Wirtschaft

Taumelnder Industrieriese ThyssenKrupp sucht den Befreiungsschlag

Trügerische Idylle - das Krupp-Stammhaus nahe der Konzernzentrale.

Trügerische Idylle - das Krupp-Stammhaus nahe der Konzernzentrale.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Industriekonzern kommt nicht auf die Beine: Wegen der mauen Konjunkturlage und sich ziehender Verkäufe von Stahlwerken in Übersee wird das Geld bedrohlich knapp. Das treibt die Spekulationen. Kapitalerhöhung, ein Investor und Teilverkäufe - inzwischen scheint nichts mehr undenkbar.

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Der hoch verschuldete Industriekonzern ThyssenKrupp steuert weiter einer ungewissen Zukunft entgegen. Dreh- und Angelpunkt beim Essener Traditionsunternehmens ist die Finanzierung. Dabei hängt alles vom geplanten Verkauf der Stahlwerke in Brasilien und den USA ab. Darüber hinaus braucht der Dax-Konzern einen Durchbruch bei der Abwicklung der zahlreichen Kartellfälle. Je länger Lösungen auf sich warten lassen, desto mehr steigt der Druck auch auf Vorstandschef Heinrich Hiesinger. Da ist es nur logisch, dass Spekulationen Hochkonjunktur haben.

Die Zeit drängt. Das Eigenkapital ist zuletzt stark geschrumpft - auf nur noch 9,5 Prozent Ende März. "Das ist der mit Abstand niedrigste Wert unter den Unternehmen, die im Dax vertreten sind", schrieb Hiesinger damals den Mitarbeitern.

Bedrohliches Verhältnis von Nettoschulden und Eigenkapital

Besonders bedrohlich ist, dass das Verhältnis der Nettofinanzschulden zum Eigenkapital mittlerweile nahe an der Marke von 150 Prozent liege, ab der Banken einige milliardenschwere Kreditverträge kündigen können. ThyssenKrupp-Sprecher geben sich bei dieser Frage bislang noch betont gelassen. Sie verweisen darauf, dass bei einem Überschreiten die Kündigung keineswegs ein Automatismus sei.

Bei Stopfen der Löcher könnte eine Kapitalerhöhung helfen. Inzwischen schließt ThyssenKrupp einen solchen Schritt nicht mehr aus. Doch dabei könnte die klamme Krupp-Stiftung um den 99 Jahre alten Stiftungschef Berthold Beitz als Haupteigentümerin aller Voraussicht nach nicht mitziehen. Sie hält mit 25,3 Prozent der Anteile bislang eine Sperrminorität, die den Konzern vor Übernahmen schützt. Falle diese Hürde weg, befürchten viele, dass Hedgefonds den Traditionskonzern in seine Einzelteile zerlegen könnten.

Steht RAG in den Startlöchern?

Als Retterin in der Not wird nun immer öfter die RAG-Stiftung gehandelt. Zwar versichern alle Seiten unablässig, dass es bislang keine Gespräche zu diesem Thema gegeben habe. Allerdings zeigte Stiftungschef Werner Müller zuletzt bei einem Besuch der Düsseldorfer SPD-Fraktion auch keine Berührungsängste. Ein solches Engagement sei mit der Satzung der Stiftung durchaus vereinbar, ließ er die um ThyssenKrupp besorgten Landespolitiker wissen. Die unbestätigten Spekulationen rund ums Thema reichen von einer Beteiligung bis zu einer Geldspritze per Darlehen. Allerdings will sich die Stiftung dem Vernehmen nach fragen lassen und nicht selbst aktiv werden.

Die RAG-Stiftung war 2007 vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen gegründet worden, um Milliarden-Folgeschäden nach dem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau zu finanzieren. Derzeit ist die Kasse der Stiftung nach dem Börsengang der Chemie-Tochter Evonik prall gefüllt.

Gerüchteküche brodelt

Bei Aktionärsschützern stoßen die Spekulationen indes auf wenig Gegenliebe. "Dann haben wir zwei Stiftungen, die auf laufende Kapitaleinnahmen angewiesen sind", sagt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Das klingt nach alter Ruhrgebiets-Seilschaft."

ThyssenKrupp dementiert einstweilen heftig, dass an einer Blitzaktion für ein kleine Kapitalerhöhung gearbeitet wird, mit der zumindest die ärgsten Löcher gestopft werden könnten. Vor diesem Hintergrund wird in Finanzkreisen spekuliert, wie ThyssenKrupp alternativ an Geld kommen könnte.

Besonders beliebt ist dabei die Diskussion über zumindest einen Teilverkauf der europäischen Stahlaktivitäten - eine Horrorvision für viele Beschäftigte im Ruhrgebiet und bislang offiziell ein Tabu für Hiesinger. Zudem wird das Gerücht gehandelt, dass Hiesinger sich von einer der Ertragsperlen im Technologiegeschäft trennen könnte. Beim Konzern werden solche Überlegenen zurückgewiesen.

Zunächst muss ohnehin der Verkauf der Übersee-Stahlwerke gelingen. Eigentlich wollte ThyssenKrupp schon im Mai einen Käufer präsentieren. Doch die Verhandlungen sind schwierig. Und es drohen weitere Abschreibungen in Milliardenhöhe. Zusätzliche Belastungen drohen durch neue Kartellstrafen und durch Schadenersatzforderungen.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa/dpa-afx

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