Wirtschaft

Jahresabschluss verschoben, Aktienkurs bricht ein Verkauft ThyssenKrupp seine "Perle"?

39203259.jpg

An Baustellen mangelt es ThyssenKrupp nicht: Milliardenschulden, defizitäres Übersee-Stahlgeschäft, Schienenkartell. Nun scheint eine Lösung für gleich alle Krisenherde gefunden. Den Anlegern geht das aber nicht weit genug.

Beim schuldengeplagten deutschen Stahlkonzern ThyssenKrupp zeichnet sich ein Befreiungsschlag ab, infolgedessen auch die Veröffentlichung des Jahresabschlussberichts verschoben wird. Und obwohl der Befreiungsschlag auch das defizitäre Übersee-Stahlgeschäft betrifft, sackte der Aktienkurs deutlich ab. Die Titel waren Top-Verlierer im Leitindex Dax.

ThyssenKrupp
ThyssenKrupp 12,48

Bei dem seit Monaten zum Verkauf stehenden Übersee-Stahlgeschäft kann zumindest mit einem Teilerfolg gerechnet werden: ThyssenKrupp befinde sich in exklusiven Verhandlungen für einen Verkauf des Stahlwerkes in den USA. Die Gespräche beinhalteten auch mögliche langfristige Lieferungen von Stahl aus dem Werk in Brasilien, so der Dax-Konzern in einer Pflichtmitteilung.

Diese Formulierung legt nahe, dass ThyssenKrupp die Anlage in Brasilien behält. Der Konzern versucht seit eineinhalb Jahren, die Fabriken in Brasilien und den USA abzustoßen. Den Geschäftsbericht will der Mischkonzern nun erst am 2. Dezember statt am Donnerstag vorlegen.

"Erfolgreicher Abschluss noch offen"

Den Namen des Interessenten nannte ThyssenKrupp nicht. Das "Handelsblatt" berichtete, ein Konsortium um den Weltmarktführer ArcelorMittal wolle das Werk übernehmen und ein Vertrag könne zeitnah unterzeichnet werden. 

Unternehmenschef Heinrich Hiesinger musste immer wieder Rückschläge bei den Verkaufsbemühungen hinnehmen. Auch jetzt gab sich der Konzern zurückhaltend. "Ein erfolgreicher Abschluss der Transaktion ist zurzeit noch offen." Die Kosten für die Werke waren insgesamt auf fast 13 Milliarden Euro in die Höhe geschossen. Der Löwenanteil fiel dabei auf die von Pannen begleitete Anlage in Brasilien. Sie liefert Rohstahl an das Weiterverarbeitungswerk in den USA.

Verlustbringer

Der brasilianische Rohstoffkonzern Vale hält 27 Prozent an der Anlage im Bundesstaat Rio de Janeiro und hat quasi ein Vetorecht in dem dortigen Verkaufsprozess. ThyssenKrupp hatte lange mit dem brasilianischen Stahlkonzern CSN über einen Verkauf verhandelt. Doch CSN habe immer wieder versucht, den Preis zu drücken, sagten Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Hiesinger wollte eigentlich beide Anlagen rasch abstoßen. Sie trugen maßgeblich dazu bei, dass der Konzern im Geschäftsjahr 2011/12 einen Verlust von fast 5 Milliarden Euro schrieb.

Denkbar ist, dass ThyssenKrupp in Brasilien einen weiteren Partner ins Boot holt. Für die Anlage in den USA hatte erst kürzlich erneut ArcelorMittal sein Interesse angemeldet. ThyssenKrupp wollte sich nicht dazu äußern, mit wem verhandelt wird. Der Konzern hat nach diversen Abschreibungen beide Werke noch mit 3,3 Milliarden Euro in den Büchern.

Kapitalerhöhung nimmt Formen an

Den Konzern drücken Schulden von über 5 Milliarden Euro. Hiesinger treibt Insidern zufolge deshalb auch eine Kapitalerhöhung voran. Der Stahlkonzern habe Banken aufgefordert, ihre Konditionen für eine zehnprozentige Aufstockung vorzulegen, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Vertreter von Finanzinstituten. Dabei sollten die Geldhäuser einen sogenannten "Backstop"-Preis nennen, zu dem sie die Aktien notfalls auf ihre Bücher nehmen würden, falls sie zu dem Preis keine Abnehmer am Markt finden.

Rein rechnerisch wäre ein Paket von zehn Prozent beim gegenwärtigen Aktienkurs etwa eine Milliarde Euro wert. Es könnte aber auf die neuen Papiere einen deutlichen Preisabschlag geben. Ein Konzernsprecher bekräftigte auf Anfrage, dass eine Kapitalerhöhung nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei. Eine Einschätzung könne aber erst dann vorgenommen werden, wenn unter anderem mehr Klarheit beim Verkaufsprozess für die Übersee-Stahlwerke herrsche.

Schadenersatz an die Bahn

ThyssenKrupp zahlt zudem für Kartellabsprachen auf dem Schienenmarkt einem Zeitungsbericht zufolge Schadenersatz an die Deutsche Bahn. "ThyssenKrupp und die Deutsche Bahn haben sich Mitte November grundsätzlich geeinigt", teilte der Stahlkonzern mit. Zu der Höhe der Zahlungen machte das Unternehmen keine Angaben. "ThyssenKrupp geht diesbezüglich jedoch davon aus, dass es über die bereits vorgenommenen Rückstellungen hinaus zu keinen weiteren finanziellen Belastungen kommen wird", hieß es.

Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuvor von mehr als 150 Millionen Euro gesprochen. Das "Handelsblatt" schrieb unter Berufung auf Kreise, dass der Betrag im unteren dreistelligen Millionenbereich liege.

ThyssenKrupp hatte wegen des Schienenkartells Rückstellungen von 207 Millionen Euro gebildet. Allerdings pochen noch weitere Bahnbetriebe, etwa Nahverkehrsunternehmen, auf Schadenersatz.

Das Bundeskartellamt hatte im Sommer 2011 ein Schienenkartell aufgedeckt, das jahrelang Schienen und Weichen zu überhöhten Preisen verkaufte. Die Kartellbehörde verhängte Bußgelder von insgesamt mehr als 230 Millionen Euro gegen vier Stahlfirmen, darunter auch ThyssenKrupp Gleistechnik.

Deutliche Kursverluste

Die Aktien von ThyssenKrupp setzte sich an die Spitze der Verlierer im Dax gesetzt. Bei hohen Umsätzen fielen die Titel um bis zu 3 Prozent. "Zum einen schwebt eine Kapitalerhöhung über dem Kurs, zum anderen ist der Verkauf des US-Werkes nicht in trockenen Tüchern und weniger, als sie sich eigentlich vorgenommen hatten - nämlich beide amerikanischen Werke zu verkaufen", sagte ein Händler. Da die Aktien trotz all der Probleme zuletzt zugelegt hatte, machten einige Kasse. ThyssenKrupp sind dabei Umsatzspitzenreiter am deutschen Markt.

"Wie der Deal von Steel Americas einzuschätzen ist, hängt von den finanziellen Details ab. Und die wissen wir nicht. Es sieht leicht negativ aus, weil sie die Perle verkaufen und das Problem behalten", sagte M.M. Warburg-Analyst Björn Voss.

Quelle: ntv.de, bad/rts/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen