Wirtschaft

Eine neue Geldquelle Retten Eurobonds Europa?

Welche Zukunft hat die Währungsunion?

Welche Zukunft hat die Währungsunion?

(Foto: dpa)

Im Kampf gegen die Schuldenkrise werden die Rufe nach Eurobonds immer lauter: Befürworter sehen darin eine Art finanzielles Allheimittel für Europa, Gegner befürchten den Einstieg in die Transferunion. Der Druck auf die Bundesregierung wächst. Was spricht für Eurobonds, und was dagegen?

Die Schuldenkrise verändert Europa womöglich schneller als geplant: Trotz zahlloser Krisentreffen, mehreren Sondergipfeln und der Erschaffung eines milliardenschweren Krisenmechanismus - der von den Parlamenten noch abgesegnet werden muss - schwelt die Schuldenkrise ungehindert weiter, die Verunsicherung an den Märkten hält an.

Treffen sich am Dienstag: Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsident Sarkozy (Archivbild).

Treffen sich am Dienstag: Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsident Sarkozy (Archivbild).

(Foto: dpa)

Um dem Brandherd endgültig den Nährboden zu entziehen, sprechen sich hochrangige Experten für eine langfristige Strategie zur Unterstützung klammer Euro-Länder aus: Die Einführung gemeinsamer europäischer Staatsanleihen. Die Debatte um die sogenannten Eurobonds spaltet dabei nicht nur die Währungsunion in zwei Lager. Der Riss zwischen Befürwortern und Gegner zieht sich quer durch Deutschland, sogar der Zusammenhalt der Regierungskoalition scheint in Gefahr. Sicher ist bislang nur: Gemeinsame Euro-Anleihen wären ein großer Sprung, Kritiker fürchten einen Tabubruch.

Wie leihen sich Staaten Geld?

Der Begriff Eurobonds bezieht sich auf die Idee, innerhalb der Eurozone gemeinsame Staatsanleihen aller Euro-Länder auszugeben. Bisher wenden sich die Mitgliedsstaaten der Eurozone zur Finanzierung ihrer Ausgaben einzeln an den Kapitalmarkt. Dort, am sogenannten Bond-Markt, geben sie Schuldtitel mit bestimmten Laufzeiten wie zum Beispiel 12, 24 oder 36 Monaten zu festgelegten Konditionen heraus. Die Konditionen orientieren sich an der Nachfrage der Investoren, an deren Risikoeinschätzung und an der Laufzeit.

Anleger, die in solche Anleihen investieren, gewähren den Staaten Kredit. Für sie als Gläubiger sind die Schuldscheine am Markt frei handelbar. Das heißt, sie können die Titel jederzeit zum aktuellen Kurs an- oder verkaufen. Verzinsung und Laufzeit der Papiere stehen fest, der Kurs bewegt sich mit den Markteinschätzungen. Länger laufende Anleihen binden Geld über einen Zeitraum von zum Beispiel fünf Jahren. Langfristige Staatsanleihen weisen Laufzeiten von bis zu 30 Jahren auf.

Zum Ende der Laufzeit müssen die Staaten ihre Anleihenschuld in der Regel komplett durch neue Kredite finanzieren und dazu neue Anleihen auflegen. Dabei können sich die Konditionen drastisch verschärfen: Stark verschuldete Staaten müssen teils hohe Zinsen zahlen. Geraten sie in den Fokus der nervösen Märkte, steigen die Risikoaufschläge noch höher. Staaten mit hervorragender Bonität wie Deutschland oder Österreich kommen dagegen weiterhin vergleichsweise günstig an frisches Geld.

Was sind Eurobonds?

An dieser Stelle setzt die Idee der Eurobonds an: Die Kreditwürdigkeit und die Wirtschaftskraft der finanzstarken Staaten Europas wird mit den Problemen der schwachen Länder in eine Waagschale geworfen. Die Schuldenaufnahme wird auf die Schultern der gesamten Eurozone verteilt. Aus der Sicht der Investoren wäre das Risiko eines Zahlungsausfalls minimiert. Die Währungsunion würde gemeinsam für ihre Schulden haften. Der Zinssatz wäre für alle teilnehmenden Staaten gleich, die Euro-Krisenländer kämen zu günstigeren Konditionen an Geld. Im Gegensatz zu herkömmlichen Staatsanleihen müsste Deutschland allerdings wohl schlechtere Konditionen in Kauf nehmen.

