Versuchungen der Vorkrisenzeit Renditejäger bekommen frisches Futter
11.08.2014, 16:38 Uhr
Auf der Suche nach Rendite gehen die "Jäger" wieder mehr Risiken ein.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bei volatilen Märkten wie derzeit ist es schwierig, Bewertungen für einzelne Wertpapiere vorzunehmen. Dennoch soll Rendite her. Im September starten wohl sogenannte Fixed Income Global Structured Covered Obligation. Was steckt dahinter?
Die Suche nach der Rendite überschreitet jetzt wohl die letzte Grenze: Eine ultralockere Geldpolitik hat dazu geführt, dass Investoren auf der Suche nach mehr Rendite höhere Risiken eingehen. Manche haben sich auf Bonds mit niedriger Bonität oder Staatsanleihen mit langen Laufzeiten eingelassen. Wieder andere haben den Weg in komplexere Deals gesucht.
Die Entwicklung an den Märkten weckt unschöne Erinnerungen an die Kreditblase vor der großen Finanzkrise. Und so wie die Konditionen am Markt derzeit stehen, könnten sich Anleger animiert fühlen, noch weitaus größere Risiken einzugehen. Denn insgesamt sind die Renditen sehr niedrig und zugleich die Renditeabstände zwischen den verschiedenen Anlagen sehr gering. Überdies mangelt es an qualitativ hochwertigen Wertpapieren. Riesige Geldmengen wollen angelegt werden. Und die Sorgen angesichts der jüngsten geopolitischen Entwicklungen tun ihr Übriges dafür, dass die Renditen der Benchmark-Anleihen großer Schuldner nochmals sinken.
"Esoterisch strukturierte Werpapiere"
Das reizt die Finanzingenieure. Auf dem Markt für Kreditderivate gibt es Anzeichen dafür, dass sich Anleger wieder eingehend mit esoterisch strukturierten Wertpapieren befassen. So berichtet die Citigroup von einem "großen Wachstum" beim Handel mit Produkten, die die Belastungen durch Ausfälle auf Credit-Default-Swap-Indizes sehr kleinteilig verteilt haben. Nach Angaben der Bank sind es vor allem Hedgefonds, die hier ihr Glück suchten. Aber es sei durchaus denkbar, dass auch andere Investoren angezogen würden, die Probleme haben könnten, versprochene Renditeziele zu erfüllen.
Noch ein Beispiel: Goldman Sachs vermarktet demnächst sogenannte Fixed Income Global Structured Covered Obligation, eine neue Finanzstruktur, die möglicherweise im September auf den Markt kommt und Elemente des in Europa sehr verbreiteten Pfandbriefs übernimmt. Investoren erhalten dabei Forderungen an einen Pool von ausgewählten Vermögenswerten und gegenüber zwei Garantiegebern - Goldman und Mitsui Sumitomo Insurance.
Doch in vielerlei Hinsicht ist das Geschäft eben nicht wie ein Pfandbrief angelegt. Statt Hypotheken oder Kredite für den öffentlichen Sektor zu finanzieren, finanziert es ein Portfolio festverzinslicher Wertpapiere, die sie von Goldman beziehen. Strukturiert ist das ganze über ein Derivat, einen Total-Return Swap, den Goldman Sachs Mitsui Marine Derivative Products aufgelegt haben.
Investoren wissen nicht, was genau in dem Pool hinterlegt ist. Sie werden eine Aufschlüsselung nach Anlageklassen bekommen, nicht aber die genaue Zusammensetzung. Und auch die Struktur des Pools kann sich ändern. So weist Crédit Agricole darauf hin, dass der Pool zu einem Zeitpunkt vorrangig aus Wertpapieren auf Wohnimmobilienkredite bestehen kann, aus Staatsanleihen an einem anderen und aus Unternehmensanleihen an einem dritten.
Selbst wenn das Geschäft gut läuft, gibt es Risiken, wie die Krise gelehrt hat: Wenn der Markt unter Stress kommt und die Situation schlecht abzuschätzen ist, verkaufen Anleger reflexartig und stellen erst später Fragen.
Bewertungen in volatilen Märkten schwierig
Um derartige Sorgen zu zerstreuen, werden die Wertpapiere täglich neu bewertet - eine Rarität im Pfandbriefmarkt - und überdies geprüft von einer dritten Partei. Schließlich wird der Pool mit Barmitteln oder zusätzlichen Wertpapieren bestückt, um Verluste auffangen zu können.
Trotzdem: Anleger sollten sich bewusst sein, dass es bei volatilen Märkten sehr schwierig sein kann, akkurate Bewertungen für einzelne Wertpapiere vorzunehmen.
S&P hat dem Deal ein Triple-A als Bewertung gegeben. Fitch immerhin erklärt, dass die Standards für den Anlegerschutz nicht für ein Dreifach-A und damit die Bestnote ausreichen.
Sonst machen sich Regulierer in wachsendem Maße Sorgen über die von Banken verkauften Contingent-convertible Bonds, die unter ungünstigen Umständen in Eigenkapital gewandelt werden können. Co-Co-Bonds sind komplex angelegt, und es ist nicht klar, wie sie im Krisenfall reagieren. Der Fall der portugiesischen Banco Espírito Santo zumindest hat gezeigt, wie schnell eine Bank in eine Abwärtsspirale geraten kann.
Gemeinsam ist allen Instrumenten: Rendite und Knappheit. Kreditderivate bieten ihren Anlegern größere Hebel, höhere Renditen und die Möglichkeit, selbst auf einen illiquiden Bondmarkt eine Wette zu setzen. Die Goldman-Struktur wirft wahrscheinlich mehr ab als ein traditioneller Pfandbrief, die ohnehin immer seltener aufgelegt werden, seit die Zentralbanken in großem Maße billiges Geld auf den Markt werfen. Co-Co-Bonds von Banken bieten Renditen, die nur schwer andernorts zu finden sind.
Vor der Krise führten geringe Renditen und scheinbar günstige Marktbedingungen dazu, dass massenhaft Finanzinstrumente auf den Markt kamen, die am Ende nur wenige verstanden. Je länger die Suche nach Rendite anhält, desto größer sind die Chancen, dass
Quelle: ntv.de, Richard Barley, DJ