Milliardenzocker bleibt in Italien Skandalbanker Kerviel lehnt Haftantritt ab
18.05.2014, 15:37 Uhr
Kerviel sorgt in der italienischen Grenzstadt Ventimiglia für geballte Medienpräsenz.
(Foto: REUTERS)
Er verspekuliert Milliarden, wird zu einer Haftstrafe verurteilt und sieht sich als Sündenbock. Ex-Börsenhändler Kerviel weigert sich, ins Gefängnis zu gehen. Zuerst solle Präsident Hollande ihm zuhören. Doch der hat dafür keine Zeit.
Der als Milliardenzocker verurteilte französische Ex-Börsenhändler Jérôme Kerviel will seine Gefängnisstrafe in Frankreich vorerst nicht antreten. Der 37-Jährige hat nach einem monatelangen Fußmarsch von Rom in Richtung Paris in der italienischen Grenzstadt Ventimiglia haltgemacht. In Frankreich muss er für drei Jahre ins Gefängnis.
Er möchte zuerst den französischen Präsidenten François Hollande über die schwerwiegenden Fehler und Pannen seines Gerichtsverfahrens informieren, sagte Kerviel im französischen Rundfunk. Er wolle auch einen Zeugenschutz für Personen erreichen, die über diese Pannen reden wollten, sagte er. Kerviel hatte bis Sonntagabend Zeit bekommen, um sich bei der Polizei in Menton zu melden. Die Staatsanwaltschaft drohte Kerviel mit einem europäischen Haftbefehl, sollte er sich nicht bis Mitternacht stellen.
Kerviel hatte die Großbank Société Générale im Jahr 2008 mit gefährlichen Geldgeschäften fast in den Ruin getrieben. Er spekulierte eigenmächtig mit dutzenden Milliarden Euro auf hochriskanten Märkten und vertuschte die Transaktionen, ohne sich dabei aber selbst zu bereichern. Der von ihm verursachte Schaden soll sich auf knapp fünf Milliarden Euro belaufen.
Im März wurde Kerviel in letzter Instanz zu fünf Jahren Haft verurteilt, davon zwei auf Bewährung. Über einen zusätzlichen Schadenersatz soll vor einem Berufungsgericht verhandelt werden.
Priester droht mit Hungerstreik
Kerviel, der sich seit zwei Monaten auf Wanderung von Rom nach Paris befindet, fühlt sich von der französischen Justiz ungerecht behandelt. Er glaubt, als Sündenbock herhalten zu müssen, obwohl seine Vorgesetzten für die Milliardenverluste mindestens ebenso verantwortlich seien.
Der 27-Jährige verlangt nun von Hollande, sich in den Fall einzuschalten und möglichen Entlastungszeugen Straffreiheit zu gewähren. Ein Gnadengesuch will er nach eigenen Angaben nicht stellen. Hollandes Büro erklärte dazu lediglich, der Präsident respektiere die Entscheidungen der Gerichte. Ein Treffen mit Kerviel oder seinen Anwälten stehe nicht "auf dem Terminplan".
Hinter Kerviel steht inzwischen ein Bündnis aus prominenten Anhängern der französischen Linken und der katholischen Kirche. Sie halten den 37-Jährigen ebenfalls für einen Sündenbock und finden es unfair, dass er in Haft soll, noch bevor über die Frage des Schadenersatzes und damit auch über die Verantwortung der Bank entschieden worden sei. Einer seiner Unterstützer und Mitpilger, der Priester Patrice Gourrier, drohte mit Hungerstreik, bis Kerviels Strafe ausgesetzt werde.
Quelle: ntv.de, jga/AFP/dpa