Wirtschaft

Brennende Fragen aus Athen So läuft die Griechenland-Hilfe

Griechenland bricht ein Tabu: Erstmals bittet ein Mitglied der Euro-Zone um Unterstützung von außen. Gerettet ist das Land damit noch lange nicht. Der Fahrplan zur Rettung Griechenlands.

Bei der Bundesregierung stoßen die versprochenen Milliardenhilfen auf wenig Gegenliebe.

Bei der Bundesregierung stoßen die versprochenen Milliardenhilfen auf wenig Gegenliebe.

(Foto: REUTERS)

Die Regierung in Athen hat Finanzhilfen bei der Europäischen Union und beim Internationalen Währungsfonds (IWF) beantragt. Der Schritt ist historisch bislang beispiellos: Erstmals in der Geschichte der europäischen Währungsunion muss ein Mitgliedsland mit Milliardenhilfen vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt werden.

Warum so eilig?

Die Kosten für die Schuldenaufnahme des griechischen Staates waren zuletzt unter dem Eindruck der mehrmals nach oben korrigierten Staatsverschuldung und der anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes rapide angestiegen. Weil die zusätzlichen Ausgaben für stark verteuerte Kredite die Zahlungsfähigkeit des Landes bedrohten, sah sich die Regierung in Athen schneller als erwartet gezwungen, die zugesagten Hilfen schneller in Anspruch zu nehmen. Etwaige Hoffnungen, allein schon generelle Hilfszusage könnten als Signal zu einer Entspannung der Lage an den Finanzmärkten beitragen, hatten sich damit zerschlagen.

Wie geht es jetzt weiter?

Nachdem Griechenland den finanziellen Ernstfall ausgerufen hat, sind nun die Europäische Zentralbank (EZB), der IWF und die EU-Kommission am Zug. Sie müssen die Hilfen für Griechenland befürworten. Danach müssen die Finanzminister der 16 Euro-Länder einen einstimmigen Beschluss fassen. Möglich ist, dass die Staats- und Regierungschefs die Entscheidung an sich ziehen. Dieser mehrstufige Entscheidungsprozess geht auf den ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung zurück. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble hatten in den Verhandlungen mit ihren Amtskollegen auf dieses Verfahren bestanden.

Die EU-Kommission hat zugesagt, dass Athener Hilfsgesuch schnellstmöglich zu prüfen. Auch der IWF will sich beeilen: IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sicherte den Griechen zu, rasch reagieren zu wollen. Deutschland dagegen sperrt sich: Eine Entscheidung könne erst fallen, wenn das dreijährige IWF-Programm stehe. Zudem müssten die beteiligten Instanzen IWF, EU-Kommission und EZB formell feststellen, dass ein Hilfsprogramm für Griechenland tatsächlich notwendig sei, um die Stabilität des Euro zu gewährleisten.

Um welche Summen geht es?

Im Falle Griechenlands hatten sich die Staats- und Regierungschefs der EU Ende März auf eine kombinierte Hilfe des IWF und der Euro-Länder geeinigt, falls Griechenland Schwierigkeiten an den internationalen Finanzmärkten bekommen sollte.

Das Hilfspaket der Europäer hat nach Angaben von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle in drei Jahren ein Volumen von 135 Mrd. Euro. Die jährliche Belastung für Deutschland liege aktuell bei 8,4 Mrd. Euro. Die Risiken könnten aber weit größer sein: "Ich kann nicht ausschließen, dass es ein höherer Betrag wird", sagte Brüderle.

Können Kredite helfen?

Ja, aber das wird womöglich nicht ausreichen. Allein bis Ende 2015 muss das Land nach Angaben der griechischen Schuldenagentur gut 140 Mrd. Euro für fällige Staatsanleihen auftreiben. "Das ist ein Fass ohne Boden", sagt die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen- Thüringen (Helaba), Gertrud Traud. Wenn Sparmaßnahmen und Überbrückungskredit nicht reichen, müsse umgeschuldet werden. Eine perfekte Lösung gebe es nicht: "Es geht nur um die Frage, wer in welchem Umfang die Kosten für die Misere trägt."

Was spricht für eine Umschuldung?

Bei einer Umschuldung müssten die Gläubiger auf Teile ihrer Forderungen verzichten: Die Schulden würden später abbezahlt und dies zu niedrigeren Zinsen. Griechenlands Schuldenlast würde sinken, wodurch die Refinanzierung wieder günstiger werden könnte.

Welche Gefahren birgt dies für Griechenland?

Die Umschuldung könnte das letzte Vertrauen der Märkte noch mehr erschüttern. In diesem Fall bekäme Athen - so wie einst Argentinien - gar keine Kredite mehr.

Und für Deutschland?

Die Umschuldung würde auch deutsche Banken treffen, die mehr als 30 Mrd. Euro an Griechenland ausgeliehen haben. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle warnt: "Wenn davon große Teile abgeschrieben werden müssten, würden Banken bei der Kreditvergabe noch restriktiver. Und das wäre wiederum Gift für den beginnenden Aufschwung und die deutsche Wirtschaft."

Andere Beobachter weisen daraufhin, dass zu den Gläubigerbanken in Deutschland vor allem auch der verstaatlichte Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) und die teilverstaatlichte Commerzbank gehören. Wenn diese große Summen abschreiben müssten, würde sich ihre prekäre Lage weiter verschärfen - der Staat und damit der Steuerzahler müssten möglicherweise die Institute stützen.

Ist mit Auswirkungen auf den Euro zu rechnen?

Eine Umschuldung ist auch für das gesamte Euro-System gefährlich, betont Traud: "Wenn Griechenland umschuldet, droht ein Domino- Effekt." Denn dann würden viele Anleger ihre Bonds verkaufen, weil sie fürchten, dass auch Länder wie Portugal diesen Weg gehen. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen dieser Länder würden steigen, der Wert des Euro massiv sinken.

Kann Berlin die Hilfe blockieren?

Ja. Nicht anders als jede andere Regierung in den Mitgliedsstaaten verfügt die Bundesrepublik über ein Vetorecht. Auch darauf hat Deutschland in den Verhandlungen mit der EU bestanden. Grund dafür ist, dass eine deutsche Beteiligung aus verfassungsrechtlichen Gründen nur unter sehr strengen Bedingungen möglich ist. Hilfen sind nur dann erlaubt, wenn das Motiv dafür nicht in der Unterstützung Griechenlands liegt, sondern ausschließlich in der Abwehr von Gefahren für die Stabilität des Euro.

Wieviel zahlt Deutschland?

Der Anteil der einzelnen Länder richtet sich nach ihrer Beteiligung am Kapital der Europäischen Zentralbank. Auf Deutschland können in diesem Jahr bis zu 8,4 Mrd. Euro entfallen. Geplant ist, dass der Bund einen Hilfskredit der staatseigenen KfW-Bank von bis zu 8,4 Mrd. Euro in diesem Jahr mit einer Bürgschaft absichert.

Spanien hat 3,6 Mrd. Euro angekündigt, die Niederlande 1,8 Mrd. Euro. Frankreich will grünes Licht für Kredite bis zu 6,3 Mrd. Euro bis spätestens 6. Mai geben. "Eine Entscheidung in der übernächsten Woche entspricht den Erwartungen, die ich auch habe", hatte Bundesfinanzminister Schäuble zunächst dazu festgestellt. Welche Summen Deutschland in den kommenden Jahren unter Umständen beisteuern muss, ist noch nicht abzusehen.

Welche Deadlines drohen?

Nach Angaben des griechischen Finanzministers Giorgos Papakonstantinou sollte die erste Tranche aus dem Hilfspaket bereits vor dem 19. Mai fließen. Dann benötigt die Regierung rund 8,5 Mrd. Euro an frischem Geld, um eine fällige Staatsanleihe zurückzuzahlen. Insgesamt summiert sich der Refinanzierungsbedarf des klammen EU-Staats innerhalb der nächsten zwölf Monate auf schätzungsweise 39 Mrd. Euro.

Das Finanzministerium in Berlin wies darauf hin, dass Griechenland bislang noch keine konkreten Sparvorschläge für die Jahre 2011 und 2012 vorgelegt habe. Die Regierung in Athen habe es selbst in der Hand, wie lange dies dauere, sagte Schäuble. In der Bundesregierung rechnet man ohnehin damit, dass Griechenland bis zur Hälfte der 8,5 Mrd. Euro weiter über die Kapitalmärkte aufnehmen und damit die bilateralen Kredite nicht voll ausschöpfen dürfte.

