Der nächste Rettungskandidat? Slowenien droht zu versinken
10.04.2013, 12:11 Uhr
Ist das kleine Alpen-Adria-Land Slowenien ein neuer Kandidat für den Euro-Rettungsschirm? Die Meinungen gehen auseinander.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Euroland Slowenien spürt den heißen Atem der Finanzmärkte im Nacken. Die Schuldenmisere droht außer Kontrolle zu geraten. Das sehen nicht nur OECD und EU so. Auch in der Regierungskoalition fragt man sich offen, ob das Land dem Druck der Finanzmärkte standhalten wird. Slowenische Bonds rentieren nahe ihres Rekordhochs.
Bei einer Verschlechterung der Marktbedingungen wird wohl auch das krisengeschüttelte Slowenien unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen müssen. Das räumte Igor Luksic, Präsident der Sozialdemokraten, der zweitgrößten Partei in der drei Wochen alten Regierungskoalition im Reuters-Interview ein: "Es ist immer möglich, aber nicht unsere erste Option. Ich habe Angst vor einem organisierten Druck der Finanzmärkte, dem wir nicht standhalten können".
Noch habe Slowenien Luft, ein Rettungsmanöver vermeiden. "Wir haben zwei Milliarden Euro an Reserven, die freigesetzt werden können", ergänzte er mit Blick auf die Bestände der Zentralbank. Bis September verfüge Slowenien somit über ausreichende Finanzmittel. Die Regierung wolle jetzt so schnell wie möglich Anleihen begeben. Allein, die Zinsen am Rentenmarkt, die der Staat für die Kreditaufnahme zahlen muss, sind derzeit alles andere als verlockend.
Slowenien droht immer tiefer in die Schuldenkrise zu geraten. Die OECD warnte das Euroland bereits vor den höheren Kosten zur Sanierung des angeschlagenen Bankensektors. Die Regierung könnte den Finanzbedarf dazu deutlich zu niedrig angesetzt haben, befürchtete die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Doch trotz der bedrohlichen Schieflage der Banken ist Slowenien nach Ansicht der OECD derzeit kein "heißer" Anwärter auf den Euro-Rettungsschirm.
OECD: "Kein unmittelbarer Hilfsbedarf"
"Die Regierung dieses Landes hat es bislang geschafft, ihren Finanzbedarf ohne Schwierigkeiten zu decken", beschwichtigte OECD-Vizechef Yves Leterme in der Hauptstadt Ljubljana. Das sei zwar nur zu relativ hohen Kosten gelungen. Ein "unmittelbarer Bedarf" für Rettungshilfen sei aber deshalb nicht abzusehen. Gleichzeitig beurteilt die OECD die wirtschaftlichen Aussichten des Landes jedoch äußerst düster.
Die EU-Kommission forderte eine sofortige Korrektur des wirtschaftspolitischen Kurses, nicht nur von Slowenien, sondern auch von Spanien. Beide Euro-Staaten wiesen exzessive wirtschaftliche Fehlentwicklungen auf - so stark wie in keinem anderen EU-Land. Sie müssten daher dringend gegensteuern, teilte EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn als Ergebnis einer Untersuchung von 13 EU-Staaten mit. In Slowenien habe sich die Lage verschlimmert und das Risiko für den Bankensektor sei hoch.
EU: "Slowenien muss umsteuern"
Bereits Anfang der Woche hatte die Kommission vor dem Hintergrund einer drohenden schweren Banken- und Finanzkrise zu raschen politischen Reformen und Einsparungen im Haushalt aufgefordert. "Wir brauchen sofortige, rasche Maßnahmen zur Verhinderung einer Krise in der Zukunft", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel nach einem Gespräch mit der slowenischen Regierungschefin Alenka Bratusek. "Und wir brauchen auch eine schnelle Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die das nachhaltige Wachstum nicht behindert."
Barroso sieht Slowenien vor der schwierigen Aufgabe, Reformen durchzusetzen und zugleich einen nationalen Konsens über diese Reformen herzustellen. Er sei aber zuversichtlich, dass Slowenien der Herausforderung gewachsen sein werde. Die seit März amtierende Bratusek betonte, ihr Land werde die Probleme alleine lösen. "Unsere Priorität ist es, das Bankensystem zu stabilisieren. Daran arbeiten wir Tag und Nacht", sagte sie in Brüssel.
Sloweniens Rendite knapp unter Rekordhoch
Die zunehmend prekäre Situation Sloweniens lässt sich am Bondmarkt ablesen. Slowenische Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren werden zuletzt mit einer Rendite von knapp unter sechs Prozent gehandelt. Das ist nur etwas weniger als das Ende März erreichte Rekordhoch von 6,31 Prozent. Zum Vergleich: Zehnjährige deutsche Bundesanleihen, die aufgrund ihrer hohen Sicherheit als Gradmesser gelten, kommen derzeit nur auf eine Rendite von 1,29 Prozent. Das macht die für Slowenien dringend nötige Geldaufnahme am Kapitalmarkt sehr teuer.
Die Prämien für sogenannte Kreditausfallversicherungen halten sich für Slowenien ebenfalls in der Nähe ihrer kürzlich erreichten Höchststände. Bei diesen Prämien liegt das Land im Euroraum hinter Zypern und Portugal an dritter Stelle.
Eine Besserung der Wirtschaftslage ist nicht in Sicht. Die OECD sieht Slowenien auch dieses Jahr in der Rezession: Die Wirtschaftsleistung soll um 2,1 Prozent schrumpfen. Zugleich sagt sie dem Land eine rasant steigende Staatsverschuldung voraus. Die Schuldenstandsquote dürfte von 47 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2025 auf 100 Prozent der Wirtschaftsleistung anschwellen, sollte sich die Regierung nicht zu neuen Reformen durchringen.
Die neue Regierungskoalition Sloweniens wird geführt von Bratuseks Linkspartei Positives Slowenien (PS), den Sozialdemokraten (SD), den Liberalen (DL) und der Rentnerpartei.
Quelle: ntv.de, ddi/rts/dpa