Was spricht für Eurobonds?

Die Einführung von Eurobonds wäre für bedrängte Schuldenstaaten wie Griechenland, Irland, Portugal oder Italien eine sofort spürbare Entlastung. Pleitekandidaten stünden nicht mehr wie bisher weitgehend allein gegen die Macht der Finanzmärkte und die Ströme der Spekulanten: Mit Hilfe der Eurobonds könnten sie sich wieder zu moderaten Konditionen Kredite besorgen. Sie würden niedrigere Zinsen auf ihre Staatsschulden zahlen. Die Stärke der solideren Staaten im Hintergrund würde am Markt für Zutrauen sorgen.

Was spricht gegen Eurobonds?

Gegner der diskutierten Euro-Anleihen gehen davon aus, dass eine gemeinsame Haftung für Schulden ein tatkräftiges Sanieren und Sparen noch unattraktiver machen dürfte. Stark bedrängte Regierungen wie zum Beispiel in Athen könnten sich ermuntert fühlen, neue Schulden aufzunehmen, frei nach dem Motto "Die Reichen werden schon zahlen". So befürchtet etwa Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Einstieg in eine ungebremste Schuldenpolitik, wenn die regulierende Kraft des Marktes durch eine gemeinsame Kreditaufnahme der Währungsgemeinschaft ihre Wirkung verlöre.

Außerdem würden dann - so formulieren es die Eurobond-Gegner - deutsche Steuerzahler für die Schulden der Staaten mithaften, die zuvor über ihre Verhältnisse gelebt haben. Befürworter wie Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker versichern deshalb, parallel solle ein Anreizsystem für verschuldete Euroländer geschaffen werden, das strikte Haushaltsdisziplin belohne.

Anders als die Opposition sieht die Bundesregierung politische und rechtliche Probleme für eine Einführung von Eurobonds: Eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag für einen solchen Schritt gilt als sehr unsicher. Angesichts der vehementen Ablehnung gerade in der FDP müsste die Regierung auch mit einem möglichen Bruch der Koalition rechnen. Zudem ist unsicher, ob das Bundesverfassungsgericht einen solchen Schritt überhaupt genehmigen würde. Denn die nationale Ebene würde die Hoheit über die Finanzpolitik abgeben. Mehrere Bundestagsabgeordnete dürften umgehend gegen die Eurobonds klagen. Entscheidend dürfte die Frage sein, ob mit den Anleihen zwangsläufig auch das nationale Haushaltsrecht ausgehebelt oder zumindest eingeschränkt würde.

Welche Varianten stehen zur Debatte?

Eurobonds sind aber nicht gleich Eurobonds. Im Gespräch sind verschiedene Modelle, die auf unterschiedliche Weise Vorkehrungen gegen eine ungezügelte Neuverschuldung treffen. Befürworter verweisen außerdem darauf, dass Eurobonds im Ansatz bereits existieren, sogar in zweifacher Form. Zum einen beteiligt sich die EU-Kommission mit 60 Mrd. Euro aus dem vergemeinschafteten EU-Haushalt an den Hilfspaketen für überschuldete Euro-Länder. Zum anderen nimmt der provisorische Euro-Rettungsschirm EFSF Kredite auf, die er an angeschlagene Staaten weitergibt. Zwar sind die dafür notwendigen Kreditgarantien national gesplittet - Deutschland kann seinen Kreditanteil also günstiger finanzieren. Aber der EFSF gilt Befürwortern zumindest als Vorform von Eurobonds. Gegner betonen die Unterschiede: Die Hilfen sind gedeckelt, nur für den Notfall gedacht und nur nach einstimmigen Beschlüssen abrufbar.

Denkbar wäre, dass alle 17 Euro-Staaten ihre Staatsanleihen künftig im Rahmen von sogenannten "vollen Eurobonds" gemeinsam und auf Dauer ausgeben. Dies würde die Risikozuschläge für überschuldete Länder mit einem Schlag beseitigen, weil Investoren dann dem gemeinsamen Währungsraum Kredite gäben. Umstritten ist, ob die Refinanzierungskosten für Deutschland steigen würden: Einerseits übernimmt das Land Risiken hoch verschuldeter Staaten. Andererseits könnte das hohe Volumen gemeinsamer Anleihen die Zinsen generell senken. Völlig ungeklärt ist, wer über die Höhe künftiger Kreditaufnahmen entscheiden soll - Finanzminister Wolfgang Schäuble betonte am Montag erneut, dass die Nationalstaaten zuvor ihre Finanzpolitik aufgeben müssten.

