Wirtschaft

Drohende Führungskrise im Aufsichtsrat Siemens sucht Nachfolger für Cromme

Nach dem Streit um den Abgang von Siemens-Chef Löscher ist Chefkontrolleur Cromme angeschlagen.

Nach dem Streit um den Abgang von Siemens-Chef Löscher ist Chefkontrolleur Cromme angeschlagen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Laut Medienberichten sucht Siemens bereits diskret nach einem Nachfolger für den umstrittenen Chefkontrolleur Gerhard Cromme – obwohl sein Vertrag noch fünf Jahre läuft. Und auch für seinen frisch zurückgetretenen Stellvertreter Josef Ackermann muss schleunigst Ersatz her – sonst droht eine Führungskrise.

Siemens
Siemens 226,00

Der Aufsichtsrat des Elektronikkonzerns Siemens sucht laut einem Zeitungsbericht nach einem Nachfolger für Chefaufseher Gerhard Cromme. Obwohl dessen Amtszeit erst 2017 endet, sehen sich einzelne Kontrolleure nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) bereits nach einem neuen Aufsichtsratschef für Siemens um. Demnach machen sie Cromme für die Turbulenzen um den Ausstieg von Vorstandschef Peter Löscher verantwortlich, der jüngst durch Finanzchef Joe Kaeser ersetzt wurde. Aktionäre hatten bereits auf der vergangenen Hauptversammlung Crommes Rückzug gefordert.

"Das ist keine Führung", zitierte die SZ nun auch einen Aufseher mit Kritik an Cromme. Das Einzige, was den Aufsichtsratsvorsitzenden derzeit rette, sei ein Mangel an Alternativen. Der könne die Suche noch weiter in die Länge ziehen. So sei etwa der Noch-Linde-Chef Wolfgang Reitzle, der im Mai 2014 als Konzernchef ausscheiden wird, laut Eingeweihten nicht gebeten worden, in den Siemens-Aufsichtsrat einzuziehen. "Es wird ihn auch niemand fragen", betonte ein Insider gegenüber der "SZ". Einzig Cromme könne Reitzle in das Aufsichtsgremium holen - doch der habe kein Interesse an einem solchen Schritt, weil dieser seine eigene Position schwächen könne. Auch die Arbeitnehmer sind dem Bericht zufolge gegen Reitzle.

Aufsichtsrat droht Führungskrise

Verschärft wird der drohende Konflikt durch eine weitere hochbrisante Personalie: Am Donnerstag hatte Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann angekündigt, den Siemens-Aufsichtsrat verlassen zu wollen. Wann Ackermann ausscheidet, ist noch unklar. Doch weil Ackermann zugleich Crommes Stellvertreter ist, droht durch die Personalsuche womöglich eine Führungskrise: Cromme ist angeschlagen, Ackermann im Abgang befindlich. Wer die Zügel bei Deutschlands größten Industriekonzern künftig in der Hand halten soll, ist damit unklar.

Zudem ist offen, ob ein Crommes neuer Stellvertreter ein bisheriges Mitglied des Aufsichtsrats werden wird. Oder ob der Neuling auch gleich Cromme beerben soll. Von den amtierenden Aufsehern der Kapitalseite drängt sich kaum ein Kandidat auf. Gehandelt werden allenfalls der frühere Bayer-Chef Werner Wenning oder der Vertreter der Siemens-Familie Gerd von Brandenstein. Wenning wurde allerdings erst im Januar gewählt, der 71-jährige Brandenstein gilt vielen als zu alt.

Kein Kandidat in Sicht

Auch die Suche nach Ackermanns Nachfolger dürfte knifflig werden. Zwar ist die Stelle mit gut 140.000 Euro gut dotiert. Doch im Zuge der Ablösung von Siemens-Chef Peter Löscher zertritt sich der Aufsichtsrat der Münchner. Chefkontrolleur Cromme brachte mit seinen Plänen für die ruckartige Absetzung seines einstigen Schützlings Teile des Aufsichtsrats gegen sich auf. Neben Ackermann störten sich auch Allianz-Chef Michael Diekmann und Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller an dem Vorgehen.

Diekmann und Leibinger-Kammüller hüllen sich nun in Schweigen. Als potentielle Chefkontrolleure dürften sie ohnehin wegen ihrer Meinungsverschiedenheiten mit Cromme und wegen der Belastung durch ihren Hauptjob nicht in Frage kommen. Die Arbeitnehmervertreter sind erleichtert über Ackermanns Rückzug, wiesen sie den ungeliebten Banker doch beim Streit um Löschers Ablösung in die Schranken. Im Präsidium des Aufsichtsrates sind sie mit IG-Metall-Chef Berthold Huber und Betriebsratschef Lothar Adler vertreten, die Kapitalseite mit Cromme und bisher Ackermann.

Löst die Siemens-Familie das Führungschaos?

Mehrere Kleinanleger fanden auch Gefallen an dem Gedanken, seit langer Zeit wieder einen Vertreter der Siemens-Familie an der Spitze des Rates zu sehen. Für diese Aufgabe könnte sich Nathalie von Siemens auf einem normalen Aufseherposten warmlaufen. Die 42-Jährige ist derzeit Chefin der Siemens-Stiftung und hat ein paar Jahre auf verschiedenen Konzernposten hinter sich. Zudem würde die promovierte Philosophin die Frauenquote im Aufsichtsrat, die derzeit bei einem Viertel liegt, weiter nach oben treiben.

Mit ihrer Berufung würden allerdings zwei Familienvertreter mit über die Geschicke des Hauses bestimmen, was vor allem Großaktionären zu viel sein dürfte. Die ersten Manager, die potenziell in Frage kommen, winken bereits ab. Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger ließ ausrichten, er habe keine Zeit.

Der 70-jährige Cromme hatte zuletzt vor allem in Deutschland weitgehend unbekannte Ausländer in das Gremium gelotst. Suez-Chef Gerard Mestrallet und Güler Sabanci von der gleichnamigen türkischen Industrieholding traten ihr Amt im Januar an. So halten es Experten für möglich, dass er auch dieses Mal einen Kandidaten präsentiert, den zuvor niemand auf der Rechnung hatte.

Quelle: ntv.de, hvg/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen