"Mr. 787" geht in Rente Stühlerücken bei Boeing
01.09.2009, 20:58 UhrMitten im Desaster um das Prestigeobjekt 787 des US-Flugzeugbauers Boeing erschreckt der Chef der Verkehrsflugzeugsparte, Scott Carson, die Anleger: Er kündigt an, Ende des Jahres in Rente gehen zu wollen.
Mit der Lösung der Probleme werde der bisherige Chef der Rüstungssparte, Jim Albaugh, beauftragt, teilte Boeing mit. Der Wechsel trat umgehend am Dienstag in Kraft. Carson soll offiziellen Angaben zufolge aber seinem Nachfolger bis Ende des Jahres noch beratend zur Seite stehen. Boeing hatte erst am Donnerstag angekündigt, dass die auch Dreamliner genannte 787 nach zwei Jahren Verzögerung noch in diesem Jahr zu ihrem Jungfernflug abheben soll.
"Es war Scotts Entscheidung, in Rente zu gehen", erläuterte Boeing-Chef Jim McNerny. Dazu hätten viele Faktoren beigetragen, ausschlaggebend sei aber die Verabschiedung des neuen Zeitplans für die 787 gewesen. Carson habe seinem Nachfolger damit einen klaren Weg bereitet.
Der 63-Jährige blickt auf eine 36-jährige Karriere bei Boeing zurück. Bevor er 2006 die Verantwortung für die Verkehrsflugzeugsparte übernahm, war er zwei Jahre Verkaufschef für Boeing-Flugzeuge. Er kurbelte den zunächst schleppenden Absatz des Konkurrenzprodukts des Airbus A350 kräftig an. Doch die Probleme bei der Entwicklung und Produktion der 787 bekam auch er nicht in den Griff.
Boeing hat den Erstflug inzwischen fünf Mal verschoben. Zuletzt stoppte der Flugzeugbauer Mitte August beim italienischen Zulieferer Alenia Aeronautica die Produktion von Rumpfteilen, da auf der Außenhaut Falten entdeckt worden waren.
Kohlefaser statt Aluminium
Mit der 787 betritt Boeing Neuland: Sie soll hauptsächlich aus Verbundfaserstoffen bestehen und nicht wie herkömmliche Flugzeuge bisher aus Aluminium. Das soll den Jet leichter machen, damit er weniger Kerosin verbraucht.
Die anhaltenden Verzögerungen machten einige Erfolge Carsons wieder zunichte. Mehrere Fluggesellschaften stornierten Bestellungen für die 787. Insgesamt liegen Boeing aber nach wie vor rund 850 Orders von mehr als 50 Kunden vor, was den Erfolgsdruck des Programms erhöht.
Albaugh im Rampenlicht
Carsons Nachfolger Albaugh stieß bei Analysten und Experten auf geteilte Resonanz. Der 59-Jährige leitet seit 2002 die Rüstungssparte von Boeing. Der Bereich hat einige wichtige Aufträge verloren, darunter den Ersatz von 179 Tankflugzeugen für etwa 35 Mrd. Dollar, für die zunächst Konkurrent EADS den Zuschlag erhalten hatte.

Rumpf aus Verbundmaterialien: Die 787 in einem Boeing-Hangar in Everett im US-Bundesstaat Washington.
(Foto: AP)
"Wir sind nicht überzeugt, dass dieser Wechsel die Lage der Verkehrsflugzeugsparte verbessert", urteilte Analyst Rob Stallard von Macquarie Securities. Rüstungsexperte Jim McAleese führte den Personalwechsel auf den Druck institutioneller Investoren zurück. Albaugh sei wahrscheinlich der Manager mit der meisten Erfahrung, den Boeing derzeit zur Verfügung habe.
"Und wenn man Schaden abwenden muss sowie restrukturieren, dann nimmt man das Beste, was man hat." Analysten gehen davon aus, dass Boeing dieses Jahr einen Verlust verbuchen wird. Nachfolger von Albaugh wird der 45-jährige Dennis Muilenberg. Er war bereits innerhalb der Rüstungssparte beschäftigt.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts