Wirtschaft

Drohende Kreditklemme Steinbrück zu allem bereit

Ist bereit jede Menge zu tun: Finanzminister Peer Steinbrück.

Ist bereit jede Menge zu tun: Finanzminister Peer Steinbrück.

(Foto: dpa)

Die Bundesregierung will im Kampf gegen die drohende Kreditklemme in Deutschland notfalls alle Register ziehen. Eine direkte Kreditvergabe der Bundesbank an Unternehmen sei theoretisch denkbar, erklärte Finanzminister Peer Steinbrück in Brüssel. Das Finanzministerium stellte jedoch klar, dies werde nicht konkret geprüft. Die Bundesbank ihrerseits winkte ab. Steinbrück will darüber hinaus Vorschriften zur Berechnung von Eigenkapital ändern, um den Geschäftsbanken mehr Spielraum für die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten zu verschaffen.

Bundesbankpräsident Axel Weber hatte vor zwei Wochen damit gedroht, dass die Zentralbanken in Europa die Banken umgehen und Unternehmen selbst Kredite geben könnten. Am Dienstag betonte er jedoch erneut, dass dies aktuell nicht nötig sei. "Das Bankensystem erfüllt seine Aufgaben nach wie vor. Nur im Fall einer Dysfunktionalität des Bankensystems müssten die Notenbanken neu über ein mögliches Vorgehen nachdenken, zum Beispiel über den Ankauf von Unternehmensanleihen", erklärte Weber. Eine Kreditklemme sehe die Bundesbank derzeit nicht.

Mittelstand leidet besonders

Steinbrück sagte, Banken verweigerten Unternehmen in Deutschland zwar nicht flächendeckend die Kredite. Doch in manchen Branchen und Regionen sowie bei ganz kleinen und ganz großen Unternehmen manifestiere sich die Kreditklemme mehr und mehr. Aber auch Mittelständler litten unter schlechteren Bedingungen, sagte der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven: "Der Mittelstand steckt in einer Kreditklemme."

Bundesregierung und Bundesbank beobachteten die Lage intensiv und würden reagieren, wenn es zu einer umfassenden Kreditklemme kommen sollte, erklärte Steinbrück. "Zwangsmaßnahmen" gegen die Banken plane er jedoch nicht. Vielmehr habe er "Maßnahmen, die es so in Deutschland noch nicht gegeben hat", im Sinn. "Wenn der Bundesbankpräsident sich inzwischen auch öffentlich dahingehend geäußert hat, dass die Bundesbank vielleicht gefragt ist, Kredite direkt an die Realwirtschaft auszugeben, dann ist das eine solche Maßnahme."

Weber erklärte unterdessen, die unmittelbare Vergabe von Krediten an Unternehmen außerhalb des Finanzsektors gehöre nicht zu den Instrumenten der Bundesbank. "Eine solche Maßnahme ist in der Bundesbank nicht diskutiert worden. Das geldpolitische Instrumentarium der Notenbanken im Eurosystem orientiert sich an der Geldwertstabilität und hat keine unmittelbare wirtschaftspolitische Intervention zum Ziel." Juristen sind ohnehin skeptisch, dass die Bundesbank im Alleingang in der Lage wäre, Unternehmen Kredite zu geben. Dies sei allenfalls gemeinsam mit der EZB und den anderen Notenbanken des Eurosystems möglich, wenn diese sich zum Kauf von Firmenanleihen entschlössen.

Neue Eigenkapitalregeln?

Die Bundesregierung plant auch, die Eigenkapitalvorschriften für Banken zu ändern. Konkret geht es darum, dass die Neubewertungsrücklage - ein Bilanzposten bei Banken zur Verrechung von Wertverlusten bei Wertpapieren - künftig nicht mehr vom Eigenkapital abgezogen werden soll. Eine solche Neuregelung würde nach Ansicht von Experten vor allem die Commerzbank entlasten, die vom Staat bereits mit Milliardengeldern gestützt werden musste.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) solle die Änderungen auf Geheiß des ihr übergeordneten Finanzministeriums in die Wege leiten, hieß es in Finanz- und Regierungskreisen. Der Bundesverband deutscher Banken, in dem die privaten Institute organisiert sind, unterstützt das Vorhaben. "Dieses stellt einen sinnvollen und effektiven Weg dar, das aufsichtsrechtliche Eigenkapital und damit die Kreditvergabefähigkeit der Banken in Deutschland zu stärken", sagte Verbandsgeschäftsführer Manfred Weber.

Steinbrück scheiterte in Brüssel dagegen vorerst mit einer von Bundeskanzlerin Angela Merkel angestoßenen Initiative, die kurz als Basel II bezeichneten Eigenkapitalregeln vorübergehend zu lockern. Der schwedische Finanzminister Anders Borg sagte, eine breite Mehrheit der Mitgliedstaaten sei dagegen. Doch sei vereinbart worden, das Thema beim informellen Treffen der EU-Finanzminister Anfang Oktober in Göteborg weiter zu besprechen. Basel II schreibt Banken vor, Risiken bei Krediten oder Wertpapieren mit Eigenkapitalreserven abzudecken.

Die deutschen Banken leiden EU-Diplomaten zufolge besonders unter den hohen Abschreibungen auf riskante Papiere. Andere Länder sind von der Initiative dagegen nicht begeistert und halten es für falsch, die Kontrolle der Kreditrisiken mitten in der Krise aufzuweichen. Steinbrück sagte, ein Alleingang Deutschlands komme bei den Eigenkapitalregeln nicht infrage.

Quelle: ntv.de, sla/rts

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