Wo liegt der faire Yuan-Wert? Suche nach der Währungsbalance
09.11.2010, 11:42 UhrKanzlerin Merkel ruft im Währungsstreit zwischen den USA und China dazu auf, China mit Argumenten zu einem fairen Yuan-Kurs zu bewegen, anstatt das Land wegen seiner Währungspolitik zu attackieren. Experten warnen derweil vor einer einseitigen Aufwertung des Yuan. China, USA und Europa müssten in Währungs- und Handelsfragen enger zusammenarbeiten.

Währungsfragen werfen Handelsfragen auf. Nicht nur in China, auch in den USA und Europa gibt es hier Schieflagen.
(Foto: REUTERS)
Wechselkurse sollten die grundlegende Stärke einer Volkswirtschaft widerspiegeln, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview mit der "Financial Times" (FT). Die Kanzlerin wandte sich zugleich gegen die Forderung von US-Finanzminister Timothy Geithner, Zielgrößen für maximale Leistungsbilanzüberschüsse oder -defizite festzulegen. "Ich halte nicht viel von quantifizierten Zielgrößen in der Zahlungsbilanz", erklärte Merkel. Zahlungsbilanzen seien nicht nur eine Frage der Wechselkurse, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit.
Die größte Gefahr für die Weltwirtschaft besteht laut Merkel in einem Rückfall zum Protektionismus im globalen Handel. In diesem Zusammenhang äußerte sich Merkel besorgt über neue Beispiele nichttarifärer Handelshemmnisse in Staaten der G-20-Gruppe. Ausdrücklich kritisierte Merkel mit Blick auf die USA Gesetzesvorhaben und "andere Versuche, den Marktzugang zu erschweren".
China wird seit langem wegen seiner angeblich zu schwachen Währung von amerikanischen und europäischen Politikern angegriffen. Sie kritisieren, dass die Regierung den Wert des Yuans künstlich niedrig hält, um die heimische Exportwirtschaft mit günstigen Preisen auf dem Weltmarkt zu stützten. Manche Experten warnen bereits vor einem Währungskrieg, weil sich auch andere Länder wie Brasilien darum bemühen, ihre Währungen zu schwächen.
Warnung vor einseitiger Aufwertung
Kurz vor dem G20-Treffen in Seoul am Wochenende weisen Experten im Zusammenhang mit dem anhaltenden Währungsstreit darauf hin, dass eine einseitige Aufwertung des Yuan keine Lösung darstellt. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung legt nahe, dass eine massive Aufwertung des Yuan das chinesische und globale Wachstum hemmen und zu einem weltweiten Zinsanstieg führen könnte.

Eine massive Aufwertung des Yuan würde das chinesische und globale Wachstum hemmen, sagen Experten.
(Foto: REUTERS)
Die Analyse "Rebalancing the Global Economy" warnt davor, die Bürde einer Korrektur von Handelsungleichgewichten ausschließlich China zuzuschieben. In diesem Fall blieben die komplexen Ursachen von hohen Leistungsbilanzüberschüssen und -defiziten außer Acht und einer ohnehin schon anfälligen Weltwirtschaft drohe eine noch stärkere Belastung. Vielmehr müssten die Vereinigten Staaten und Europa mit China zusammenarbeiten und alle drei Partner sollten geeignete Maßnahmen zum Ausgleich von Ungleichgewichten umsetzen.
Die Autoren weisen ferner darauf hin, dass eine schnelle Aufwertung des Yuan die chinesischen Exporte schwächen und in der Folge die Verfügbarkeit chinesischen Kapitals mindern werde. Dieses habe dazu beigetragen, die Zinsen niedrig zu halten und das Wachstum anzukurbeln. Zudem hätten die USA und Europa unter geringeren chinesischen Investitionen zu leiden. Darüber hinaus würde ein deutlich aufgewerteter Yuan die Wachstumslokomotive China bremsen und damit auch das globale Wachstum dämpfen. Dies könnte dann zu einer weltweiten Abwertung des US-Dollars führen, mit einem daraus folgendem Anstieg der US-Zinsen und einem Rückgang der US-Aktienkurse. Eine solche Entwicklung hätte aber keine Auswirkungen auf die chinesische Sparquote und Marktverzerrungen, mit denen die chinesischen Produktionskosten künstlich niedrig gehalten werden.
Sparquote steigern und Binnenmärkte stärken
Die Experten fordern stattdessen, dass Länder mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen oder -defiziten eine Kombination aus mehreren politischen Maßnahmen umsetzen. Dazu gehöre eine Anhebung der US-Sparquote durch Verringerung der kreditfinanzierten Nachfrage. Weiter empfehlen die Autoren ein Umsteuern in europäischen Ländern mit Leistungsbilanzüberschüssen von einem exportgesteuerten Wachstum zu vermehrter Inlandsnachfrage mit höherer Importtätigkeit. Auch die Umsetzung einer chinesischen Strukturreform, die die Binnennachfrage stärkt, sowie der Ausbau der sozialen Sicherungssysteme sollten zu den stabilisierenden Maßnahmen gehören.
Zudem regen sie die Bildung von Währungsreserven in anderen Währungen als dem US-Dollar und eine stärkere Bindung der ostasiatischen Währungen inklusive des Yuan an einen Währungskorb an, bei dem der Euro und der Yen ein großes Gewicht haben sollten.
Ungleichgewichte im Handel, deren Ursachen und Möglichkeiten eines Abbaus stehen im Zentrum der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20). Die Staats- und Regierungschefs kommen am Donnerstag und Freitag zu ihrem Gipfel in Seoul zusammen.
Quelle: ntv.de, ddi/rts/Bertelsmann Stiftung