auf dem Niveau von 2005/2006 bewegt, sind die um vier Fünftel eingebrochenen Raten im Container-Transport (ConTex) weiter leicht rückläufig. "Die Frachtraten werden unter Druck bleiben", prognostiziert Lemper. "Die Durststrecke wird 2010 anhalten, ab 2011 könnten wieder annehmbare Raten erzielt werden."
Von der Lage werden nach Expertenmeinung kapitalstarke Reeder profitieren. "Am Ende werden einige Wettbewerber nicht überleben. Sie werden gezwungen sein, Schiffe zu verkaufen", sagt Maersk-Chef Nils Andersen. "Dann werden wir uns Übernahmen möglicherweise auch überlegen." Auch der norwegische Schifffahrtsunternehmer John Fredriksen - Großaktionär der ehemaligen Hapag-Mutter Tui - hat angekündigt, sich die Notlage anderer zu Nutzen zu machen. Er will eine Billig-Containerlinie nach dem Vorbild von Fluggesellschaften wie Ryanair aufmachen und dabei stillgelegte Frachter anderer Unternehmen reaktivieren. Weltweit sind bereits etwa 550 Container-Schiffe außer Dienst gestellt.
Quelle: ntv.de, jga/rts