Wirtschaft

Löscher dementiert Cromme-Gerüchte Siemens-Machtkampf sorgt für Ärger

Gerhard Cromme (l) und Peter Löscher: An den Gerüchten über Rücktrittsforderungen an Cromme ist nichts dran, betont Löscher.

Gerhard Cromme (l) und Peter Löscher: An den Gerüchten über Rücktrittsforderungen an Cromme ist nichts dran, betont Löscher.

(Foto: dpa)

Bei Siemens kehrt keine Ruhe ein. Nach dem angekündigten Aus für Konzernchef Löscher regt sich der Unmut bei Investoren und Aufsichtsräten über die Umstände des Führungswechsels. Löscher dementiert derweil, an der Ablösung von Aufsichtsratschef Cromme zu arbeiten. Genau die würde aber manchem gerade Recht kommen.

Das Chaos um die Führungsspitze bei Siemens nimmt kein Ende. Nachdem am Wochenende von verschiedenen Seiten kolportiert worden war, dass Noch-Vorstandschef Peter Löscher seine Abberufung nicht kampflos hinnehmen würde, wies der nun Berichte zurück, wonach er im Gegenzug für sein Ausscheiden den Abgang von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme fordere.

"Es geht mir ausschließlich um das Wohl von Siemens und den 370.000 Siemensianern, die zu Recht stolz auf ihr Unternehmen sind", sagte Löscher der "Bild"-Zeitung. Die "Süddeutschen Zeitung" hatte zuvor berichtet, dass der Österreicher nur gehen will, wenn auch der Aufsichtsratsvorsitzende Cromme, dem Löscher intern ein infames Komplott gegen seine Person vorwerfe, gehe. Ansonsten wolle es der Vorstandschef auf eine Kampfabstimmung in dem Kontrollgremium ankommen lassen und versuchen, die notwendige Zweidrittelmehrheit für seine Abwahl zu verhindern, schreibt die Zeitung.

Selbst wenn es nicht zu einem Showdown kommen sollte – im Aufsichtsrat rumort es. Drei prominente Vertreter der Kapitalseite stören sich offenbar an der Weise, wie Löscher abserviert wird. Der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Allianz-Chef Michel Diekmann und die Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller sind einem Insider zufolge gegen eine Ablösung Löschers auf der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch. Sie bezeichnen das Verfahren der Absetzung als unwürdig für einen Weltkonzern, wie es im Umfeld des Unternehmens heißt. Die Rede ist von einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" oder gar von einem "Putsch" gegen Löscher.

Vom Siemens-Investor Union Investment kommt ebenfalls scharfe Kritik: "Machtkämpfe verschärfen die Probleme von Siemens unnötig", sagte Fondsmanager Ingo Speich dem "Wall Street Journal Deutschland". Die Kommunikationspolitik des Konzerns sei mehr als unglücklich gewesen, so Speich. Es sei "ein beispielloser Vorgang", dass ein Aufsichtsratsbeschluss von dieser Tragweite schon vorher vom Unternehmen in einer Pressemitteilung vorweggenommen werde. Die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken vertritt mehr als vier Millionen Siemens-Anleger und kontrolliert damit rund ein Prozent der Stimmrechte.

Die Mitglieder des Aufsichtsrats hatten sich in Krisensitzungen am Samstag mehrheitlich für eine Abberufung Löschers ausgesprochen. "Der Aufsichtsrat der Siemens AG wird in seiner Sitzung am 31. Juli 2013 über das vorzeitige Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden beschließen", teilte Siemens mit. Siemens hatte am Donnerstag überraschend die Rendite-Prognose für 2014 gekippt und sich damit den Zorn des Kapitalmarkts zugezogen. Spitzenmanager Löscher geriet wegen der  Gewinnwarnung und einer Reihe von vorangegangenen Misserfolgen stark unter Druck.

Übersteht Cromme den Führungswechsel?

