Die Angst vor dem Währungskrieg Schäuble redet Tokio ins Gewissen
12.05.2013, 11:54 Uhr
Streit ohne Gesichtsverlust: "Natürlich haben wir mit Japan, unseren japanischen Kollegen, besonders intensiv diskutiert."
(Foto: REUTERS)
Diplomatisch notdürftig verhüllt schildert der Bundesfinanzminister nach dem G7-Treffen in Aylesbury, wie scharf er und seine Kollegen mit der japanischen Krisenpolitik ins Gericht gehen. Der Yen rutscht immer weiter ab. Europa ist mittlerweile, so Schäuble, längst nicht mehr der größte Krisenherd.
Die Schuldenkrise in Europa ist nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nicht mehr das größte Risiko für die Weltwirtschaft. "Die Eurozone ist nicht mehr eine wesentliche Ursache für globale Besorgnis", sagte Schäuble zum Abschluss des G7-Finanzministertreffens nahe dem südenglischen Aylesbury.
Bei den Beratungen der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben großen westlichen Industrieländer (G7) habe keiner auf der Anklagebank gesessen - selbst Japan nicht, dass international wegen seiner ultra-lockeren Geld- und Fiskalpolitik, die den Yen zuletzt massiv hatte fallen lassen, kritisiert wird.
Auch gegen Deutschland seien bei dem Treffen keine Vorwürfe wegen einer übertriebenen Sparpolitik laut geworden, sagte Schäuble. "Alle sind sich einig gewesen, dass wir niemals nur eine Austeritätspolitik betrieben haben, sondern dass wir immer eine Politik für nachhaltiges Wachstum betrieben haben, die nachhaltige Finanzen voraussetzt." Einzelnen Länder hätten Raum für eigene Schwerpunkte. "Dass das situationsbezogen und mitgliedsstaatenbezogen zum Teil unterschiedliche Lösungen erfordert, war klar", sagte der Finanzminister.
Industriestaaten im Währungskrieg?
Dass die Regierung in Tokio mit ihren energischen Konjunkturmaßnahmen durchaus auf Gegenwind stößt, ließ der deutsche Finanzminister nur zwischen den Zeilen durchblicken. "Natürlich haben wir mit Japan, unseren japanischen Kollegen, besonders intensiv diskutiert", erklärte Schäuble mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen an den Devisenmärkten. "Die Japaner haben auch gesagt, dass sie sorgfältig beobachten." Und er ergänzte: "Wir haben ihnen gesagt, dass es Auswirkungen gibt, die man jetzt schon beobachten kann."
Ein fallender Yen verschafft der japanischen Exportindustrie Vorteile im internationalen Wettbewerb. Ökonomen sehen die Industriestaaten schon jetzt in einer Art Abwertungswettlauf. Einzelne Beobachter sprechen von einem regelrechten "Währungskrieg". Dauerhafte Wettbewerbsnachteile durch massive Einflussnahme auf das Währungsgefüge dürfte auch die deutsche Wirtschaft über kurz oder lang beeinträchtigen, sind sich Experten sicher.
Eigentümer, Gläubiger, Steuerzahler
Eine wichtige Rolle habe bei dem G7-Treffen gespielt, so Schäuble weiter, eine Lösung zur Abwicklung notleidender Großbanken zu finden, bei der der Steuerzahler weitgehend geschont werde. Es komme darauf an, eine klare Haftungshierarchie zu vereinbaren, bei der zunächst Eigentümer, Gläubiger und auch die Bankenbranche über einen Fonds zur Kasse gebeten werden und erst ganz als letztes die Steuerzahler. Darum gehe es in der Debatte innerhalb der G7.
Sorge äußerte Schäuble wegen der von den Notenbanken verursachten Geldschwemme, die erhebliche Risiken beinhalte. "Insbesondere die Finanzminister haben die Notenbankgouverneure schon darauf hingewiesen, dass wir schon zunehmend Sorgen haben, dass wir relativ viel Liquidität in den Finanzmärkten haben", sagte der Minister. Dies könne neue Probleme verursachen.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte vor einer zu langen expansiven Geldpolitik mit niedrigen Zinsen: "Je länger sie andauert, je stärker steigen die Stabilitätsrisiken, die sie mit sich bringt." Generell könne die Geldpolitik nicht Strukturprobleme in den Ländern und ihren Volkswirtschaften lösen. In dieselbe Kerbe schlug zuvor auch Jürgen Fitschen, Co-Chef der Deutschen Bank und Präsident des Bankenverbands BdB: "Alle aber sind sich einig: Die Zinsen können dauerhaft nicht so bleiben, weil sonst die nächsten Verwerfungen die Folge sind."
Für Steuersünder wird es eng
Viel Zustimmung gebe es in der G7 für Initiativen, Steuerflucht und Steuervermeidung zu vermeiden, erläuterte Schäuble weiter. "Wir haben auch verabredet .... dass wir in der OECD gemeinsam darauf drängen", sagte er mit Blick auf den automatischen Informationsaustausch über alle Kapitalerträge, nicht nur einen Austausch auf Ersuchen. "Außerdem haben wir erneut viel Unterstützung erfahren (...) für unsere europäische Initiative gegen die Steuervermeidung."
Kritisch äußerte sich Schäuble einem Magazinbericht zufolge zu Gedankenspielen der Europäischen Zentralbank (EZB): Schäuble habe Überlegungen der EZB, Euro-Krisenstaaten durch den Kauf von verbrieften Darlehen zu entlasten, als "verdeckte Staatsfinanzierung" bezeichnet, berichtete der "Spiegel" am Wochenende. Ein solches Vorhaben verstoße gegen die europäischen Verträge, habe der Minister am vergangenen Mittwoch beim Koalitionsfrühstück von CDU und CSU nach Angaben von Teilnehmern gesagt.
Klare Absage beim Frühstück
Unter Berufung auf Notenbankkreise hatten verschiedene Medien vergangene Woche berichtet, dass die EZB unter ihrem Chef Mario Draghi den Kauf verbriefter Kredite prüfe. Ein Schäuble-Sprecher hatte jedoch bereits Anfang der Woche betont, ihm sei von Überlegungen nichts bekannt, wonach Draghi ausfallgefährdete Unternehmenskredite kaufen wolle.
Die EZB darf laut ihres Mandats Verbriefungen (Asset-Backed Securities, kurz ABS) durchaus am Finanzmarkt erwerben. Der deutsche EZB-Direktor Jörg Asmussen sagte vor kurzem in Brüssel, die EZB sei grundsätzlich offen für alle Optionen innerhalb ihres Mandats, die helfen könnten, den Kreditfluss zu beleben.
Draghi hatte erklärt, dass mit verschiedenen europäischen Institutionen darüber beraten werde, wie der Markt für forderungsgesicherte Wertpapiere angeschoben werden könne. Bereits zuvor hatte EZB-Direktor Yves Mersch diese Option in einem Gastbeitrag für die "Financial Times" in die Diskussion gebracht. Über ABS-Konstruktionen können Kreditinstitute ihre mit Sicherheiten wie Immobilien versehenen Unternehmenskredite zu Paketen schnüren und am Finanzmarkt verkaufen.
Quelle: ntv.de, mmo/rts