Was müssen die Griechen tun?

Um in den Genuss der kombinierten EU/IWF-Milliardenhilfe zu kommen, reicht das Absenden des Hilfsantrags nicht aus. "Es gibt keinen Automatismus", betonte Finanzminister Schäuble im Hinblick auf das weitere Vorgehen. Weder die EU noch die Bundesregierung hätten bisher eine Entscheidung getroffen. "Sie kann positiv wie negativ ausfallen", so Schäuble. "Es ist überhaupt gar nicht ausgemacht, dass Griechenland dann tatsächlich auch Hilfestellung in Europa bekommt", pflichtete ihm Bundesaußenminister Guido Westerwelle bei. "Wir stellen keinen Blankoscheck aus."

Die hohen Hürden der Hilfe

Bevor überhaupt Geld in Richtung Athen fließen kann, muss die griechische Regierung umfangreiche Auflagen erfüllen. Bundeskanzlerin Merkel betonte, vor einer Auszahlung der Hilfen müsse die Regierung in Athen eine Einigung mit dem IWF und der EU-Kommission über ihr Sparprogramm erzielt haben.

Beobachter gehen davon aus, dass die Abstimmungsgespräche zwischen EU und IWF mindestens mehrere Tage in Anspruch nehmen dürften. Sie weisen insbesondere auf komplexen Verwaltungsvorgänge hin: "Zwei unterschiedliche juristische Verfahren müssen zusammengebracht werden", hieß es dazu zum Beispiel in der "Financial Times Deutschland". Schlimmstenfalls drohen Probleme bei der Auszahlung der Gelder, die zu einer weiteren Verunsicherung an den Finanzmärkten führen könnten.

Welche Zinsen zahlt Athen?

Die Zinsen für Kredite der Euro-Länder liegen etwas über denen der IWF-Darlehen, die Berechnungsweise folgt den Regeln des Fonds jedoch weitgehend: Für einen dreijährigen Kredit müsste Griechenland rund fünf Prozent Zinsen zahlen. Anleihen mit variablen Zinsen hätten als Basissatz den am Geldmarkt üblichen Durchschnittszins (Dreimonats-Euribor).

Für festverzinsliche längerlaufende Anleihen würde der Euribor auf die entsprechende Laufzeit hochgerechnet. Zusätzlich wird ein Aufschlag von 3 Prozentpunkten erhoben sowie eine Verwaltungsgebühr von weiteren 0,5 Punkten.

Kredite mit Laufzeiten über drei Jahre würden zusätzlich 1 Prozentpunkt kosten. Auf diese Weise enthält der Zins kein Subventionselement, die Euro-Länder würden nicht gegen das Verbot der gegenseitigen Schuldenübernahme im EU-Vertrag verstoßen.

Welche Auflagen drohen?

IWF, EZB und EU-Kommission hatten zuletzt in einer gemeinsamen Erklärung betont, dass das gemeinsam ausgearbeitete Programm lediglich die Grundlage für Hilfen sei. Um an das Geld zu kommen muss Griechenland mit zusätzlichen Auflagen rechnen. Die dürften aller Wahrscheinlichkeit nach noch strenger ausfallen als die bishergen Bemühungen, die Athen mit seinem drastischen Spar- und Reformprogramm für 2010 beschlossen hat. Welche Bedingungen das wären, ist bislang offen.

Welche Schuld tragen die Banken?

In der Summe haben die Banken an der Krise in Griechenland nicht verdient, sondern parallel mit dem Sinken der Anleihenkurse massiv verloren. Nur vereinzelt dürften einige Geldhäuser und Hedgefonds von Wetten auf die sinkende Bonität Griechenlands profitiert haben. Vor der Krise hatte Griechenland allerdings bereits leicht höhere Zinsen als etwa Deutschland gezahlt.

Kann Athen die Eurozone verlassen?

Als letzten Ausweg halten einige Ökonomen diesen Schritt für möglich - selbst wenn die europäischen Verträge dies eigentlich nicht vorsehen. Sollte Athen sich dazu entschließen, dann aus der Hoffnung, über Abwertungen der eigenen Währung seine Schulden loszuwerden. Ob das Land dann aber bei einer enormen Inflation überhaupt Kredite am Markt bekommen würde, ist fraglich.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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