Die jetzige Kritikwelle zeigt aber auch die wachsende Unzufriedenheit mit dem umstrittenen Gerhard Cromme, der Löscher 2007 zu Siemens holte und nun in der jüngsten Krise seinen Schützling fallen lässt. Der Aufsichtsratschef musste sich zuletzt vorwerfen lassen, er schaue den mitunter glücklos agierenden Siemens-Vorständen nicht genau genug auf die Finger. Bei ThyssenKrupp hatte Cromme erst im Frühjahr nach Milliardenverlusten, Kartellverfahren und Personalquerelen das Handtuch als Aufsichtsratschef geworfen.

Manche Branchenkenner halten einen echten Neuanfang für Siemens nur für möglich, wenn auch Cromme geht. So fordern Aktionärsschützer offen seinen Rücktritt: "Herr Cromme sollte den Übergang an der Siemens-Spitze noch gut steuern und dann seine eigene Nachfolgeregelung in die Hand nehmen", sagte die Sprecherin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Daniela Bergdolt gegenüber der "Welt". Die Nachfolgernamen kursieren auch schon länger: Josef Ackermann oder Linde-Chef Wolfgang Reitzle werden als passend für den Posten erachtet.

Börse feiert nur kurz

Siemens
Siemens 226,00

An der Börse wurde der möglichen Führungswechsel bei Siemens zum Wochenstart zunächst gefeiert. Die Aktie kletterte zum Start mit einem Plus von zwei Prozent an die Dax-Spitze, musste aber im Verlauf den Großteil der Gewinne wieder abgeben. Vorbörslich hatte der Titel gar ein Plus von 3,5 Prozent erreicht.

"Nach den zahlreichen Gewinnwarnungen ist der Markt schon davon ausgegangen, dass ein Wechsel an der Führungsspitze kommt", sagt ein Händler. Der von der Presse als Nachfolger gehandelte Finanzchef Joe Kaeser sei bei Analysten und Investoren als intimer Siemens-Kenner beliebt und werde gerne als Vorstandschef gesehen, fügt ein Analyst hinzu. Dass das Gewinnziel im Jahr 2014 nun um mehr als eine Milliarde Euro verfehlt werden dürfte, bewegt die Börsianer allerdings nicht. "Das ist nur die Hochrechnung aus der gekappten Marge von letzter Woche und keine neue Information." Allerdings wirke die Margenwarnung von letzter Woche übergeordnet nach, fügte ein Händler hinzu. "Größere Investoren wie Fonds nutzen dann Gewinne, um ihre Positionen weiter abzubauen".

Wer bringt Siemens wieder nach vorne?

Klar ist zudem: Joe Kaeser wäre nur ein Übergangschef für Siemens. "Der Markt weiß auch, dass er ein Finanzmann ist und nicht der visionäre Stratege, den Siemens jetzt braucht, um das Unternehmen operativ nach vorne zu bringen", meint ein Händler. "Ein neuer Chef allein löst ja die Probleme noch nicht", stimmt ein anderer zu. "Es gibt bei Siemens jede Menge Baustellen zu bearbeiten - angefangen von den ICE-Zügen bis hin zum Solargeschäft." Größere Sprünge dürfte die Aktie also erst machen, wenn ein externer Branchen-Fachmann das Ruder übernähme.

Dabei gebe es noch einen internen Fachmann, der ebenfalls gerne den Vorstandsposten einnehmen würde: Industrievorstand Siegried Russwurm. Dass der Manager seinen Vorstandskollegen Kaeser auf der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch das Feld kampflos überlässt, gilt als sehr unwahrscheinlich.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ über ihren Sprecher ausrichten, sie hoffe auf ruhigere Zeiten bei dem Flaggschiff der deutschen Wirtschaft. Könnte sein, dass es noch dauert, bis sich ihr Wunsch erfüllt.

Quelle: ntv.de, sla/rts/DJ/dpa

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