Was sind "gesplittete Eurobonds"?

Um den Zugriff auf die Vorteile der Eurobonds zu beschränken, schlagen Befürworter ein abgestuftes Modell vor: Danach würde die Refinanzierung eines Staates bis zu der im Stabilitätspakt erlaubten 60-Prozent-Grenze über Eurobonds geregelt. Darüber hinaus müssten die Euro-Staaten nationale Anleihen ausgeben.

Der Vorteil: Die Refinanzierungskosten für die Schuldenstaaten würden erheblich fallen, weil sie einen Großteil ihrer Haushaltslöcher mit billigeren Krediten decken könnten. Der Anreiz zur Reduzierung der Schulden bliebe aber - abgeschwächt - bestehen. Der Nachteil: Die Zweifel an der Schuldentragfähigkeit angeschlagener Staaten würden zwar nachlassen, aber nicht enden.

Was sind "bi- und multilaterale Eurobonds"?

Denkbar wäre auch, dass Deutschland und Frankreich am Kapitalmarkt gemeinsam vorangehen. Dadurch würde das Problem umgangen, dass Eurobonds für sehr unterschiedliche Staaten ausgegeben würden. Denkbar wären auch gemeinsame Anleihen weiterer "AAA"-Staaten. Der Vorteil: Die Refinanzierungskosten Deutschlands würden mit großer Wahrscheinlichkeit sogar sinken, Länder wie Frankreich müssten nicht mehr um ihre Topnote bangen, die Staaten könnten sich wohl relativ problemlos auf künftige Kreditlinien verständigen.

Der Nachteil: Die Kluft zwischen den finanzstarken und den finanzschwachen Euro-Ländern würde immer größer. Für Italien oder Spanien drohen die Risikozuschläge durch eine solche Spaltung der Euro-Zone sogar noch zu steigen.

Wer ist dafür, wer dagegen?

Im Streit um Eurobonds verlaufen die Fronten quer durch Europa. In Deutschland standen sich bislang Eurobond-Gegner aus dem Lager der schwarz-gelben Regierungskoalition den Befürwortern aus dem Lager der rot-grünen Opposition gegenüber. Auf europäischer Ebene drängen vor allem finanzschwache Staaten in Richtung Eurobonds. Sie würden am stärksten profitieren. Länder mit der Topnote "AAA" lehnen eine Einführung dagegen ab. Sie würden nach den Worten der Eurobonds-Gegner "draufzahlen". Befürchtet wird der Einstieg in die sogenannte Transferunion.

In Brüssel hat sich neben Juncker auch EU-Währungskommissar Olli Rehn für Eurobonds ausgesprochen. Die führenden Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland sind uneins. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger beispielsweise ist für diese Lösung, Ifo-Chefvolkswirt Kai Carstensen spricht von einer "hanebüchenen Idee". Bundeswirtschaftsminister und FDP-Politiker Philipp Rösler hatte zuletzt seine Warnung bekräftigt: Für Deutschland würde eine gemeinsame Euroanleihe höhere Zinsen bedeuten und damit zulasten des Steuerzahlers gehen, sagte er dem "Handelsblatt". Die Folgen einer Transferunion mit Euro-Bonds sind unter Wissenschaftlern umstritten. Ifo-Chef Carstensen kalkuliert laut "Welt am Sonntag", dass Deutschland mit seiner jetzigen Finanzierungsstruktur einen deutlichen Zinsaufschlag von 2,3 Prozentpunkten zahlen müsste. Unter dem Strich würde dies jährliche Mehrkosten von etwa 47 Mrd. Euro bedeuten.

Die neuen Eurobonds müssten wohl von einer europäischen Schuldenagentur angeboten werden - die noch erfunden und gegründet werden müsste. Die Einführung würde zudem eine Änderung des entsprechenden europäischen Vertragswerks erfordern. Solche Vertragsänderungen mit Referenden in einigen Ländern dauern erfahrungsgemäß Jahre. Zudem müssten alle Mitgliedsländer eine solche Initiative mittragen. Widerstände dürften aber nicht nur aus Deutschland kommen, sondern auch von anderen Ländern, etwa Österreich oder Finnland.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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