Wirtschaft

Aktienmärkte enttäuschen Schwellenländer verlieren Glanz

Die Aktienmärkte in Schwellenländern verliert an Attraktivität. Zahlreiche Fondsmanager schichten die Portfolios um und entdecken ihre alte Liebe wieder: die Börsen in den Industrieländern.

(Foto: REUTERS)

Nirgendwo wechseln die Trends so schnell wie an den Aktienmärkten. War das Thema "Schwellenländer" nach der Finanzkrise noch en vogue, gilt es bei Anlegern inzwischen als ziemlich antiquiert. Zahlreiche Fondsmanager schichten ihre Portfolios um und entdecken den Charme der Märkte in den Industrieländern wieder. Auf den Börsenparketts der Welt ist die Hitliste deshalb spätestens seit Jahresanfang mächtig durcheinandergeraten. Die neuen Töne haben viel zu tun mit einem alten Lied: Inflation.

"Die Schwellenländer werden 2011 überdurchschnittlich wachsen, aber auch der größte Inflationsherd sein", erklärt etwa Johanna Kyrklund, die bei der Fondsgesellschaft Schroders die Globale-Asset-Anlagen leitet. Über zwei bis drei Jahre hinweg sei in den Schwellenländern mit einem größeren Inflationsproblem zu rechnen, das auf die Industrieländer übergreifen werde. Entsprechend werde sie ihr Engagement in bestimmten Bereichen von Schwellenländer-Anlagen reduzieren.

Auch Aktienstratege Mikio Kumada von LGT Capital Management sieht die Industrieländer derzeit klar im Vorteil: "Unternehmen aus den entwickelten Industriestaaten schaffen es, auch bei moderatem Umsatzwachstum hohe Gewinnsteigerungen zu erzielen. Viele ihrer Schwellenländer-Rivalen hinken in der Produktivität zurück und setzen stattdessen weiter auf Preiswettbewerb und tiefe Margen bei hohem Umsatz- und Mengenwachstum. Ihre Gewinne wachsen langsamer als die Umsätze."

Indien hart getroffen

Die Analysten von Metzler rechnen angesichts der geringeren Attraktivität der Schwellenland-Märkte vor allem in der ersten Jahreshälfte mit Gegenwind für die dortigen Börsen. Schon jetzt ist der Favoritenwechsel an den länderübergreifenden Aktienindizes erkennbar. Während der MSCI-Index für die Industrieländer seit Jahresanfang rund 20 Prozent zulegte, hinkt das Barometer für die Schwellenländer, das 2010 um mehr als 16 Prozent gestiegen war, mit einem Plus von 12,5 Prozent hinterher. Für den MSCI-Index für die sogenannten BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China ging es sogar nur um vergleichsweise magere 5,6 Prozent aufwärts - in den vergangenen zwei Jahren hatte das Barometer seinen Wert noch mehr als verdoppelt.

Besonders deutlich zeigen internationale Fondsmanager dem indischen Aktienmarkt die kalte Schulter. Allein im Januar zogen sie 900 Mio. US-Dollar aus indischen Firmenaktien ab. Im vorigen Jahr wurde noch der Rekordwert von fast 30 Milliarden Dollar in den Markt des Subkontinents gepumpt. Kein Wunder, dass die Börse in Mumbai seit Jahresanfang rund acht Prozent eingebüßt hat.

Als Bumerang erweist sich für die Schwellenländer immer mehr ihr rasantes Wirtschaftswachstum. Denn damit sind auch die Preise für Lebensmittel und Rohstoffe deutlich gestiegen. In China und Indien betrug die Teuerungsrate Ende 2010 bereits 4,6 und 8,4 Prozent. Analysten rechnen mit einem weiteren Anstieg. Die möglichen Folgen einer aus dem Ruder laufenden Teuerung sind in Tunesien und Ägypten sichtbar, wo sich die Unruhen unter anderem an den immer höheren Nahrungsmittelpreisen entzündet haben. In China gebe es aus den gleichen Gründen immer wieder Revolten, erläuterten die Experten von Metzler.

Zinserhöhung als Bürde

Hinzu kommt, dass in Frankfurt, London oder Washington in diesem Jahr womöglich an der Zinsschraube gedreht wird - das könnte den Geldstrom aus dem Ausland nach Mumbai, Johannesburg oder Sao Paulo merklich verringern. Denn bisher haben viele Investoren das billige Geld, das sie etwa von der US-Notenbank Federal Reserve erhalten haben, direkt in Wachstumsmärkte wie Brasilien getragen. Damit könnte es vorbei sein, wenn die Zentralbanken der Industriestaaten all die Milliarden wieder einsammeln müssen, um im eigenen Land die Inflation im Zaum zu halten. Die Aussicht auf höhere Zinsen hat seit Ende Januar den Euro bereits kräftig angetrieben. Denn höhere Zinsen machen Anlagen in der jeweiligen Währung attraktiver. In Verbindung mit starken Aktienmärkten gibt es für viele Investoren daher immer weniger Gründe, ihr Geld an weit entfernte Handelsplätze zu tragen.

Die Erfolgsgesichte der Schwellenländer insgesamt ist deshalb noch lange nicht vorbei. Angesichts einer rasant wachsenden Mittelschicht, etwa in Indien oder Brasilien, sind die Aussichten für die dortige Binnennachfrage weiterhin hervorragend. Davon profitieren auch die Rohstoffmärkte, für die es weiter aufwärtsgehen dürfte. Zudem haben erste Emittenten wie Julius Bär Anleihen auf Schwellenländer mit Inflationsschutz aufgelegt, um die Folgen der dortigen Geldentwertung abzufedern.

Quelle: ntv.de, rts

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